NRW-Verfassungschutz warnt vor KI-Angriffen „Erhöhtes Risiko durch staatlich geduldete russische Hackergruppierungen“
Düsseldorf · Auf einer internen Veranstaltung im NRW-Innenministerium wurden rund 100 Vertretern aus der Wirtschaft die Gefahren für ihre Unternehmen durch Künstliche Intelligenz aufgezeigt. Was die NRW-Polizei dem entgegensetzen will.
In Nordrhein-Westfalen finden fast täglich Cyberattacken auf Unternehmen, Institutionen und Behörden statt. „Mit der fortschreitenden Entwicklung von Künstlicher Intelligenz werden die Bedrohungen immer gefährlicher, weil ausgefeilter“, sagte Jürgen Kayser, Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, auf einer internen Veranstaltung zum Wirtschaftsschutz vor Unternehmensvertretern im NRW-Innenministerium. „Denkbar sind gefälschte Video- und Telefonanrufe, bei denen die Angreifenden live die Rolle einer vermeintlich bekannten Person einnehmen. Die Angriffsmethode des sogenannten Social Engineering wird damit auf ein neues Niveau gehoben“, betonte Kayser.
Die rund 100 Vertreter aus verschiedenen Bereichen der NRW-Wirtschaft, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchten, waren auf Einladung des Innenministeriums gekommen, um sich über die aktuellen Gefahren und Schutzvorrichtungen für ihre Unternehmen zu informieren und auszutauschen. „Spionageabwehr und Schutz vor Cyberattacken sind zentrale Themen unserer Zeit. Daher sind die Informationen, die wir im Innenministerium erhalten haben, sehr wichtig für uns“, hieß es aus Teilnehmerkreisen. „Es ist gut, dass es so einen Austausch gibt.“
Die Gefahr durch Spionage und Sabotage in Deutschland sei Kayser zufolge vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage noch weitergewachsen. Die hiesige Wirtschaft stehe im Fokus fremder Staaten, weil die Beschäftigten hierzulande über ein großes Wissen verfügten und viele Unternehmen zur kritischen Infrastruktur zählten. „Als Reaktion auf Sanktionen und die Entscheidung der Bundesregierung, konsequent weiter Waffen in die Ukraine zu liefern und fest an der Seite der israelischen Partner zu stehen, besteht ein erhöhtes Risiko von Cyberangriffen gegen deutsche Behörden und Unternehmen, insbesondere durch staatliche oder staatlich geduldete russische Hackergruppierungen“, so der Chef des NRW-Verfassungsschutzes.
Mittlerweile erfolgten die meisten Cyberangriffe nicht mehr aus China, sondern aus Russland. „Daneben sehen wir insbesondere auch noch Angriffe aus dem Iran und Nordkorea, aber deutlich geringer ausgeprägt“, so Kayser. „Wir sollten uns noch besser rüsten, um der verstärkten Bedrohungslage etwas entgegensetzen zu können“, betonte er.
Wie real die Gefahr ist, hat erst wieder ein groß angelegter Hackerangriff auf mehr als 70 Städte, Gemeinden und Kreise in NRW vor wenigen Tagen gezeigt. Dienstleistungen wie die Ausstellungen von Führerscheinen und Geburtsurkunden waren tagelang nicht mehr möglich; Bürgerbüros mussten komplett geschlossen werden. Dem Dienstleister Südwestfalen-IT war nichts anderes übrig geblieben, als sämtliche Systeme sofort abzuschalten. Es war einer der weitreichendsten Hackerangriffe in Deutschland bislang.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) berichtet, dass durchschnittlich pro Monat zwei Kommunen oder kommunale Unternehmen von solchen Hackerangriffen betroffen sind. Innerhalb von zwölf Monaten seien bis Mitte dieses Jahres bundesweit Kommunen mit fast sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern betroffen gewesen.
Nicht nur die kriminellen Hacker nutzen Künstliche Intelligenz, sondern auch die NRW-Sicherheitsbehörden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, dass Künstliche Intelligenz für die NRW-Polizei eine Schlüsseltechnologie sei. „Das nordrhein-westfälische LKA testet momentan eine Software, die nach einem Cyberangriff die Unternehmenssysteme automatisiert auf Schadsoftware untersucht und den Angriff auf einer Skala einordnet“, sagte Reul. Dieses Tool könne einfach an das betroffene Unternehmen übergeben und noch während des laufenden Angriffs gestartet werden. „Dabei merkt sich das Tool die Angriffsmuster und lernt so kontinuierlich dazu“, sagte Reul.
Cyberangriffe hätten sich zu einer der größten Bedrohungen für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt, warnt der Digitalverband Bitkom. In den vergangenen zwölf Monaten seien allein deutschen Unternehmen 206 Milliarden Euro Schaden durch Spionage, Sabotage und Datendiebstahl entstanden, davon 148 Milliarden Euro durch Cyberangriffe.