Baden im Rhein „Wir gehen ja nur mit den Füßen ins Wasser“

Düsseldorf/Köln/Duisburg · Die meisten Badeunfälle geschehen an ungesicherten Stellen an Flüssen und Seen. Experten warnen jeden Sommer vor den Gefahren. Und doch zieht es die Menschen scharenweise in den Rhein. Wie kann das sein? Wir haben uns in Düsseldorf, Köln und Duisburg umgesehen.

In Düsseldorf am Paradiesstrand - ein Schiff fährt vorbei, die Menschen schwimmen trotzdem.

In Düsseldorf am Paradiesstrand - ein Schiff fährt vorbei, die Menschen schwimmen trotzdem.

Foto: Christian Schwerdtfeger

11.52 Uhr Rheinufer, Duisburg-Marxloh: Die Entstehungsgeschichte der Beecker Halde klingt nicht so, als würde man sich dort gerne aufhalten wollen. Im 19. Jahrhundert wurde hier tonnenweise Kohle verschifft, später wurde erst der Hafen zerstört und dann fielen im Zweiten Weltkrieg die Bomben auch auf das nahegelegene Dorf Alsum. Die Stadt Duisburg lagerte anschließend Kriegstrümmer am Ufer und heute betreibt Thyssenkrupp nur wenige Meter vom Wasser entfernt eine der größten Kokereien der Welt. Hier soll man schwimmen gehen? Tatsächlich ist der Ort beliebt, auch bei Anglern und Spaziergängern.

Auch Ayhan Aktas, 36, kommt öfter her – aber nicht zum Schwimmen. „Das ist nichts für mich“, sagt er. Genießen will er nur die Rheinluft, eine kühle Brise, einfach am Ufer sitzen. Er war auch am Mittwochabend hier, als die Polizei die Leiche einer 17-Jährigen aus dem Wasser geborgen hat. „Das ist so traurig. Hier kommen immer wieder Kids hin, die schwimmen wollen.“ Den Rhein aufwärts suchen Boote das Wasser ab, zwei Mädchen sind am Donnerstagmorgen noch vermisst. In den Rhein traut sich hier jetzt niemand, mehrere Gruppen sitzen am Ufer, ein Mann steht in Badehose bis zu den Knien im Wasser und beobachtet die Taucher. Rund alle 15 bis 30 Minuten fährt hier ein Frachtschiff vorbei. 

13.15 Uhr Rheinaue, Köln-Langel / Hitdorf: Sandstrand, hohes Gras und ein paar Hügel – sieht aus wie Sylt, ist aber Köln. Zwischen den Buhnen ist das Wasser niedrig und ruhig. Doch genau das ist das Trügerische: Stromaufwärts fahrende Schiffe saugen das Wasser an, in Ufernähe sinkt dann der Wasserpegel. Viele Menschen gehen nahe des Ufers ins knietiefe Wasser. Mit unerwarteter Kraft werden aber selbst Erwachsene von der Strömung umgerissen, die zurückkommt, sobald das Schiff das Ufer passiert hat. Kinder laufen dem Wasser häufig nach, wenn es sogartig zurückgeht. Es kommt aber mit der gleichen Kraft zurück, die Kinder können weggerissen und in die Fahrrinne gezogen werden.

Vor eingen Jahren ist ein Sechsjähriger hier ertrunken, sein Vater hatte sich gerade um den kleineren Sohn gekümmert, da war der Ältere plötzlich verschwunden. Am Donnerstag sind zwei Mütter mit ihren Kleinkindern am Strand. „Es ist einfach ideal hier, der perfekte Spielplatz“, sagt Stefanie Faust. Von den vermissten Kindern aus Duisburg hat sie gehört. „Das mag man sich nicht vorstellen“, sagt sie. Sie lasse ihre Kinder zwar ins Wasser, „aber wirklich nur ganz in Ufernähe.“

 Trügerische Idylle: Sandstrand in Köln-Langel

Trügerische Idylle: Sandstrand in Köln-Langel

Foto: RPO/Claudia Hauser

13.47 Uhr Rhein, Paradiesstrand Düsseldorf  Bettina und Saskia rollen gerade ihre Handtücher aus. „Wir sind nur kurz hier, um unsere Mittagspause am Rhein zu verbringen“, sagt eine der beiden Frauen. Vor ihnen fährt gerade ein großes Binnenschiff entlang. Angst vor der Strömung und möglicher Sogwirkung durch das Fahrwasser haben die beiden nicht. „Wir gehen ja nur mit den Füßen ins Wasser. Da wird schon nichts passieren“, sagt Bettina. Langsam füllt sich der Strand; immer mehr Menschen kommen und rollen ihre Handtücher aus. Vom Strand aus hat man einen schönen Blick auf die Stadt. Einige gehen auch ins Wasser und schwimmen – obwohl nicht weit entfernt Schiffe fahren. „Ich komme regelmäßig hier hin – und kraule ein bisschen im Wasser“, sagt ein Mann. „Das Wasser ist ruhig hier.“ Doch die Ruhe kann täuschen; im vergangenen August ist ein 18-Jähriger am Paradiesstrand vom Wasser mitgerissen worden. Zwei Tage später wurde seine Leiche geborgen.

14.20 Uhr Fühlinger See, Köln: Senta und Lotti wirken selig. Die beiden Labrador-Hündinnen haben den halben Tag im Wasser verbracht, jetzt lassen sie sich geduldig abtrocknen, bevor es im Auto zurück nach Hause geht. „Wir hauen ab, bevor die ganzen Leute kommen“, sagt ihr Besitzer. Die Wiesen am See sind noch fast leer, vereinzelt dösen ein paar Menschen im Schatten unter den Bäumen. Spätnachmittags und abends sieht das anders aus: Am Ufer zeugen zwei Dutzend leere Bierflaschen und Asche auf dem Rasen von einer Grillparty. Am Dienstagabend wurde hier am See ein kleiner Junge vermisst. Zeugen entdeckten ihn schließlich im Wasser und zogen ihn ans Ufer. Die Besatzung eines Rettungswagens, der zufällig in Fühlingen war, musste den Sechsjährigen reanimieren. „Das geht so schnell, man muss im Grunde seine Kinder ständig im Blick haben“, sagt eine junge Mutter, die an schönen Tagen jeden Vormittag aus Chorweiler mit ihrem Säugling zum See spaziert.

Entlang der Rheinufer warnen große Schilder davor, Abkühlung im Fluss zu suchen. Und doch ertrinken jeden Sommer wieder Menschen. Ein Duisburger Polizeisprecher sagte am Donnerstag: „Der Rhein ist eine Todesfalle.“ Selbst geübte Schwimmer hätten keine Chance, gegen die Strömung anzuschwimmen. 

(atrie/csh/hsr)
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