Trainspotter in den Gleisen Schaulustige zwingen Dampflok zum Abbruch der Nostalgiefahrt
Mönchengladbach/Herzogenrath · Die von vielen lang ersehnte Fahrt mit der 01 1104 Dampflok nahm am Samstag ein frühzeitiges Ende. Sogenannte Trainspotter lauerten im Gleisbett immer wieder auf das perfekte Foto, die Fahrt musste abgebrochen werden. Auch die Bundespolizei war im Einsatz.

Trainspotter stoppen Nostalgiefahrt der Dampflok 01 1104
Es sollte eine Traumfahrt für Dampflok-Fans werden, doch sie endete schon nach wenigen Kilometern Dinge in Herzogenrath. Schuld waren sogenannte Trainspotter, Menschen, die außergewöhnliche Züge fotografieren und sich dafür zum Teil in lebensgefährliche Situationen begeben. So geschehen bei der Fahrt des Veranstalters Nostalgiezugreisen am Samstag.
Der Plan klang malerisch: Ein Zubringerzug sammelte Fahrgäste in Neuss, Düsseldorf und Krefeld ein. In Mönchengladbach fand dann der Wechsel zur frisch restaurierten Dampflok statt. Das erste Mal seit fast 50 Jahren auf dem Abstellgleis hätte sie wieder eine Fahrt absolvieren sollen. Von Mönchengladbach aus sollte es weitergehen zur Kohlscheider Rampe, wo eine Steigung von 14 Promille die Bewährungsprobe für die alte Lok gewesen wäre. Danach sollte es zur Langerwehe zum Wassernehmen gehen. Doch schon die Rampe erreichte der Zug nicht.
Denn immer wieder musste der Zug, zum Teil auf freier Strecke, stehen bleiben, weil sich Personen im Gleis befanden. In Herzogenrath bei Aachen, kurz vor Erreichen der Rampe, ging es dann aber nicht mehr weiter. Die rund 500 Fahrgäste warteten stundenlang auf die Freigabe der Strecke. Die sommerlichen Temperaturen im historischen und damit nicht klimatisierten Zug taten ihr Übriges. Immerhin konnten die zur Hälfte aufschiebbaren Fenster Abhilfe schaffen. Die gibt es in modernen Zügen nicht mehr. Trotz allem, die Stimmung verschlechterte sich bei einigen Fahrgästen nach fast drei Stunden Wartezeit in Herzogenrath.
Die Bundespolizei war wegen der Trainspotter fast fünf Stunden im Einsatz, wie ein Sprecher am Samstagabend bestätigte. In Aachen West habe es zunächst Hinweise auf Personen im Gleis gegeben. Nachdem der Bereich abgesucht und die beiden Personen aufgefunden wurden, gab es kurz danach dem Sprecher zufolge Hinweise auf weitere Personen im Gleis, dieses Mal im Bereich Herzogenrath. Auch dort wurden wieder zwei Personen in Gleisnähe aufgegriffen. Nach einer kurzen Öffnung der Bahnstrecke musste diese nur wenige Minuten später aber wieder aus demselben Grund gesperrt werden: Personen im Gleis. „Irgendwann war klar, dass sich dieses Problem nicht lösen lässt“, so der Sprecher, „selbst in die Strommasten sollen Menschen geklettert sein, um ein gutes Foto zu schießen.“ Daher folgte die Entscheidung zum Abbruch der Fahrt. Auch auf der Rückfahrt wurde der historische Zug von den Beamten begleitet. Insgesamt gab es durch die Zwischenfälle rund 600 Minuten Verspätung im Bahnbetrieb. Die im Gleis aufgegriffenen Personen müssen laut Sprecher mindestens mit einer Geldstrafe rechnen. „Das wird auf jeden Fall teuer“; sagte er.
Der Veranstalter Nostalgiezugreisen stimmte der Polizei beim Abbruch der Fahrt zu. Matthias Schmidt von Nostalgiezugreisen sagte, dass sei eine Entscheidung, die niemandem leicht falle. „Für uns ist es natürlich eine wirtschaftliche Frage, aber eben auch eine gesundheitliche“, sagte er. „Bei diesen Temperaturen stundenlang in einem in der Sonne stehenden Zug zu sitzen, das ist belastend. Da müssen wir uns auch überlegen, wie lange wir noch genug Wasser für die Fahrgäste haben.“ Dass es einige wenige waren, die die Fahrt am Ende zum Abbruch brachten, ärgert ihn. „Das ist das egoistische Verhalten einiger uneinsichtiger Leute. Das verärgert natürlich“, sagt er.
Auch für Yvonne und Valentin Wiesner endete die Fahrt anders als geplant. Das Gespann aus Mutter und Sohn hatte sich sehr auf die Fahrt gefreut. Valentin sei seit seinem ersten Lebensjahr großer Bahn-Fan, sagte seine Mutter. „Stundenlang stand ich teilweise mit ihm im Kinderwagen am Bahnhof, damit er dem Schaffner winken konnte“, sagte Yvonne. Valentins Ur-Opa sei Rangiermeister bei der Reichsbahn gewesen, ihm liege es also im Blut. Dass die Fahrt am Nachmittag abgebrochen werden musste, ärgert sie. „Aber nicht nur für uns. Der gesamte reguläre Fahrplan wurde dadurch ja auch in Mitleidenschaft gezogen, auch die Mitarbeiter und Fahrgäste leiden ja darunter.“ Eine andere Eisenbahn-Enthusiastin schloss an: „Und das von Menschen, die behaupten, die Loks so sehr zu lieben...“
Die Dampflok 01 1104 entstammt einer Reihe von sogenannten Stromlinienschnellzugdampfloks des Herstellers Berliner Maschinenbau AG, die ursprünglich für die Deutsche Reichsbahn gebaut wurden. 1940 wurde sie in Dienst gestellt, sie ist die letztgebaute Lok unter den noch erhaltenen Schnellzugdampfloks der Baureihe. Nur diese Baureihe war in der Lage, schwere Schnellzüge mit bis zu 140 Kilometer pro Stunde zu bewegen. Ab 1954 wurde die 01 1104 modernisiert, im und auch nach dem Krieg wurden die alten Loks wieder eingesetzt, es fehlte an moderneren Geräten. 1957 erhielt die Lok eine neue Feuerung, damit lief sie nun mit Öl statt mit Kohle. Nach 34 Betriebsjahren endete dann aber auch für die 01 1104 im Spätsommer 1974 die aktive Karriere. Ihre Laufleistung betrug bis dahin insgesamt gut vier Millionen Kilometer.
Doch auch wenn die Lok seit den 1970ern nicht mehr regulär fuhr, sie sollte ein zweites Leben bekommen. Ein englischer Arzt und Eisenbahnenthusiast, Doctor Peter Beet, stieß auf die Lok und nahm sie begeistert mit in seine Heimat. Im Eisenbahnmuseum „Steamtown Carnforth“ in Nordengland erhielt sie so erneut die Möglichkeit, bewundert zu werden. Es sollte bis 1996, also über 20 Jahre lang dauern, bis die Lok wieder die Schiene berührte. Per Schiff ging es nach Rotterdam, die Weiterfahrt nach Süddeutschland bewältigte die 01 1104 sozusagen auf eigenen Beinen. Nach weiteren Jahren im Museum, dieses Mal im Bayrischen Eisenbahnmuseum, später im Süddeutschen Eisenbahnmuseum, begannen die Gründer des Projektes „Faszination Dampf“ 2009 mit der Arbeit für die Wiederinbetriebnahme der Lokomotive. Bis sie, wieder 14 Jahre später, am 10. Juni 2023, wieder unterwegs war. Bis die Trainspotter kamen.