Region Die Theater sind bedroht

Region · In Krefeld-Mönchengladbach steht das Gemeinschaftstheater auf der Kippe, auch Oberhausen bangt um sein Schauspiel. Ursache für die Bühnen in Not sind nicht etwa schlechte Besucherzahlen, sondern die hohe Verschuldung der Städte. Sie können sich ihre Theater schlicht nicht mehr leisten.

 Demo gegen die Schließung des Theaters in Krefeld.

Demo gegen die Schließung des Theaters in Krefeld.

Foto: Thomas Lammertz

Eine gute, alte Ehe steckt in der Krise: Seit 58 Jahren unterhalten die Städte Krefeld und Mönchengladbach gemeinsam ein Theater. Doch jetzt müssen sie den Etat erhöhen, um die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst, die auch für Theaterangestellte gelten, bezahlen zu können. Krefeld hat einen genehmigten Haushalt, konnte die Erhöhung also zügig beschließen.

Auf Mönchengladbach dagegen lastet mehr als eine Milliarde Euro Schulden. Die Stadt hat einen Nothaushalt, muss sparen, wo sie kann. Manche Politiker finden: auch beim Theater — auch, wenn es das Aus für die Bühne bedeutet.

Gestern nun tagte der Rat in Mönchengladbach und lehnte den Nachtragshaushalt ab. Nun muss das Kuratorium des Fusionstheaters im Januar eine Lösung finden. Mönchengladbach will seinem Haus ein Darlehen gewähren. Doch ist unklar, ob Krefeld das mitträgt, ob in Mönchengladbach dann weniger Inszenierungen zu sehen sein werden oder ob die Ehe der Theater gar zerbricht.

Die Krise am Niederrhein ist nur jüngstes Beispiel für eine Misere, die in vielen verschuldeten Kommunen besteht: Theater gehören nicht zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben der Städte. Soziale Leistungen müssen sie erbringen, ihr kulturelles Angebot ist freiwillig. Das heißt, sobald gespart werden muss, geraten Kultureinrichtungen wie die Theater unter Druck.

Manchmal so massiv wie derzeit in Oberhausen. Keine Stadt in NRW steht finanziell so schlecht da wie die Kommune am Rande des Ruhrgebiets, die mit 1,5 Milliarden Euro verschuldet ist. Die Stadt hat damit mehr Schulden als Besitz und muss sich jede Investition bei der Bezirksregierung genehmigen lassen. Mehr noch: Aus Düsseldorf kommen auch Sparvorgaben — und gerade legt man Oberhausen nahe, die Bühne zu schließen.

Noch zeigt man sich davon in Oberhausen unbeeindruckt. Im Theater trifft man auf einen Intendanten, der tief in der Arbeit steckt. Im Januar steht für Peter Carp die nächste Premiere an — für die Krise kennt er nur eine Strategie: "Theater kann man nur durch gutes Theater retten." Erst im Sommer hat Carp sein Amt angetreten. Schon damals hieß es, die Stadt müsse 45 Millionen Euro sparen.

Carp stellte für sein Haus einen Plan auf, sagte zu, im ersten Jahr 750 000 Euro einzusparen, dann eine Million seines Acht-Millionen-Etats. Doch dann gab es neue Vorgaben von der Bezirksregierung: 150 Millionen, mehr als das Dreifache, soll Oberhausen nun einsparen. Viele in der Stadt empfinden das als Willkür — und sehen nicht mehr, an welchem Ende noch zu streichen wäre.

Trotzdem gibt sich ein paar Meter vom Theater entfernt auch der Kulturdezernent im Rathaus optimistisch. "Ich gehe davon aus, dass alle, die jetzt ins Theater Oberhausen gehen, auch mit ihren Enkeln noch dorthin gehen werden", sagt Apostolos Tsalastras. Er kann nicht glauben, dass die Landesregierung im Zweifel einen kulturellen Kahlschlag im Ruhrgebiet in Kauf nehmen wird, denn auch andere Städte wie Essen oder Duisburg stehen am Abgrund. "Dann haben wir bald nur noch Kultur in reichen Städten wie Düsseldorf und drumherum einen Gürtel toter Kommunen, in denen nur noch gewohnt wird." Für diesen Fall fürchtet der Kulturdezernent Verhältnisse wie in den Banlieues um Paris mit ähnlichen sozialen Problemen. "Das kann doch niemand ernsthaft wollen."

Spricht man mit den Beamten bei der Bezirksregierung, erzählen die zerknirscht, dass sie auch gern ins Theater gingen, die eigene Frau gar eine Schülertruppe leite, dass aber an Zahlen nichts zu ändern sei — vor allem nicht an Schuldensummen, die einen Kometenschwanz an Nullen hinter sich herziehen. In Städten mit Milliarden Miesen müsse eben alles auf den Prüfstand.

Die Städte dagegen verweisen darauf, dass ihre finanzielle Schieflage strukturelle Ursachen hat. Wo, wie in Mönchengladbach oder Oberhausen, Industrien weggebrochen sind und sich kaum neue Unternehmen ansiedeln, bleibt den Städten die teure Aufgabe, Leistungen für die wachsende Zahl von Menschen in sozialer Not zu übernehmen.

Doch auf der Einnahmenseite tut sich wenig. Und von Land oder Bund kommen statt Hilfe Sparvorgaben — und die treffen am Ende der Kette die Kultur. "Die Städte müssen endlich dagegen angehen, dass auf sie immer nur Aufgaben abgewälzt werden", sagt Jens Pesel, Chef des niederrheinischen Fusionstheaters, "soziale Leistungen gegen die Kultur aufzurechnen, ist einfach nur zynisch."

(RP)
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