Nur jeder Fünfte kann es Helfer fordern verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse für alle

Düsseldorf · Immer weniger Menschen beherrschen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Das Deutsche Rote Kreuz macht sich daher für eine verpflichtende Auffrischung der Kurse alle fünf bis zehn Jahre stark. SPD und Grüne unterstützen die Forderung.

 Eine der Puppen, die in den Kursen genutzt wird.

Eine der Puppen, die in den Kursen genutzt wird.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Nicht selten blickt Michael Görlich in gelangweilte Gesichter. Teilnahmslos sitzen manche in seinen Kursen, gucken weg oder heben nicht die Hand, wenn Görlich jemanden sucht, der in die Mitte kommen soll, um einen Notfall zu simulieren. „Manche sitzen hier nur ihre Zeit ab, um den Nachweis für ihren Betrieb oder den Führerschein zu bekommen“, sagt der 63-jährige Ausbildungsleiter der Malteser in Düsseldorf. „Freiwillige, die wissbegierig sind und wirklich nur kommen, um etwas zu lernen, sind leider ganz selten.“

Nach Angaben des Landesverbandes der Johanniter Unfall-Hilfe sind nur noch rund 30 Prozent der Menschen in Deutschland dazu fähig, bei einem Herzkreislauf-Stillstand die lebensrettende Herz-Lungen-Wiederbelebung durchzuführen. „Das ist leider sehr wenig“, sagt Tobias Eilers vom Landesverband. Den Maltesern zufolge sind es sogar noch viel weniger Menschen. „Jeder Fünfte ist dazu nur noch fähig. Das ist eine erschreckende Entwicklung“, sagt Görlich.

 Im Erste-Hilfe-Kursus des Deutschen Roten Kreuzes in Düsseldorf leitet Petra-Katharina Jäckel einen Teilnehmer bei der stabilen Seitenlage an.

Im Erste-Hilfe-Kursus des Deutschen Roten Kreuzes in Düsseldorf leitet Petra-Katharina Jäckel einen Teilnehmer bei der stabilen Seitenlage an.

Foto: Anne Orthen (ort)

Zum Vergleich: In den skandinavischen Ländern liegt die Quote bei rund 70 Prozent. „Das bedeutet, dass dort bei zwei Drittel aller Herzstillstände Ersthelfer sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen und damit die Überlebenschancen signifikant erhöhen“, sagt Eilers. In Deutschland hingegen sterbe jedes Jahr ein Dorf, weil viele Menschen keine Erste Hilfe in Form der Herz-Lungen-Wiederbelebung leisten könnten. Seinen Angaben zufolge verlieren deswegen rund 10.000 Menschen pro Jahr ihr Leben.

Die Rettungsverbände stellen auch immer häufiger fest, dass weniger Freiwillige die Ersthelfer-Kurse besuchen. Bei den Johannitern in NRW gehen Teilnehmerzahlen im Langzeittrend um etwa zehn Prozent zurück. Eine ähnliche Entwicklung beobachtet man auch bei den Maltesern. Und auch beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Düsseldorf würde man sich mehr Freiwillige wünschen. „Diese wenigen Stunden, die so ein Kursus dauert, sollte sich jeder Zeit nehmen“, sagt Petra-Katharina Jäckel, die beim DRK entsprechende Kurse leitet. Sie sagt, dass jeder im Notfall helfen könnte – auch wenn man die lebensrettenden Handgriffe nicht kennt. „Zumindest den Notruf kann jeder wählen“, sagt sie.

In vielen Kursen sitzen Teilnehmer, die bereits in Situationen gewesen sind, in der ein anderer Mensch gerettet werden musste; sie aber selbst nicht eingreifen konnten, weil sie es nicht konnten. „Sie bedauern das dann sehr“, sagt Eilers. Der Großteil kommt aber nach wie vor wegen des Führerscheins. Und danach in der Regel nie wieder. Denn eine spätere Auffrischung der Kenntnisse ist gesetzlich nicht vorgeschrieben – zum Unverständnis der Rettungsverbände.

„Als DRK würden wir es schon sehr begrüßen, wenn alle fünf oder zehn Jahre jeder eine Auffrischung der Ersten Hilfe machen müsste“, sagt DRK-Ausbildungsleiter Andreas Kickmann. Die SPD in NRW unterstützt die Forderung des DRK. „Ich kann mir für alle Führerscheininhaber einen Auffrischungskursus vorstellen, der alle zehn Jahre absolviert werden muss“, sagt Andreas Kossiski, Mitglied des Innenausschusses und Beauftragter der SPD-Fraktion für Feuerwehr und Rettungsdienste. „Wir brauchen dringend eine breit angelegte Kampagne der Verbände und Rettungsdienste mit Unterstützung der Landesregierung, um das wichtige Thema ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen.“

Die Grünen sehen das ähnlich. „Ich halte es für wichtig, dass möglichst viele Erwachsene Kurse zur Auffrischung ihrer Erste-Hilfe-Kenntnisse erhalten“, sagt Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. „Ein Großteil von uns wird nur einmal im Leben zu einem Erste-Hilfe-Kurs verpflichtet – für den Führerschein. Das Gelernte ist ohne Übung schnell vergessen“, sagt er. Das könne für Verletzte fatal sein, sei aber auch für hilflose Zeugen eine schlimme Erfahrung.

Die FDP ist gegen eine Verpflichtung. Die Erste Hilfe müsse aus Überzeugung und mit entsprechender Sicherheit geleistet werden, sagt Susanne Schneider; gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion. „Besser wäre es, Erste Hilfe aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit zu holen. Mehr Information kann Ängste abbauen“, sagt sie. „Und wer sich dann selbst dafür entscheidet, sein Wissen wieder aufzufrischen, wird in Notfällen auch eher Hilfe leisten“, meint sie.

Auch die CDU ist skeptisch. Angemessener seien Aufklärung sowie ansprechende und kurze Kursabläufe und Anreize, die Kurse regelmäßig zu besuchen, sagt CDU-Gesundheitsexperte Peter Preuß. Und auch die AfD ist gegen eine Kursus-Pflicht. „Zwang überwindet weder Angst noch Unsicherheit, das belegt nicht zuletzt die Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Vorgaben und der tatsächlichen Anzahl von Ersthelfern“, so ihr gesundheitspolitischer Sprecher Martin Vincentz.

(csh)
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