Schutzmasken und ganz viel Abstand So läuft der Neustart an den Schulen in NRW

Düsseldorf · Sechs Wochen waren die Schulen in NRW geschlossen, am Donnerstag kehrten viele Lehrer und Schüler nun in die Klassenzimmer zurück. Um die Corona-Hygienestandards an den Schulen zu gewährleisten, beweisen viele Schulleiter und Lehrer Phantasie.

Erste Schulen in NRW sind nach Corona-Lockdown wieder geöffnet
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Erste Schulen in NRW sind wieder geöffnet

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Foto: Christoph Reichwein (crei)

Turnmatten und Sportgeräte statt Stühle und Tische – im Landfermann-Gymnasium in Duisburg unterrichten die Lehrer ihre Schüler in der Turnhalle. Weil die Schüler den Wunsch geäußert hatten, die Kurse möglichst nicht aufzuspalten, finden die jeweils 90-minütigen Vorbereitungskurse für das Kostenpflichtiger Inhalt Abitur in den drei größten Räumen der Schule statt: in der Aula und den beiden Sporthallen. Dort ist genug Platz und keiner muss sich zu nahe kommen.

Im Gymnasium an der Gartenstraße in Mönchengladbach findet der Unterricht in der Aula und in zwei Musiksälen statt. 99 Schüler sind verteilt auf die drei Räume und werden in drei Zeitintervallen unterrichtet. Schüler und Lehrer sind am ersten Schultag entspannt, in der Schule wurden separate Ein-und Ausgänge festgelegt und entsprechende Einbahnstraßen. Insgesamt haben nur elf Schüler abgesagt, wie Schulleiter Michael Meyer sagte. Bei allen habe entweder eine Vorerkrankung bei den Schülern selbst oder bei nahen Verwandten vorgelegen. Zum Beginn des Unterrichts herrscht eine gewisse Wiedersehensstimmung. Es werden Witzchen gemacht, die Männer ziehen sich ein bisschen auf. Aber eben alles auf Abstand. Malte Eschenbruch (18) sagt, dass eigentlich alles wie immer sei. Die Vorbereitung in seinem Leistungskurs Erdkunde, die am Donnerstag ansteht, sei zwar nicht so wichtig, aber Mathe am Freitag dann schon. Schulleiter Meyer betont: Nur mit dem Abiturjahrgang seien die Maßnahmen kein Problem, aber mit der kompletten Schülerschaft würde das System so nicht funktionieren.

Die Beschilderung am Mönchengladbacher Berufskolleg „Platz der Republik“ ist eindeutig. „Hier nur Ausgang“ steht in großen Buchstaben an der Tür. Nur von der Seite des Schulhofs geht es ins Gebäude. Dort weisen große Schilder den Weg. „Wir haben zum Glück einen guten Gestaltungsbereich. Ohne den wäre das hier nicht möglich gewesen“, sagt Schulleiterin Birgit Battenstein.

In Düsseldorf demonstrierten am Donnerstagmorgen Schüler vor der Staatskanzlei gegen die Schulöffnungen in der Corona-Pandemie. Mit Schildern und Plakaten zeigten sie ihren Unmut über die Entscheidung der Landesregierung, Schulen zu öffnen und Abschlussprüfungen stattfinden zu lassen. Nach Angaben des Aktionsbündnisses Schulboykott NRW fand der Protest unter hohen Hygieneauflagen und mit begrenzter Teilnehmeranzahl statt.

Da das Schulgebäude zurzeit saniert wird, ist das Düsseldorfer Friedrich-Rückert-Gymnasium im Herbst in eine Containeranlage umgezogen, welche die Schule durch ein begrenztes Raumangebot nun vor besondere Herausforderungen stellt. Um möglichst viele Kontakte zu vermeiden, wurden die Wege durch die Anlage als Einbahnstraße angelegt. Große Schilder und auf den Schulhof aufgemalte Zeichen weisen den Weg. „Solange wir nur die Abiturienten im Schichtbetrieb im Haus haben, funktioniert alles sehr gut. Im Moment geht alles sehr geordnet und ruhig von statten. Für mehr Schüler wären aber die Sanitäranlagen und die Gänge zu eng“, sagt Schulleiterin Dorothee Pietzko.

In Geldern blieb man in den Klassenzimmern. Etwa 50 der insgesamt 77 Abiturienten fanden sich am Morgen im Friedrich-Spee-Gymnasium ein, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten. In den Klassenräumen saßen sie auf Abstand, und auch während der 15-minütigen Pause zwischen den beiden Doppelstunden-Blocks ließen sie bis zu zwei Meter Raum zwischen sich. Mundschutzmasken hatten die wenigsten dabei. Als ein „schönes Wiedersehen“ empfindet Lehrerin Carolin van Bebber den Neustart. Bei den Schülern herrscht vorwiegend Erleichterung. Die Schule „schmerzhaft vermisst“ hat Elisabeth Skadow. Die 18-Jährige hat ein wenig Angst, dass sie sich vor dem Abitur noch eine Infektion einfängt, ist aber optimistisch, dass die Vorbereitung etwas bringt.

Vor dem Quirinus-Gymnasium in Neuss ist nur an den Fahrrädern vor dem Haupteingang zu erkennen, dass sich Menschen im Gebäude befinden. Schulleiter Ulrich Dauben, das halbe Gesicht mit Mund-Nasen-Schutz verhüllt, steht auf dem schattigen Vorplatz und wirkt entspannt. „Die Schüler verhalten sich vorbildlich, die meisten haben sogar einen eigenen Mundschutz mitgebracht“, sagt er. Obwohl der Gang zur Schule für angehende Abiturienten freiwillig ist, hätten rund 90 Prozent der Schüler im Vorfeld ihr Erscheinen angekündigt. Doch von „normalem“ Unterricht kann keine Rede sein. Zum einen erscheinen die Schüler blockweise, außerdem wurden Kurse aufgeteilt, richtungsweisende Pfeile im Gebäude auf den Boden geklebt und Desinfektionsspender aufgestellt. Auch die angehende Abiturientin Laura Schnorberger (18) nahm am Donnerstag die Möglichkeit wahr, zur Schule zu kommen. Als erstes stand der Englisch-Leistungskurs auf dem Programm. „Die Tische, an die wir uns nicht setzen durften, waren abgeklebt“, sagt die Q2-Schülerin. Die Stimmung in dem rund zehnköpfigen Kurs sei jedoch „den Umständen entsprechend gut“ gewesen, wie auch Anton Busch (17) bestätigt. Er betont jedoch, dass er es aufgrund der Corona-Pandemie besser gefunden hätte, wenn man die Abschlussprüfungen abgesagt und die Noten aus den vorherigen Klausurleistungen berechnet hätte.

In Wesel werden am Andreas-Vesalius-Gymnasium am Konrad-Duden-Gymnasium jeweils rund 50 bis 60 Abiturienten in Kleingruppen unterrichtet. Kaum jemand trägt Mundschutz. Und wenn, dann wurde er im Unterricht abgenommen. Alle - Lehrer wie Schüler - waren froh, dass es endlich wieder losgeht. Damit auch auf den Toiletten der Abstand eingehalten werden kann, wurden die Urinale abgesperrt.

Auch der Start an der Kempener Gesamtschule verlief reibungslos. 164 Zehntklässler zeigten sich so diszipliniert, dass der Schulleiter sie per Durchsage lobte. Das Schuljahr, in dem der erste Jahrgang die Klasse 10 beendet, hätte man sich allerdings ganz anders vorgestellt.

Am Leibniz-Gymnasium in Dormagen haben alle noch einen Tag mehr Zeit für die Vorbereitung. Schulleiter Herbert Kremer sagte: „Ich hatte Anfang der Woche nicht das Gefühl, dass wir innerhalb von drei Tagen die Schule entsprechend den Vorgaben vorbereiten können.“ Dort kommen die Abiturienten erst am Freitag.

Die Schülerinnen Marie Bischoffs und Alexandra Jährig machen ihren Mitschülern am ersten Tag des Unterricht am St. Wolfhelm-Gymnasium in Schwalmtal mit einem „Corona-Durchhalte-Schlager“ Mut, an den Türen kleben Zettel: „Schön, dass ihr wieder da seid.“ Am 4. März war das Gymnasium mit 720 Schülern als erste Schule im Kreis Viersen geschlossen worden; damals war die Mutter eine Schülerin mit dem Coronavirus infiziert. Am Donnerstag kamen 70 Abiturienten freiwillig zum Unterricht. Laut Schulleiter Thomas Martens hätten sich nur wenige krank gemeldet.

Auf dem Schulhof der Johannes-Kepler-Schule in Viersen müssen die Lehrer eingreifen, damit die Schüler, die klassenweise zeitversetzt Pause machen, auch tatsächlich Abstand halten. Schulleiter Thomas Küpper beobachtet von drinnen eine Gruppe Zehntklässler, öffnet das Fenster und ruft auffordernd: „So, ihr wisst schon, was 1,50 Meter sind?“ Er hat allerdings dafür Verständnis, dass sich die Schüler noch an die neue Situation gewöhnen müssen, „das muss sich alles einspielen“, sagt er.

In Goch wird an verschiedenen Schulen bemängelt, dass es noch nicht genügend Hygienespender gibt. Außerdem fragen sich Schulen mit älterem Kollegium, wo sie die Lehrer her nehmen sollen, wenn demnächst wieder viel mehr oder alle Schüler zurück kommen. Dann fehlen nicht nur Räume, sondern eben auch Pädagogen.

„Die Ungewissheit hat uns ziemlich genervt“, sagt die Abiturientin Hannah. Sie besucht das Kopernikus-Gymnasium in Lintorf. „Mal hieß es, dass das Abitur verschoben werde, selbst von einer Absage war die Rede, dann hieß es wieder, dass die Prüfungen unbedingt stattfinden müssen. Wir saßen zwischen den Stühlen, wussten nicht, wem wir nun glauben sollten.“

Die NRW-Regierung hat die früheste Option zur Schulöffnung genutzt. Kritiker sehen die Corona-Hygienestandards an den Einrichtungen allerdings nicht gewährleistet. Die Landesregierung garantierte hingegen allen Schulen Unterstützung, falls Desinfektionsmittel oder Schutzmaterial fehlen sollten.

(hsr/RP)
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