Hundehospiz in Dormagen Ein letztes Zuhause für Hunde, die keiner mehr will

Dormagen · Petra Brück gibt alten, kranken, misshandelten und verwaisten Hunden ein Zuhause. Im Tierheim hätten sie alle keine Chance. Im Hundehospiz in Dormagen dürfen sie nun ihren Lebensabend genießen. Eine Geschichte über das, was zählt – und das Loslassen.

 Petra Brück mit einigen Hunden ihres Senioren-Rudels in Dormagen.

Petra Brück mit einigen Hunden ihres Senioren-Rudels in Dormagen.

Foto: privat

Wenn wieder ein Hund einzieht, sind sie alle auf den Beinen im Seniorenheim „Rheinperle“. Da ist zum Beispiel Blacky, ein schwarzer Cockerspaniel, blind, taub und Epileptiker, der früher zwölf Stunden am Tag allein gelassen wurde, während seine Besitzerin arbeiten war. Eine aufmerksame Nachbarin verständigte das Veterinäramt und so landete Blacky im Hundeseniorenheim in Dormagen. Oder Sweety, ein mexikanischer Nackthund, den in einem Tierheim in den USA niemand wollte. Die traurige, betagte Hündin sollte getötet werden. Heute ist sie vorn mit dabei, wenn ein neuer Bewohner ankommt. 18 Hunde verbringen hier gerade ihren Lebensabend.

Die Chefin des Senioren-Rudels ist Petra Brück, 54 Jahre alt und eigentlich Juristin. „Alte Hunde sind ganz besonders hilfsbedürftig, genau wie alte Menschen“, sagt sie. „Für mich strahlen sie trotzdem eine ganz besondere Souveränität und Lebensweisheit aus und es rührt mein Herz, wenn ich es schaffe, dass die alten, trüben Hundeaugen wieder funkeln.“ Viele ihrer Hunde sind demenzkrank, gebrechlich und tüttelig – der Jüngste ist zwölf, der Älteste 20 Jahre alt. Cockerspaniel Blacky ist inzwischen 16. „Er ist hier so aufgeblüht“, sagt Brück. „Blacky ist vor fünfeinhalb Jahren eingezogen und rennt immer noch blind übers Gelände und buddelt im Sand.“

Die Tierschützerin hat sich einen Lebenstraum erfüllt, als sie im Jahr 2016 ihr Hundehospiz eröffnete. Vorher war sie als Strafverteidigerin in einer Kanzlei angestellt. „Aber ich wollte immer schon einen Altersruhesitz für Hunde haben, die im Tierheim keiner mehr will“, sagt sie. Die ersten alten Hunde hat sie schon vor 26 Jahren aufgenommen. Aber der Plan, alles größer aufzuziehen, wurde erst konkret, als sie zufällig ein Haus mit 8000-Quadratmeter-Grundstück in Dormagen entdeckte, das zum Verkauf stand. „Da wusste ich: Jetzt oder nie. Mit 70 ist der Lebenstraum sonst ausgeträumt.“

 Hunde-Omi Sweety hat bei Petra Brück ein neues Zuhause gefunden. Sie sollte getötet werden.

Hunde-Omi Sweety hat bei Petra Brück ein neues Zuhause gefunden. Sie sollte getötet werden.

Foto: RPO/privat

Sie baute das Haus hundegerecht um, unter anderem gibt es eine Waschstation. Im Mai 2016 bekam sie dann die Zulassung vom Veterinäramt und die ersten Senioren konnten einziehen. Finanziert wird das Hospiz hauptsächlich über Spenden und Patenschaften. Petra Brück lebt mit den Hunden zusammen, die Tiere müssen bei ihr keine Kommandos mehr können. Sie dürfen schlafen, solange sie wollen und wo sie wollen. Und jeden Sonntag gibt es eine Leberwurstparty. „Da kommt der Toaster auf den Tisch und dann geht’s los“, sagt sie. „Alle Hunde sind dann total nervös.“ Gebannt verfolgen sie dann in der Küche jede Bewegung, die Petra Brück macht. Und jeder Hund bekommt ein Toastbrot mit grober Leberwurst. „Die mögen sie am liebsten – es ist natürlich ungesund, aber mein Gott“, sagt sie. „Sie sind doch alt.“ Manchmal steht ein Hund schon samstags wie ein Mahnmal in der Küche. Das kann aber auch an der Demenz liegen.

Im Haus gibt es keine Türen, außer eine am Eingang. „Wie sind eine total entspannte Truppe“, sagt Brück. Einige Aufregung herrscht immer nur, wenn ein Neuzugang kommt. Das war vor ein paar Tagen die Bobtail-Hündin Beverly, zwölf Jahre alt, die gerade alles verloren hat. Sie war einige Tage allein mit ihrem schwer erkrankten Besitzer in dessen Wohnung, bis eine Hauswirtschafterin die beiden entdeckte. Der Mann starb im Krankenhaus und Beverly war völlig überfordert bei der Hauswirtschafterin und ihren Kindern, bei denen sie erst einmal unterkam. „Sie hat ihr ganzes Leben mit einem älteren Ehepaar verbracht und wäre jetzt fast im Tierheim gelandet“, sagt Brück. Ein echter Notfall also. „In so einem Fall öffne ich meine Tore ganz weit, aber ich unterstütze sonst keine Privatabgaben und verurteile es zutiefst, wenn Menschen einen alten Hund abschieben wollen, nur weil es ihnen zu anstrengend wird.“

Viele Tierheime kontaktieren Petra Brück, aber sie kann natürlich nicht allen Hunden helfen. „Es ist das Los, das alle Tierschützer haben – das lässt mich dann oft nachts nicht schlafen.“ Viele Stunden Schlaf hat sie aber eigentlich auch sonst nicht. Die meisten Hunde in ihrer Truppe sind wegen ihres hohen Alters inkontinent. „Nachts wird hier oft gewischt und geputzt und Körbchen werden saubergemacht“, sagt Brück. „Die Hunde freuen sich dann über ein frisches Bettchen.“ Und wenn sie mal durchschlafen will? „Dann muss ich in den Urlaub fahren“, sagt sie. Natürlich macht sie das fast nie.

 Nochmal Gras unter den Pfoten: Zwei Bewohner des Hundesseniorenheims „Rheinperle“ in Dormagen.

Nochmal Gras unter den Pfoten: Zwei Bewohner des Hundesseniorenheims „Rheinperle“ in Dormagen.

Foto: RPO/privat

Das Leben mit ihren Hunden ist oft leicht und schön, weil Petra Brück ihnen dabei zusehen darf, wie sie noch einmal aufblühen, das Gras unter ihren Pfoten spüren und sich geliebt fühlen dürfen. Manche Hunde kommen resigniert und zitternd bei ihr an. Doch sie muss auch immer wieder Abschied nehmen, so ist das in einem Hospiz. Und das ist der schmerzhafte Teil. „Dem Tod kann ich den Eintritt leider nicht verwehren“, sagt sie. „Er gehört dazu.“ Doch auch wenn sie immer wieder loslassen muss – gewöhnen kann man sich nicht daran, sagt sie. „Jedes Mal zerbricht mein Herz.“

Früher, als sie noch Strafverteidigerin war, ist ihr irgendwann klargeworden: „Am Ende geht es immer auch ums Geld und die Moral bleibt auf der Strecke, weil man vielleicht doch Mandate übernimmt, die man eigentlich nie übernehmen wollte. Ich wollte der Unterwelt nicht die Tür öffnen.“ Ihre Hunde geben ihr heute das Gefühl, zu erkennen, was wirklich zählt: Jeden Tag als Geschenk zu nehmen und hinzunehmen, was nicht zu ändern ist. 50 Hunde haben inzwischen schon ihre letzten Jahre bei Petra Brück verbracht. Sie hat sie alle begleitet bis zum Schluss. „Es ist die größte Wertschätzung, die man einem Tier entgegenbringen kann, es irgendwann zu erlösen und ihm dabei die Pfote zu halten“, sagt sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort