Al-Zein-Prozess in Düsseldorf Schläge im schallisolierten Keller

Düsseldorf · Mit einem Panzerfahrzeug durchbrechen Polizisten im Juni 2021 das Eisentor zur sogenannten Clan-Villa in Leverkusen, durchsuchen das Gebäude und beschlagnahmen sechsstellige Summen Bargeld. Nun stehen sieben Mitglieder des Al-Zein-Clans in Düsseldorf vor Gericht.

Düsseldorf: Prozessauftakt gegen Mitgleider des Al-Zein-Clans
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Prozessauftakt gegen Mitglieder des Al-Zein-Clans in Düsseldorf

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Foto: dpa/Oliver Berg

Schon eine Stunde vor Beginn des Prozesses drängen sich am Mittwoch zahlreiche Zuschauer vor dem größten Saal des Düsseldorfer Landgerichts. „Wir sind Familie“, sagt einer zu einem Justizangestellten. „Es ist noch kein Einlass“, entgegnet der. Wenig später winken die Familienangehörigen den Angeklagten aus dem Zuschauerbereich zu, es fließen Tränen. Auf der Anklagebank sitzen das Familienoberhaupt der libanesischstämmigen Großfamilie Al-Zein, dessen Frau, die Schwiegertochter und vier Söhne. Sie sind zwischen 22 und 47 Jahre alt.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gewerbsmäßigen bandenmäßigen Sozialbetrug vor – unter anderem. Einige Familienmitglieder lebten in einer Villa in Leverkusen und waren in teuren Autos unterwegs, bezogen aber Sozialleistungen. In einem Zeitraum von sieben Jahren sollen sie so 456.000 Euro staatliche Hilfen bekommen haben. Dazu kommen die Tatvorwürfe Erpressung, Raub, Steuerhinterziehung, schwere Körperverletzung, Geldwäsche, Zwangsarbeit und Geiselnahme. Der Staatsanwalt braucht mehr als eine Stunde Zeit, um alle Anklagepunkte zu verlesen. Die Anklageschrift ist 127 Seiten stark.

Der Chef des Familienclans und drei seiner Söhne sollen etwa einen Friseur wie einen Leibeigenen behandelt und ihn ausgebeutet haben. Anfang November 2020 eröffneten sie laut Anklage einen Friseursalon in Leverkusen, in dem der Mann mit der Option, irgendwann Geschäftsführer zu werden, arbeitete. Die Familie soll den Salon mit Kameras überwacht und den Friseur dazu gezwungen haben, sechs Tage in der Woche je zwölf Stunden zu arbeiten. Auch die Pausenzeit war vorgegeben: 15 Minuten soll er gehabt haben, um mittags etwas zu essen. Sein Monatslohn: 1000 Euro. Das Trinkgeld bekam er nicht. Der Mann erkrankte an Corona, woraufhin das Clan-Oberhaupt seinen Lohn komplett gestrichen haben soll. Als der Friseur seine Kündigung ankündigte, soll ihm gesagt worden sein: „Du kannst über deinen Ausstieg nicht selbst entscheiden.“ Erst müsse er 26.000 Euro bezahlen, die die Familie in den Salon investiert habe.

Ende März 2021 floh der Mann laut Anklage nach München. Der Clan-Chef soll ihn in einem Telefonat allerdings derart bedroht und unter Druck gesetzt haben, dass er zurückkehrte und noch mehrere Monate weiter schuftete – bis zur Festnahme der nun Angeklagten. In einem anderen Fall soll der Hauptangeklagte den Inhaber einen Pizzeria in Essen bedroht und Schutzgeld von ihm erpresst haben. 30.000 Euro soll er gefordert haben, der Lokalbetreiber bekam allerdings nur rund 14.000 Euro zusammen. Eines Morgens waren die Scheiben seines Lokals eingeschlagen und die Inneneinrichtung zertrümmert. Auch ein Werkstattinhaber in Düsseldorf sollte laut Anklage Schutzgeld bezahlen. Der Hauptangeklagte soll in einem weiteren Fall mit seinen Söhnen einen Mann in Düsseldorf bedroht und in einen schallisolierten Keller verschleppt haben. Dort sollen sie ihn verprügelt und in Todesangst versetzt haben.

Im Juni vergangenen Jahres hatte die Polizei das Tor zur Leverkusener Villa mit einem Polizeipanzer durchbrochen. Im Gebäude stellten die Einsatzkräfte scharfe Schusswaffen, sechsstellige Bargeld-Summen und Luxusuhren sicher. Die Villa mit 300 Quadratmetern Wohnfläche und einem 1000-Quadratmeter-Grundstück hatte die Familie für 650.000 Euro gekauft, ein Teil des Geldes stammte laut Anklage aus den Sozialleistungen. Die Einziehung der Villa und weiterer Vermögenswerte sind beantragt, wie der Staatsanwalt sagte.

Der Hauptbeschuldigte war in Duisburg festgenommen worden. In seinem Auto entdeckten Polizisten damals unter einer Fußmatte mehr als 14.000 Euro Bargeld. Auch drei scharfe Waffen wurden bei ihm gefunden, unter anderem eine Maschinenpistole. Der Al-Zein-Clan zählt zu den großen Clans in Nordrhein-Westfalen. Dem Clan werden laut Lagebild des Landeskriminalamtes 227 Tatverdächtige zugerechnet, die für 441 Straftaten verantwortlich sein sollen.

 Im Juni 2021 haben Ermittler die sogenannte Clan-Villa in Leverkusen durchsucht.

Im Juni 2021 haben Ermittler die sogenannte Clan-Villa in Leverkusen durchsucht.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Der Prozess wird am 28. Juni fortgesetzt. Dann wollen das Familienoberhaupt und zwei Söhne sich äußern. Allerdings nicht zu den Vorwürfen, nur zum Lebenslauf. Das Landgericht hat bis Ende November 30 Verhandlungstage angesetzt.

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