Kriminelle Familienstrukturen in NRW Clans bedrohen gezielt Zeugen

Exklusiv | Duisburg · In NRW werden immer mehr Verfahren gegen Clan-Mitglieder geführt. Die Kriminellen setzen aber Zeugen unter Druck, so dass Prozesse platzen. Wie die Clans vorgehen und wie sie ihre Verhaltensweisen verändert haben.

Razzia Duisburg: Großkontrollen fast im gesamten Stadtgebiet
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Stadtweite Großkontrollen gegen Clans in Duisburg 2022

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Foto: Christoph Reichwein (crei)

Kriminelle arabische Großfamilien geraten im Ruhrgebiet und im Rheinland immer mehr unter Druck der Strafverfolgungsbehörden. Die sogenannten Staatsanwälte vor Ort, die in Duisburg ansässig sind und sich ausschließlich mit der Bekämpfung der Clankriminalität beschäftigen, leiteten im vergangenen Jahr 760 entsprechende Verfahren ein – und damit 170 mehr als im Jahr davor. Dabei nahmen die Ermittler den Kriminellen auch deutlich mehr Geld ab. „Im Jahr 2022 sind in den Dezernaten der Staatsanwälte vor Ort vermögensabschöpfende Maßnahmen in einer Höhe von knapp 3,6 Millionen Euro erfolgt – und damit doppelt so viel wie im Jahr davor“, sagte Felix Bachmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Duisburg, unserer Redaktion.

Die Sonderermittler-Einheit bei der Staatsanwaltschaft Duisburg war zur Jahresmitte 2018 auf Initiative des damaligen NRW-Justizministers Peter Biesenbach (CDU) ins Leben gerufen und noch unter seiner Amtszeit zu Beginn des vergangenen Jahres ausgebaut worden. Seit Start des Projekts wurden einschließlich des vergangenen Jahres 2755 Verfahren gegen kriminelle Clans geführt; dabei wurden allein in den Jahren 2020 bis 2022 Vermögenswerte von mehr als 5,4 Millionen Euro gesichert. Außerdem wurden 203 Haftbefehle von den insgesamt vier Staatsanwälten vor Ort gegen kriminelle Clanmitglieder vollstreckt – davon 55 im vergangenen Jahr.

Die Ermittler haben insgesamt eine Veränderung im Milieu ausgemacht. „Die Häufigkeit der Straftatbegehung durch dieselben Täter geht zurück. Sie spüren den Ermittlungsdruck und werden nachhaltig täterorientiert verfolgt“, sagte Bachmann. „Viele Täter sind rechtskräftig verurteilt worden und befinden sich derzeit in Haft“, so der Jurist weiter. Dafür rückten in den Clans aber neue Personen, insbesondere der jüngeren Generation, nach. Darüber hinaus haben die Staatsanwälte beobachten können, dass sich das öffentliche Auftreten der Clan-Mitglieder stark verändert hat. „Sie agieren zurückhaltender“, erklärte der Staatsanwalt.

Auch die Straften würden nicht mehr so offen begangenen wie noch vor einigen Jahren. Die Ermittlungsbehörde führt das auf nachhaltige Strafverfolgung und die regelmäßigen polizeilichen und ordnungsbehördlichen Kontrollen zurück. „Wir sehen bei Razzien in Spielhallen und Shisha-Bars zum Beispiel, dass dort nicht mehr unverhohlen Geldbündel und Marihuana herumliegt. Das war 2017 noch ganz anders“, hieß es aus Sicherheitskreisen. „Auch die Protzerei mit Autos hat deutlich abgenommen. Es gibt dieses Gehabe zwar noch, aber nicht mehr ansatzweise so wie noch vor einigen Jahren“, berichteten die Kreise weiter.

Nach Angaben der Duisburger Staatsanwaltschaft versuchen kriminelle Clans durch Zeugenbeeinflussung Verfahren gegen sie zu verhindern. Demnach werde in diesem Bereich der organisierten Kriminalität Druck auf Zeugen ausgeübt. „Zeugen werden von Beschuldigten oder deren Familienangehörigen kontaktiert und teilweise auch angegangen, um eine weitere Aussage zu verhindern, diese zu beeinflussen oder eine bereits erfolgte Strafanzeige oder Aussage zurückzunehmen“, erklärte Bachmann. Demnach schüchtern Clans unliebsame Zeugen unter anderem ein, indem sie ihnen unterschwellig mitteilen, dass sie deren Familien kennen würden. Oder entsprechende Personen erscheinen an der Wohnanschrift des Zeugen. „Dies hatte in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen zur Folge, dass Ermittlungsverfahren mangels Tatnachweises eingestellt werden mussten“, so die Duisburger Staatsanwaltschaft.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht in der Bedrohung von Zeugen ein großes Problem. „Es ist immer wieder verwunderlich, dass die Täter in solchen Verfahre frühzeitig an die Adressen der Zeugen gelangen“, sagt der Landesvorsitzende Erich Rettinghaus. „Der Personenkreis, der Akteneinsicht hat, ist ja eigentlich überschaubar“, gibt er zu Bedenken.

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