Zwischen Frust und Glück Das denken Anwohner in Essen über das Fahrverbot auf der A40

Essen · In der Essener Innenstadt sollen ab Juli 2019 Fahrverbote für ältere Diesel gelten, auch auf der A40. Im Stadtteil Frohnhausen gehen die Meinungen nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen weit auseinander.

 Die Autobahn 40 führt durch große Teile des Stadtgebiets von Essen (Archivfoto).

Die Autobahn 40 führt durch große Teile des Stadtgebiets von Essen (Archivfoto).

Foto: dpa/Ina Fassbender

Ali Cakir ist sauer. „Eine Katastrophe ist das“, schimpft der 44-jährige Kioskbesitzer, „den ganzen Freitag schon rede ich mit meinen Kunden über nichts anderes.“ Mit Katastrophe meint Cakir das Urteil der Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das am Donnerstag ein Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge in der gesamten Essener Innenstadt ab Juli 2019 angeordnet hat. Davon betroffen ist erstmals auch eine Autobahn: die A40, die direkt durch Essen führt, eine der wichtigsten Pendlerrouten in NRW. Cakirs Kiosk liegt direkt an der Ausfahrt Frohnhausen, steht man davor, kann man die Autobahn sehen und hören. Mehr als 100.000 Fahrzeuge fahren unter der Woche täglich hier vorbei, 2017 wurden im Jahresmittel 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter Luft gemessen. EU-weit erlaubt sind 40.

„Um die Gesundheit der Anwohner, Besucher und Verkehrsteilnehmer zu schützen“, seien Fahrverbote „unverzichtbar“, hatte das Gericht erklärt. Betroffen sind davon nicht nur Diesel-Fahrzeuge, sondern auch ältere Benziner – allein in Essen der Stadt zufolge fast 80.000 Fahrzeuge. Weitere Reaktionen auf die Entscheidung finden Sie hier.

 Ali Cakir (44) führt einen Kiosk direkt an der Abfahrt Frohnhausen.

Ali Cakir (44) führt einen Kiosk direkt an der Abfahrt Frohnhausen.

Foto: Marlen Keß

Ali Cakir fährt jeden Tag über die A40, von Zuhause im Essener Norden zum Kiosk, zum Einkaufen, zurück. Die Familie hat einen Diesel der Euro-4-Norm, auch Cakirs Frau und der Sohn arbeiten im Kiosk. Sollte das Fahrverbot tatsächlich durchgesetzt werden, weiß Cakir nicht, wie die Familie weitermachen soll: „Wir haben kein Geld für ein neues Auto. Das ist für mich kein Umweltschutz, sondern Geldmacherei der Autohersteller.“

Auch ein Lkw-Fahrer, der an diesem Freitagmorgen in Frohnhausen eine Lieferung Pkw auslädt, sieht das Urteil kritisch: „Für Lkw gibt es durch das Ruhrgebiet nur wenige Alternativrouten, erst recht nicht für die Anlieferung in Essen.“ Er hofft auf Ausnahmen für den Güterverkehr – oder auf eine ganz andere Lösung. Die wäre auch im Sinne der schwarz-gelben Landesregierung, die angekündigt hat, gegen das Urteil für Essen in Revision zu gehen.

Dragana Mandusic wohnt mit ihrer Familie ebenfalls in Sichtweite der Autobahn. „Wie viel Dreck hier immer an den Scheiben klebt und auch ins Haus kommt, ist ekelhaft“, sagt die 45-Jährige. „Ich finde die Fahrverbote gut.“ Die Familie hat sich gerade erst ein neues Dieselauto gekauft, ihr Mann, erzählt Mandusic, sitze im Rollstuhl und sei aufs Auto angewiesen. Auch Heinrich Müller (Name geändert) begrüßt die Fahrverbote grundsätzlich. Der 63-Jährige lebt in Frohnhausen und arbeitet als Taxifahrer. Persönlich findet er das Urteil gut. „Für den Beruf ist das schwierig, wer soll die Nachrüstung der Taxen bezahlen?“

Die Industrie- und Handelskammer Essen forderte deshalb bereits am Donnerstag, betroffene Unternehmen finanziell zu unterstützen, etwa bei der Umrüstung des Fuhrparks. Die hat Ulrich Overrath, Geschäftsführer eines Getränkemarkts, bereits hinter sich – und freut sich über die Fahrverbote. „Das ist das Beste, was passieren konnte“, sagt er, „und lange überfällig.“ Er habe bereits drei neue Diesel-Kastenwagen für die Auslieferung gekauft. „Dass andere einfach weiterfahren und die Luft verpesten, geht nicht.“ Die IHK geht noch einen Schritt weiter: Auch die Städte sollen unterstützt werden, zum Beispiel dabei, den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen und attraktiver zu gestalten. Das würde sich auch Dragana Mandusic wünschen, die jeden Tag mit dem Bus zur Arbeit fährt. „Den ÖPNV sollte man auf elektrische Busse umstellen“, sagt sie, „und er muss endlich günstiger werden. Dann würden viel mehr Leute den Bus statt das Auto nehmen.“

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