Anwohner klagen über Güllegeruch Es stinkt zum Himmel

Rheinberg · Am Niederrhein klagen immer mehr Anwohner über Güllegestank. Sie kritisieren, dass die Landwirte viel zu viel Tiermist auf die Felder bringen. In Rheinberg gab es zuletzt einen Krisengipfel. Die Bauernschaft gelobt Besserung.

 Mit diesen Maschinen wird die Gülle auf die Felder gebracht. Sie dient als Dünger. Die Landwirte kaufen die günstige niederländische Gülle in großen Mengen.

Mit diesen Maschinen wird die Gülle auf die Felder gebracht. Sie dient als Dünger. Die Landwirte kaufen die günstige niederländische Gülle in großen Mengen.

Foto: Armin Fischer

Ursula Hausmann-Radau wollte gerade ihre Gartenmöbel aus dem Keller räumen. Sie freute sich auf einen schönen Samstagnachmittag auf ihrer Terrasse. Doch dann machte sich plötzlich ein unangenehmer Geruch im ganzen Haus breit. Aus dem Nachmittag im Freien, das wusste sie sofort, würde nichts werden. Stattdessen schloss sie sofort alle Türen und Fenster ihres Hauses — so wie sie es immer macht, wenn nebenan auf dem Feld Gülle ausgebracht wird. "Der Gestank ist unerträglich", sagt Hausmann-Radau, die für die Grünen im Rheinberger Stadtrat sitzt.

Sie und viele andere in der Nachbarschaft sehen durch den Gestank ihre Lebensqualität beeinträchtigt. Nicht, weil gedüngt wird, sondern weil das ihrer Meinung nach viel zu oft gemacht werde. "Die Gülle-Ausbringung — gerade an Wochenenden — hat deutlich zugenommen", betont Hausmann-Radau.

In vielen Regionen Nordrhein-Westfalens leiden Anwohner wie die Rheinbergerin unter zunehmendem Güllegestank. Besonders am Niederrhein und in den Kreisen Kleve und Wesel entlang der niederländischen Grenze liege zu viel Gülle auf den Feldern, meint ein Sprecher von NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Das Problem sei nicht der einheimische, sondern der massenhaft importierte Tiermist aus den Niederlanden. "Solange ein Hof nur die eigene Gülle verwendet, ist alles in Ordnung. Dann stimmt der Kreislauf", erklärt der Ministeriumssprecher. "Wird aber tonnenweise dazugekauft, ist das problematisch."

Die günstige Gülle aus den Niederlanden

Jedes Jahr landen 80 Prozent des holländischen Agrarabfalls auf den NRW-Äckern, weil im Nachbarstaat viel zu viel davon produziert wird und es dort gleichzeitig kaum Felder gibt, auf die die Gülle ausgebracht werden könnte. Anders als in Deutschland gibt es in den Niederlanden eine "Gülle-Polizei", die streng kontrolliert, dass nicht zu viel von der Jauche auf den heimischen Äckern landet.

Darum verkaufen sie den überschüssigen Mist nach NRW. Die deutschen Nachbarn sind dankbare Abnehmer. Denn der tierische Dünger aus den Niederlanden ist billig. Er ersetzt den teuren, ebenfalls mit Nitrat belasteten Kunstdünger. Die Tonne Mist aus Holland liegt bei drei bis vier Euro; der einheimische kostet teils mehr als das Doppelte.

Doch der Widerstand gegen den Zukauf wächst. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) findet, dass Gülle dort bleiben sollte, wo sie produziert werde. Denn zu viel davon, so ein Sprecher des Verbandes, belaste das Grundwasser. In den betroffenen Regionen seien die Grenzwerte etwa für Nitrat schon längst überschritten — ein Grund dafür sei die Holland-Gülle.

Der Nährstoffbericht 2014 legte offen, dass sich das Grundwasser in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten in NRW in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verschlechtert hat. Remmel sieht eine eindeutige Verbindung zwischen den Nitratbelastungen und einer zu intensiven Landwirtschaft. Deshalb wollte er den Gülle-Import unterbinden lassen, doch die EU ließ das nicht zu.

"Gülle-Gipfel" in Rheinberg

Wie erhitzt die Gemüter mittlerweile sind, zeigte sich vor wenigen Wochen in Rheinberg. Dort hatte der Ortsverein der Grünen wegen der Geruchsbelästigung betroffene Anwohner zu einem "Gülle-Gipfel" geladen. Als die Kreisbauernschaft Wesel von dem Termin erfuhr, mobilisierte sie so viele Landwirte wie möglich. Die Bauern fuhren spontan — einige auf Traktoren — zu dem Treffen.

Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, bei der zum Teil die "Fetzen flogen", wie ein Anwesender berichtete. Die Kreisbauernschaft Wesel geht nun auf die Anwohner zu. Ihr Vorsitzender Wilhelm Neu räumte ein, dass es nicht schön sei, wenn an Wochenenden in Wohngegenden gedüngt werde. "Das sollte möglichst nicht gemacht werden", sagte er und ergänzte: "Wir wollen natürlich auch die Nitratbelastung reduzieren."

Ursula Hausmann-Radau hofft, dass die Bauern auch wirklich Wort halten. "Ich will endlich ohne Güllegestank in meinem Garten sitzen können."

(RP)
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