Trügerisches Sicherheitsgefühl Der Einmalhandschuh als Keimschleuder
Düsseldorf · Immer häufiger nutzen Menschen in der Öffentlichkeit Einmalhandschuhe, um sich vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Nun warnen Ärzte. Einmalhandschuhe seien für diese Nutzung ungeeignet und könnten das Gegenteil bewirken.
Im Supermarkt, beim Bäcker, selbst beim Spazieren: Viele Menschen greifen aktuell auf die Nutzung von Einmalhandschuhen zurück, um sich und andere vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. In den Drogerieregalen sind sie seit Wochen ausverkauft – oder zumindest nur schwer zu ergattern. Doch nun warnen Ärzte vor der falschen Nutzung von Einmalhandschuhen in der Öffentlichkeit. Was steckt hinter dieser Warnung?
„Der Handschuh verleiht ein Gefühl von Sicherheit, vor dem die empfohlenen Hygieneregeln, insbesondere die Händehygiene (häufiges Händewaschen, nicht mit den Händen ins Gesicht fassen, in die Armbeuge oder Taschentuch niesen) weniger beachtet werden. Häufig ist zu beobachten, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit z.B. beim Einkaufen Handschuhe tragen, sich mit der behandschuhten Hand häufig auch ins Gesicht fassen“, teilte Susanne Kolbe-Busch, leitende Krankenhaushygienikerin des Universitätsklinikum Düsseldorf, mit.
Im Krankenhausalltag würden diese Handschuhe genutzt, wenn das medizinische Personal „mit Atemwegssekreten, Blut oder anderen Körperflüssigkeiten“ in direkte Berührung kommen würden. „In der Bevölkerung ist bei sozialen Kontakten nicht damit zu rechnen, dass eine Erregerlast vergleichbar mit medizinischer Versorgung auftritt“, erklärt Kolbe-Busch weiter. Und selbst nach dieser Nutzung sei eine grundliche Säuberung und Desinfektion der Hände unabdingbar. „Es besteht das Risiko, dass Handschuhe unerkannte Perforationen aufweisen können oder dass eine Übertragung von Erregern auf die Hände beim Ausziehen der Handschuhe vorkommt.“
Auf Twitter äußert sich Allgemeinmediziner Marc Hanefeld und appelliert: „Hört auf, medizinische Handschuhe in der Öffentlichkeit zu tragen. Das ist eine hygienische Sauerei großen Ausmaßes.“ Ein Grund sei das poröse Material der Einmalhandschuhe, die dadurch schnell löchrig und durchlässig werden: „Unter dem Handschuh vermehren sich Bakterien mit Freude in der feucht-warmen Kammer. Spätestens nach dem Ausziehen hat man ohne Desinfektion eine Kloake an den Händen. Herzlichen Glückwunsch“, fährt Hanefeld fort.
Auch der österreichische Mediziner Ojan Assadian, der als Facharzt und Professor u.a für Hygiene und Infektiologie das Institut für Infektionsprävention an der University of Huddersfield in Großbritannien geleitet hat, warnt seit Jahren vor dem falschen Gebrauch von Einmalhandschuhen. „Medizinisch ungeschulten Menschen würde ich das Tragen von Einmalhandschuhen im Alltag gar nicht erst empfehlen. Es erfordert ein gewisses Know-how und Übung, sich Einmalhandschuhe so auszuziehen, dass die etwaig darauf haftenden Mikroorganismen auch darauf verbleiben und der Handschuhträger sie sich nicht beim Ausziehen auf die Hände, das Handgelenk oder die Ärmel seiner Oberbekleidung schmiert“, erklärt er im Interview mit dem Onlineportal pflegen-online.de.
Wer sich und seine Mitmenschen aktuell vor dem Coronavirus schützen will, der verzichtet auf das Tragen von Einmalhandschuhen und befolgt die ausgegebenen Schutz- und Hygienemaßnahmen: „Abstand halten, zu Hause bleiben, in die Armbeuge husten, Hände waschen“, zählt Assadian auf. .
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