Fatih-Moschee in Düren Wo der Muezzin seit fast 40 Jahren ruft

Düren · In Düren steht eine Moschee, in der seit 37 Jahren der Muezzin-Ruf über Lautsprecher vom Minarett ertönt – dreimal am Tag. Für die Nachbarn gehört er dazu, und die Mitglieder der Moscheegemeinde sprechen von einem guten Miteinander.

 Nafiz Temür im Gemeinschaftsraum der Fatih-Moschee in Düren. Er springt dort oft als Muezzin ein.

Nafiz Temür im Gemeinschaftsraum der Fatih-Moschee in Düren. Er springt dort oft als Muezzin ein.

Foto: Claudia Hauser

Es ist kurz vor halb zwei am Mittwochnachmittag, als oben vom Minarett der Fatih-Moschee in Düren der Gebetsruf erklingt. Zweieinhalb Minuten ruft der Muezzin der muslimischen Gemeinde die Gläubigen zum Gebet. Dreimal am Tag ertönt sein Ruf, seit 37 Jahren schon. Stefan Obladen lebt mit seiner Familie nahe der Moschee in einer Seitenstraße. Für ihn gehört der Gebetsruf zum Alltag, sein Sohn ist damit aufgewachsen. „Wenn wir im Sommer mit Freunden im Garten sitzen, wundert sich manchmal einer, dann sag ich, das ist bei uns eben so. Uns stört das nicht.“ Wenn seine Nachbarn zu Unzeiten laut Musik hören würden, fände er das schlimmer, sagt er. Die Angestellte eines Steuerberaters gegenüber der Moschee findet den Ruf „schon sehr laut“, wie sie sagt. „Mich stört es beim Telefonieren, und die Leute am anderen Ende der Leitung fragen dann oft irritiert: Wo sind Sie denn?“

Die Dürener Moschee war 1984 eine der ersten Moscheen in Deutschland, die den Muezzin-Ruf per Lautsprecher nach draußen übertragen durfte – nach einem Antrag des damaligen Gemeindevorsitzenden. Um die Nachbarschaft nicht zu stören, hat die Moscheegemeinde von Anfang an auf den frühmorgendlichen und den Ruf zum Nachtgebet verzichtet. Der Muezzin ruft seitdem mittags, nachmittags und am frühen Abend. Das denkmalgeschützte Gebäude im Dürener Norden war früher eine Metallfabrik. Bis zu 200 Muslime kommen jede Woche zum Freitagsgebet, das im Islam das wichtigste Gebet ist.

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Auch die Stadt Köln will nun ihren mehr als 40 Moscheegemeinden einen öffentlichen Ruf zum Freitagsgebet gestatten. Anfang Oktober startete das zweijährige Modellprojekt. Kostenpflichtiger Inhalt Nur eine kleine Gemeinde im Stadtteil Mülheim hat bisher einen Antrag gestellt. Das Projekt wird ganz unterschiedlich aufgenommen. Die einen sehen es wie Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) als Ausdruck von Toleranz und gutes Zeichen für gegenseitige Akzeptanz. Die anderen – darunter auch Muslime – kritisieren, die Aktion stärke den konservativen Islam, den die Türkisch Islamische Union Ditib vertritt.

 Wunsch nach mehr Toleranz: Orhan Kayhan arbeitet als Bauleiter in der Nähe der Moschee.

Wunsch nach mehr Toleranz: Orhan Kayhan arbeitet als Bauleiter in der Nähe der Moschee.

Foto: Claudia Hauser

Sabine Kieven ist Integrationsbeauftragte der Stadt Düren. „Es gab bei uns damals zunächst auch Widerstand – auch von muslimischer Seite“, sagt sie. „Das Ganze ist ein Prozess, der Zeit braucht.“ Heute gehöre der Ruf des Muezzin fest zur Stadt. „Ich persönlich freue mich über den Ruf des Muezzin, kann aber auch die kritischen Stimmen nachvollziehen“, sagt sie. „Für mich gehört er zum Klangbild von Düren.“ Menschen, die den Gebetsruf befremdlich finden, rät sie, mal bei der Moschee vorbeizufahren. „Geht hin, in der Moschee ist immer jemand, stellt eure Fragen, äußert eure Bedenken – nur durch echte Begegnungen können Ängste abgebaut werden.“

Auch die Dürener Moschee gehört zur Ditib. Mustafa Balikci ist der Vereinsvorsitzende der Dürener Gemeinde. „Wir haben hier in der Stadt ein sehr gutes Miteinander“, sagt er. „Im Grunde sind wir ein ganzes Stück weiter als der Rest Deutschlands: Wir akzeptieren und respektieren einander.“ Deshalb freue ihn das Kölner Projekt. „Das ist eine schöne Sache“, sagt er. „Im Jahr 2021 sollte das doch kein Thema mehr sein.“

Orhan Kayhan arbeitet als Bauleiter bei einer Firma gleich bei der Moschee. „Religion verbindet Menschen“, sagt er. In Istanbul gebe es mehr als 30 katholische Kirchen. „Da bimmeln jeden Samstag und jeden Sonntag je eine Stunde lang die Glocken und keinen stört es.“ Er fügt hinzu: „Wir leben hier in Deutschland, dort gelten die deutschen Gesetze, und das ist auch gut so, aber ich werbe wirklich für mehr Toleranz.“ Einer, der in Düren immer wieder als Muezzin einspringt, ist Nafiz Temür. Der 66-Jährige hat früher bei Ford gearbeitet, später als Busfahrer. „Wenn ich Zeit habe, komme ich fünfmal in der Woche zum Beten in die Moschee“, sagt er. „Nach dem Gebet fühle ich mich immer wie befreit, es ist für mich wie ein gutes Essen, wenn ich hungrig war.“ Die Moschee ist für ihn aber auch ein Ort, an dem er andere trifft und mit ihnen im Gemeinschaftsraum zusammensitzt. „Wie sprechen dann auch über alle möglichen Probleme“, sagt er. „Im Grunde wie am Stammtisch.“

Mustafa Balikci vermutet, dass viele Moscheegemeinden in Köln noch so zögerlich sind, weil sie Angst vor den Reaktionen des Umfeldes haben. „Ich würde mir wünschen, dass sie es einfach ausprobieren“, sagt er.

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