Homer Simpson war gar nicht da Falsche Gästenamen auf Restaurant-Listen können teuer werden

Düsseldorf/Mönchengladbach/Krefeld · Vielerorts machen sich Restaurantgäste einen Spaß daraus, Fantasie-Namen wie Homer Simpson in die Besucherlisten einzutragen. Damit riskieren sie hohe Bußgelder – und bringen Wirte in Schwierigkeiten.

 Eine Frau füllt den Erfassungsbogen in einem Restaurant aus. Gastwirte vertrauen auf korrekte Angaben ihrer Kunden.

Eine Frau füllt den Erfassungsbogen in einem Restaurant aus. Gastwirte vertrauen auf korrekte Angaben ihrer Kunden.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Mit den Regeln in Restaurants nehmen es viele Gäste und auch manche Wirte offenbar nicht so genau. Immer mehr Städte melden Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung – neben Düsseldorf nun auch Dortmund: Dort ist die Polizei am Wochenende auf eine Gaststätte gestoßen, in der keinerlei Schutzmaßnahmen beachtet wurden. 70 Gäste erhielten einen Platzverweis, der Gastwirt eine Anzeige.

Ein großes Problem neben fehlendem Mundschutz und mangelndem Abstand sind falsch oder lückenhaft ausgefüllte Listen mit Kontaktdaten der Besucher. Diese sollen Infektionsketten bei einem Corona-Ausbruch nachvollziehbar machen.

Offenbar erlauben sich manche Gäste einen Scherz, indem sie Fake-Namen eintragen – so wie in Mönchengladbach geschehen: Dort ist der kommunale Ordnungs- und Servicedienst bei der Kontrolle einer Gaststätte auf den Eintrag „Homer Simpson“ gestoßen. Dem Wirt ist das zu spät aufgefallen: Bei der Kontrolle des Ordnungsdienstes war der Gast nach Auskunft von Rathaus-Sprecher Wolfgang Speen nicht mehr da.

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Mit der Registrierungspflicht sind längst nicht alle Restaurantbesucher einverstanden: Die Mönchengladbacher Rechtsanwältin Doris Overlack-Kosel weiß aus ihrem Juristenkreis von mehreren Klagen von Privatleuten gegen die Registrierungspflicht zu berichten. Damit seien momentan einige ihrer Kollegen beschäftigt. Overlack-Kosel selbst hätte so ein Mandat nicht angenommen: „Ich vergleiche das mit WhatsApp. Wer WhatsApp nutzt, gibt so viele Daten von sich preis, da sollte die Registrierung im Restaurant kein Problem sein. Das findet ja im Rahmen der Gesundheitsvorsorge statt. Wer dagegen klagt, muss sich auch über die Konsequenzen bewusst sein.“

Branche und Behörden appellieren an Vernunft der Gäste

Wie in Mönchengladbach kontrolliert auch der kommunale Ordnungsdienst in Krefeld täglich Gaststätten, ob sie sich an die Regeln der Corona-Schutzverordnung halten. Bisher hat die Stadt Krefeld 42 Betriebe überprüft – Fake-Namen sind dabei nicht aufgetaucht. „Gastwirte müssen darauf achten, dass die Kontaktangaben ihrer Kunden plausibel sind“, sagt Ordnungsdienst-Chef Christian Horn. Bei der Datenerfassung könne man nur an die Vernunft der Gäste appellieren; Wirte müssten auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen können und dürften offensichtlich falsch gemachte Angaben – Beispiel „Homer Simpson“ – nicht akzeptieren.

Auf das Verantwortungsbewusstsein von Restaurantbesuchern setzt auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband NRW. „Wir haben ja alle, also Gastronomen, Beschäftigte und Gäste, ein Ziel. Wir wollen, dass Gastronomie auch in Corona-Zeiten funktioniert“, sagt Sprecher Thorsten Hellwig. „Deshalb müssen wir uns an die bestehenden Regeln halten. Dieser Verantwortung müssen wir gemeinsam nachkommen, damit die Gastronomie in Corona-Zeiten geöffnet bleiben kann.“

Merkt ein Gastwirt, dass ein Besucher einen falschen Namen einträgt oder weigert sich der Gast, könne der Wirt ihn des Hauses verweisen. Der Austausch darüber, warum es die Registrierungspflicht gibt, helfe jedoch zu verstehen, dass sie im Falle eines Corona-Ausbruchs von großem Nutzen sein kann.

Die Rechtsauffassungen sind unterschiedlich

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Peter Ambos sieht Wirte momentan in einer „kniffligen Situation“. Sie müssen Kontaktdaten ihrer Kunden ermitteln – und damit eine Einwilligung zur Datenerhebung einholen. Und: Laut Ambos müssen sie sicherstellen, dass die Angaben ihrer Gäste korrekt sind. Thorsten Hellwig vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband ist anderer Meinung: Die Wirte stünden nicht in der Verantwortung für korrekte Angaben ihrer Gäste.

De facto lassen sich die Angaben praktisch kaum überprüfen. Denn Restaurantgäste sind nicht dazu verpflichtet, sich gegenüber dem Personal in Gaststätten auszuweisen. Um keinen Streit zu riskieren, nähmen viele Wirte eher das Risiko falscher Angaben in Kauf, sagt Ambos. Seines Erachtens müssten Wirte – sofern die Liste gebraucht wird und herauskommt, dass sie falsche Angaben enthält – mit Bußgeldern rechnen, im Wiederholungsfall gar mit bis zu 25.000 Euro. Gleichwohl müssten auch Gäste, die falsche Angaben gemacht haben und erwischt werden, mit Bußgeldern rechnen. Anwalt Peter Ambos bezieht sich auf eine Generalklausel in der Corona-Schutzverordnung des Landes, in der so etwas als „allgemeiner Verstoß“ geregelt sei.

Dazu gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen. Nach Auskunft der Stadt Mönchengladbach sei eine falsche Namensangabe gegenüber dem Gastwirt nicht ordnungswidrig. Ordnungswidrig handele nur, wer gegenüber den Behörden keine oder falsche Angaben mache. Auch in Städten wie Düsseldorf und Krefeld herrscht Unklarheit – dort aber in der Frage, ob solche Vergehen nach normalem Ordnungsrecht oder nach der Corona-Schutzverordnung zu bestrafen sind. Letztere sieht deutlich höhere Bußgelder vor. Für Klärung sollen die Landesbehörden sorgen.

Registrierungspflicht ist aus Sicht der Wirte ein Zeitfresser

Die zusätzliche Bürokratie macht den meisten Gastronomen zu schaffen. „Die Registrierungspflicht ist ein Zeitfresser“, sagt Christoph Wehner, Geschäftsführer des Lokals „Hase und Igel“ in Düsseldorf. Trotzdem haben er und die meisten seiner Gäste Verständnis – wenn manche auch mehrmals in der Woche bei ihren Besuchen Name, Anschrift, Telefonnummer, Tischnummer und Uhrzeit eintragen müssen. „Es lässt sich ja nicht ändern“, sagt Wehner. Ob seine Gäste wahrheitsgemäße Angaben machen, kann er nicht kontrollieren. „Dazu bin ich nicht berechtigt. Ich vertraue meinen Gästen“, sagt er.

Ähnlich sieht das Gastronom Masoud Fudazi vom Lokal „Massi“ in Düsseldorf. Er sagt: „Würde ich meine Gäste nach dem Ausweis fragen, wären einige sicher verärgert. Außerdem ist das nur wieder zusätzlicher Kontakt.“ Auch er vertraut seinen Kunden, dass sie wahrheitsgemäße Angaben machen.

 Um die Dokumentation zu beschleunigen, steigen immer mehr Restaurants von einfachen Tabellen auf Papier um auf digitale Systeme. So bietet beispielsweise das IT-Unternehmen Cocus eine QR-Code-Lösung an. „Restaurantgäste nehmen am Tisch Platz und scannen dort einen Code mit ihrem Smartphone“, erklärt Projekt-Koordinator Simon Probst: Dann öffne sich ein Programm, in dem der Gast all seine Angaben machen könne, ohne die anderer Gäste sehen zu können. „Die Daten werden verschlüsselt, einsehen kann sie nur der Wirt. Der kann sie auch ausdrucken, wenn die Behörden sie anfordern.“ Das Unternehmen habe bereits einige Anfragen von Restaurants und Dienstleistern erhalten, jetzt soll das System vertrieben und laufend erweitert werden. Sicherheit, dass alle Daten korrekt sind, gibt jedoch auch dieses System nicht.

Die Daten der Gäste sind zweckgebunden

Die Sorge, dass bei der Angabe von Personendaten im Restaurant Datenschutz-Grundsätze nicht erfüllt werden, nimmt Rechtsanwalt Peter Ambos: Nach Einwilligung der Gäste zum zweckgebundenen Speichern der Daten – in dem Fall zur Nachverfolgung von Infektionsketten – sei eine Registrierung unproblematisch. Selbst, wenn keine Einwilligung erfolge, sei die Erfassung zu rechtfertigen, etwa mit der rechtlichen Verpflichtung, die dazu bestehe.

Eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat liegt aus Sicht Ambos’ beispielsweise dann vor, wenn die Liste mit Gästedaten abfotografiert und weitergegeben wird. Wollen Restaurants die Daten ihrer Gäste nutzen, um ihnen Werbung zuzuschicken, benötigen sie auch dazu eine Einwilligung.

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