Leben mit vier Kindern „Unperfekt, aber wundervoll!“

Düsseldorf · Am Sonntag ist Muttertag. Wir haben eine Düsseldorferin besucht, die vier Kinder zwischen 18 Monaten und neun Jahren hat. Während die Großen im Homeschooling sind, zerrt das Baby am Bein. Ihr Glückskonzept ist: Einfach keine Pläne machen, es kommt sowieso anders.

 Alina Lobkowicz mit Josephine (links), Melchior, Augustina und Baby Ludmilla.

Alina Lobkowicz mit Josephine (links), Melchior, Augustina und Baby Ludmilla.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Ludmilla hat einfach keine Lust mehr. Das 18 Monate alte Mädchen schreit auf dem Arm seiner großen Schwester Josephine mit aller Kraft. Die Neunjährige trägt die Kleine durch die Wohnung, spricht mit ihr, dann legt sie sie hin – aber da brüllt Ludmilla nur noch lauter. Aber dann klingelt das Telefon, es ist die Oma, und die erweist sich gleich zweifach als Retterin. Sobald Ludmilla ihre Stimme über den Lautsprecher hört, ist sie mucksmäuschenstill und hört zu. Und dann fragt die Großmutter: „Habt ihr was zu essen? Soll ich für euch mitkochen?“ Alina Lobkowicz, die Mutter der Mädchen, ruft aus dem Wohnzimmer: „Sag Oma, wir haben nichts!“ Dann streckt sie die gefalteten Hände wie zum Dankes-Stoßgebet nach oben. Josephine tut, wie ihr geheißen wurde, und sagt dann: „Oma, leg bitte nicht auf, das Baby ist still, wenn du dran bist.“

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Der rettende Anruf kommt oft um die Mittagszeit. Alina Lobkowicz weiß diesen Luxus sehr zu schätzen. Ihre Mutter lebt gleich nebenan, in einer alten, restaurierten Hofanlage in Düsseldorf-Kalkum. „Es ist fast wie in einer Kommune hier“, sagt die 36-Jährige. Ihr Mann Maximilian und sie haben vier Kinder, zu Josephine und Ludmilla gehören der sieben Jahre alte Melchior und Schwesterchen Augustina, sie ist fünf. In Zeiten der Pandemie bedeutet das auch: Ein Kindergartenkind, zwei Schulkinder und eben ein Zuhause-Baby. „Sagen wir so: Ich versuche, Struktur reinzubringen am Vormittag“, sagt Alina Lobkowicz. Dazu gehört, morgens erst einmal zusammen die Kindernachrichten zu schauen. Das zieht oft die eine oder andere Frage der Kinder nach sich. „Ich will ihnen zeigen, dass die meisten Dinge nicht schwarz oder weiß sind, sondern es viele Grautöne dazwischen gibt.“ Sobald alles diskutiert ist, ertönt der Schulgong in Form einer Glocke, die die Mutter läutet. Sie macht dann die Aufgaben mit Josephine und Melchior, oft macht die Fünfjährige einfach mit oder sie spielt so lange in ihrem Zimmer. „In der Zeit, in der das Baby noch viel geschlafen hat, funktionierte das alles natürlich besser als jetzt, wo es anfängt zu laufen.“

Alina Lobkowicz sagt einen Satz, dem wohl viele Mütter zustimmen werden: „Theoretisch geht das immer, aber wenn nur eine Stellschraube klemmt, dann kippt alles ganz schnell.“ Zum Beispiel, wenn sie krank wird. Dackelmischling Frieda kommt ins Zimmer und sucht den Boden systematisch nach Krümeln ab. Ludmilla zerrt etwas zu begeistert am Hundeohr. „Nur Ei machen!“, mahnt ihre Mutter. „Für Eltern ist es bei dem ständigen Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht schwer, immer wieder herauszufinden, was jetzt eigentlich gerade genau der Plan ist“, sagt sie. „Welches Fach ist wann? Mal ist der Sport draußen, dann drinen – meine Kinder finden es schlimm, wenn ich bestimmte Termine verwurschtele und sie dann zum Beispiel die falschen Klamotten dabeihaben.“

Dann die Aufgaben, die zu machen sind. „Manchmal heißt es am Sonntagabend: Mami, ich hab doch noch was, das ich am Montag abgeben muss.“ Und ja, manchmal übernehme sie das dann einfach selbst, damit es schneller gehe. „Ich kenne keine Eltern, die dann sagen: Komm, dann setzen wir uns jetzt nochmal in Ruhe hin und lernen das alles schön mit Konzept.“ Mit vier Kindern sei ein großer Vorteil beim Distanzunterricht aber, dass man nicht mehr „um Punkt da sein muss“, wie Alina Lobkowicz sagt. „Morgens vor der Schule alle gleichzeitig davon zu überzeugen, dass sie eine Hose und hoffentlich eine Unterhose anhaben, dann Schuhe, Jacke und den Schulranzen haben, das ist nicht immer leicht.“

Um Kinder selbstbewusst und stark werden zu lassen, muss man sie auch loslassen können, weiß Alina Lobkowicz. „In meiner Welt würde ich sie trotzdem am liebsten erst allein aus dem Haus lassen, wenn sie 20 sind“, sagt sie und lacht. „Allein wegen der Kurve hier in der Straße, wo man sie als Autofahrer vielleicht nicht rechtzeitig sieht, wenn sie Radfahren.“ Kinder, sagt sie, orientieren sich immer daran, was man ihnen zutraut. „Ich habe Angst vor Pferden, für mich sind das wilde Tiere – wenn ich da aber panisch an der Koppel stehe, halten meine Kinder auch Abstand.“ Also schickt sie die Kinder einfach mit ihrem Mann zum Pferdehof. „Und was passiert? Sie sitzen innerhalb einer Minute mutig auf den Pferden.“

Alina Lobkowicz wirkt ziemlich gelassen. Sie hat gelernt, dass man ohnehin nicht alles planen und umsetzen kann. „Manchmal kommt das Leben dazwischen“, sagt sie. So wie damals, als das Brautkleid in Größe 36 am Tag der Hochzeit längst nicht mehr passte, weil sie inzwischen schwanger mit ihrer ersten Tochter war. Überhaupt sei nur eines der Kinder geplant gewesen. „Wir haben uns aber schon früh dazu entschieden, dass wir jedes Kind annehmen, das kommt – es ist doch wie ein unverdientes Geschenk“, sagt sie.

Als Josephine noch kein Jahr alt war, wurde Alina Lobkowiczs Ehemann schwer krank. Er hatte einen Gehirntumor, den nur weniger als fünf Prozent der Erkrankten überleben. „Uns war klar, wir müssen uns verabschieden“, sagt Alina Lobkowicz. Aber Maximilian Lobkowicz schaffte es in einem dreijährigen Kampf und kann sein Leben heute wieder ganz normal leben und arbeiten. „Auch wenn vieles bei uns völlig unperfekt ist, finde ich mein Leben und meine Familie wundervoll“, sagt sie.

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