Kreis Borken Die ältesten Schattenspender in NRW

Düsseldorf · Die wohl älteste deutsche Eiche steht im Kreis Borken - ihr Alter wird auf bis zu 1200 Jahre geschätzt. Doch der Bestand der alten Bäume nimmt seit Jahren ab. Eine App weist den Weg zu den Methusalems und soll helfen, sie zu bewahren.

Nordrhein-Westfalen ist ein Land voller Jungspunde - zumindest beim Blick in den Wald. "Unsere Wälder sind voll von Jugendlichen und jungen Erwachsenen - die Alten fehlen hingegen komplett. Wir haben kaum noch ausgewachsene Bäume", klagt Holger Sticht, NRW-Landesvorsitzender und Naturschutzexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Grund dafür ist die intensive Forstwirtschaft. "Unsere Bäume werden geerntet, bevor sie alt sind", erläutert Sticht. So wird eine Rotbuche in der Regel mit 120 Jahren gefällt - dabei kann sie bis zu 350 Jahre alt werden.

Doch gerade die alten Bäume sind für das Ökosystem extrem wichtig. Denn sie bieten vielen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Für Ausflügler sind sie an diesem heißen Pfingstwochenende ein gutes Ziel, sind sie doch mit ihren mächtigen Kronen großzügige Schattenspender. Um einen besseren Überblick über den Altbaumbestand in NRW zu bekommen, hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz den "AltbaumFinder" ins Leben gerufen. Per App (siehe Box) können Naturfreunde alte und bemerkenswerte Bäume in der Landesdatenbank registrieren. Nach Angaben des NRW-Umweltamts wurden bislang knapp 500 Uraltbäume registriert.

Wer sich durch diese Datenbank wühlt, der wird schnell merken, dass die wirklich alten Bäume in NRW beinahe ausschließlich in der Landschaft, auf alten Höfen oder auf Marktplätzen stehen. Die vermutlich älteste deutsche Eiche - ihr Alter wird auf bis zu 1200 Jahre geschätzt - steht in Raesfeld-Erle im Kreis Borken. Sie soll als Gerichtsbaum gedient haben. Nachweislich wurden im Jahr 1441 unter ihr bereits Gerichtsurteile gefällt. Zu diesem Zeitpunkt muss die Eiche kein Bäumchen mehr gewesen sein, sondern bereits ein Baumriese.

Auch in Xanten steht ein echter Methusalem-Baum: An der Polizeiwache können Passanten eine mehr als 1000 Jahre alte Eibe bewundern. Ein weiteres Naturdenkmal gibt es an der Laurentiuskirche in Mönchengladbach zu bestaunen: eine etwa 700 Jahre alte Winterlinde. Die dickste Eiche in Deutschland steht im Teutoburger Wald in Nordrhein-Westfalen in der Nähe des Dorfes Borlinghausen (Kreis Höxter) und hat einen Umfang von über 10,3 Metern - ihr Alter wird auf etwa 650 Jahre geschätzt.

Während solche historischen Bäume als Naturschutzdenkmäler gepflegt und geehrt wurden, haben alte Bäume in der Forstwirtschaft keinen Platz. Ihr Holz lässt sich nicht wirtschaftlich weiterverarbeiten. Doch das Fehlen von Uraltbäumen in den Wäldern hat zur Folge, dass zahlreiche Tier- und Pflanzenarten langsam aussterben. "Bis zu 2000 Arten können von einer alten Eiche abhängig sein", bestätigt BUND-Experte Sticht. Oftmals seien dies zudem bedrohte Arten - seltene Vögel wie Eulen, Fledermäuse oder Käfer- und Pilzarten. Manche dieser Arten, wie der stark bedrohte Eremit-Käfer, verbringen ihr ganzes Leben an einem einzigen alten Baum.

Vor allen Dingen die sogenannte Totholzbildung bei alten Bäumen spielt eine entscheidende Rolle für den Fortbestand bedrohter Arten. So entwickeln sich etwa die Larven des Hirschkäfers nur in Totholz, das unter der Erde liegt - etwa in Form von abgestorbenen Wurzeln. "In Düsseldorf gibt es noch eine kleine Population von Hirschkäfern im Grafenberger Wald", betont Peter Schütz vom NRW-Landesamt für Natur. Insgesamt gehe der Bestand jedoch stark zurück.

Der "AltbaumFinder" ist laut Experten ein gutes Instrument, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Denn es werde Jahrzehnte dauern, bis das Defizit an Uraltbäumen wieder geschlossen ist. "Wir müssen den Bäumen den Platz und die Zeit geben, alt zu werden", sagt BUND-Experte Sticht.

(RP)
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