Düsseldorf Der politische Streit um den Kö-Bogen

Düsseldorf · Mehr als zehn Jahre sind seit der Präsentation des ersten Entwurfs für die Bebauung des Jan-Wellem-Platzes bis zur Eröffnung der Libeskind-Bauten vergangen. Dazwischen: Beschlüsse, Debatten, neue Pläne und ein Bürgerentscheid.

Über Jahrzehnte war der Jan-Wellem-Platz vor allem eines: ein gut funktionierender Verkehrsknotenpunkt. Doch zunehmend wurde der Mix aus Bahnen, Autos und grauem Asphalt als störend an dieser zentralen Stelle empfunden. Ein Schandfleck, der umgestaltet werden muss — zumindest darin waren sich in den vielen Debatten um die Neugestaltung des Platzes fast alle politischen Seiten einig. Nur über das Wie wurde seitdem gestritten.

Der Anfang Im Frühjahr 2003 präsentieren der damalige OB Joachim Erwin (CDU) und der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven auf der Immobilienmesse Mipim in Cannes ihre Vision für die Innenstadt: den Kö-Bogen. Der Name lehnt sich an den historischen Straßenverlauf an, bei dem die Königsallee an ihrem nördlichen Ende geschwungen in Richtung Osten bog. Dieser Verlauf soll entlang des Hofgartengewässers Landskrone wieder aufgenommen, der Jan-Wellem-Platz mit einem halbrunden Gebäudekomplex bebaut werden. Vorgesehen ist auch eine Grünfläche.

Ein Jahr später fordert Gudrun Hock (SPD), im damaligen OB-Wahlkampf Erwins Herausforderin, in einem städtebaulichen Wettbewerb weitere Architekten-Entwürfe einzuholen. Im Raum steht der Vorwurf der "Stadtplanung in Hinterzimmern", der in den folgenden Jahren von den Gegnern des Projekts immer wieder vorgebracht wird. Der Rat beschließt im März 2004 nicht den geforderten internationalen Architektenwettbewerb, sondern nur einen für die Fassade — zu "einem geeigneten Zeitpunkt".

Die Konkretisierung Später werden die Pläne geändert und die Umrisse der inzwischen bebauten Flächen festgelegt. Die Corpus Immobiliengruppe soll nach einem Investor suchen. Lange ist von dem Projekt nichts zu hören. Erst im Sommer 2006 nimmt die Planung wieder Fahrt auf. Was zu diesem Zeitpunkt kaum jemand weiß: Im Hintergrund hat das Bankhaus HSBC Trinkaus & Burkhardt Interesse signalisiert. Erwin und sein Planungsdezernent Gregor Bonin präsentieren einen Drei-Stufen-Plan: Im ersten Schritt soll der Autoverkehr der Hofgarten- und Elberfelder Straße unter die Erde gelegt werden, in einem zweiten der auf der Berliner Allee zwischen Immermann- und Schadowstraße. Zum Schluss soll die Hochstraße Tausendfüßler fallen. Die Tunnelrampen sind auf Höhe des Dreischeibenhauses vorgesehen. Finanziert werden sollte das alles durch den Verkauf neuer Baufelder. Die Fassaden der neuen Gebäude auf dem Jan-Wellem-Platz wünscht Erwin sich "Kö-gemäß historisierend" — und nicht mehr modern wie bei Ingenhovens Entwurf.

Der Fassadenwettbewerb "Welches Ei legt uns OB Erwin ins Nest?", heißt eine von der damaligen SPD-Chefin Karin Kortmann im März 2007 initiierte Kampagne für einen städtebaulichen Wettbewerb. Die schwarz-gelbe Ratsmehrheit kontert das mit dem Jahre zuvor beschlossenen Fassadenwettbewerb. Die Trinkaus-Bank geht als Bauherrin und Hauptmieterin des Vorhabens an die Öffentlichkeit, spricht sich auch für den Fassadenwettbewerb aus, möchte beim Volumen der 26 Meter hohen Gebäude aber keine Abstriche machen. SPD und Grüne kritisieren das Verfahren als "katastrophal" und Augenwischerei, weil der Wettbewerb die Bürger nur scheinbar beteilige und die Ausmaße der Bauten außen vor lasse.

In einem Infozelt präsentieren schließlich vier Architektenbüros Entwürfe für die Fassade. Die Bürger können dazu ihre Meinung in einem Wahlgang abgeben. Ein Entwurf der Architekten von HPP geht als Sieger hervor. Doch der Investor Trinkaus entscheidet sich für den des Düsseldorfer Büros RKW.

Der Bürgerentscheid Gleichzeitig wächst der Widerstand gegen das Projekt. Die Kritiker sammeln Unterschriften für ein Bürgerbegehren, ziehen sogar gegen die Stadt vor Gericht. Im April 2008 kommt es zum Bürgerentscheid. Die Initiative "Der Jan-Wellem-Platz gehört uns allen" wirbt dafür, gegen einen Verkauf des Grundstücks zu stimmen. Rund 63 000 der etwa 400 000 Stimmberechtigten folgen dem, 17 000 stimmen dagegen. Das Bürgerbegehren scheitert am vom Land vorgegebenen Quorum, damals 20 Prozent der Stimmberechtigten (heute: zehn Prozent). SPD und Grüne bleiben bei ihrer Ablehnung des Projekts.

Die Ausschreibung Immer wieder gibt es Debatten um den Grundstückspreis: Die Stadt will für die 9300 Quadratmeter 37 Millionen Euro — zu wenig, findet die Opposition. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorfs macht nach Auslegung der Stadt eine europaweite Ausschreibung des Großprojekts nötig. Trinkaus wäre somit nur einer von mehreren Bewerbern. Als Mindestverkaufspreis werden rund 46 Millionen Euro festgelegt. Im Mai 2008 beschließt der Rat die Ausschreibung. Fünf Investoren — jeweils im Team mit einem Architekten — bewerben sich darum, den Kö-Bogen zu bauen.

Darunter außer der Trinkaus-Bank, ein Frankfurter Investor mit dem Architekten Jürgen Mayer H. und "die developer", Neuling unter den Projektentwicklern, mit einem Entwurf von Daniel Libeskind. Es ist die Zeit der globalen Finanzkrise, Projekte dieser Größenordnung sind vielen zu riskant. Ein Bewerber nach dem anderen steigt aus. Nur "die developer" aus Düsseldorf bleiben — und erhalten Anfang 2009 den Zuschlag.

Das Finale Trotz der Finanzkrise sichert nach vielen Verhandlungen ein Banken-Konsortium das 300-Millionen-Euro-Projekt. Bereits wenige Monate später folgt im Beisein des Architekten Libeskind der erste Spatenstich auf dem Jan-Wellem-Platz. Die Kritiker, darunter Politiker von SPD, Grünen, der Linken und viele Mitglieder der Bürgerinitiative, protestieren lautstark, ebenso beim Richtfest im September 2012. Auch im Stadtrat reißen die Debatten während der Bauphase nicht ab. Vor allem, als Anfang 2013 der Abriss der denkmalgeschützten Hochstraße (Kö-Bogen 2) näher rückt. OB Dirk Elbers, CDU und FDP freuen sich über das "Jahrhundertprojekt", ziehen Parallelen zur Tieferlegung der Rheinuferstraße. Nach Ansicht von SPD und Grünen geht es nur um Prestige, neue Baufelder für Investoren — und zu viel Geld.

(RP)
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