Duisburger Intensivmediziner „Die Angst vor Beatmung kann man nehmen“

Duisburg · Karlheinz Lüdtke (59) ist Chefarzt der Intensivmedizin im Johanniter-Krankenhaus in Duisburg. Er sagt: „Niemand ist vor einer Infektion und einem schweren Verlauf geschützt.“ Im Schnitt bleiben Patienten zwischen fünf bis acht Tage bei ihm.

 Karlheinz Lüdtke, Chefarzt Intensivstation Johanniter-Krankenhaus Duisburg

Karlheinz Lüdtke, Chefarzt Intensivstation Johanniter-Krankenhaus Duisburg

Foto: Sandra Kalkmann

„Mit den immer weitreichenderen Lockerungen steigen meine Befürchtungen, dass es zu einer zweiten, größeren Infektions-Welle kommen könnte. Vor allem liegt mir im Magen, dass die Fitnessstudios wieder geöffnet haben, weil beim durch Sport bedingten heftigeren Ein- und Ausatmen das Virus stärker verteilt wird. Große Sorgen bereitet mir auch die Vorstellung, dass sich Mitarbeiter infizieren könnten. Das war bei uns zum Glück bisher noch nicht der Fall.

Überhaupt haben wir die Herausforderungen der Pandemie bei uns im Krankenhaus bislang meiner Meinung nach gut gemeistert, sowohl was die Behandlung der Patienten als auch der Umgang des Personals mit der neuen Situation angeht. Jeder hat dies verinnerlicht und hat trotz hoher Arbeitsbelastung viel Engagement gezeigt. Ich hätte eigentlich erwartet, dass der psychische Druck unter den Mitarbeitern steigt, aber alle gehen sehr sachlich mit der Lage um. Zum emotionalen kommt ja auch noch der körperliche Stress, denn unter der Schutzkleidung ist man schnell schweißgebadet. Daher haben wir die Pausen verlängert.

Sowohl unsere Intensivstation, die wir geteilt haben für Covid- und Nicht-Covid-Patienten wie auch unsere Corona-Isolierstation für weniger schwere Fälle waren nie voll belegt. Was wir aber gesehen haben: Es sind nicht nur ältere Menschen betroffen, sondern auch 50-Jährige ohne Vorerkrankungen. Niemand ist vor einer Infektion und einem schweren Verlauf geschützt. Angegriffen werden alle Organe, nicht nur die Lunge. Oft versagt auch die Niere, was eine zeitweilige Dialyse notwendig macht, oder es verändert sich die Blutgerinnung, was zu Embolien führen kann. Für uns ist das auch eine labormedizinische Herausforderung. Im Schnitt haben wir die Patienten fünf bis acht Tage behandelt, zwei sind aber schon acht Wochen bei uns.

Viele Erkrankte, aber auch Angehörige sind verunsichert, was die Beatmung angeht, weil es Berichte darüber gibt, dass nur wenige Patienten Intubation und maschinelle Beatmung überleben oder Folgeschäden davontragen. So wird ja von einigen Medizinern das Beatmen über eine Maske propagiert. Die daraus folgende Verunsicherung hat mit fehlenden Kenntnissen zu tun. Denn jede Methode hat ihren Platz, es gibt keine Entweder-Oder-Entscheidung, es hängt allein von der medizinischen Notwendigkeit ab. Auch bei einer maschinellen Beatmung über einen Tubus können die Patienten spontan wie bei der Maske atmen, das lässt sich alles steuern. Diese Angst kann man also schon mal nehmen. Auch bei der Maske kann übrigens mit Druck gearbeitet werden. Beide Methoden sollten sich ergänzen, das empfehlen auch mehrere medizinische Fachgesellschaften. Und was die angeblich hohe Sterblichkeit bei Beatmung angeht, da haben sich Studien aus den USA als fehlerhaft herausgestellt. Hierzulande überleben rund 70 Prozent der Patienten die Behandlung auf der Intensivstation. Beatmungsschäden treten vor allem auf, wenn es Vorerkrankungen der Lunge gab, etwa Emphyseme.

Momentan haben wir auch immer wieder Corona-Verdachtsfälle bei uns, aber zum Glück erweisen sich 75 Prozent als blinder Alarm. Da handelt es sich etwa um Sommererkältungen und schwere Pollenallergien, die ja ähnliche Symptome hervorrufen können. Meine Tage sind trotzdem lang, denn ich muss mich als ärztlicher Direktor neben der intensivmedizinischen Arbeit noch um organisatorische Fragen rund um Corona kümmern, beispielsweise täglich neue Gesetzesvorlagen studieren und kommunizieren. Sollte eine zweite Welle kommen, sehe ich unsere Haus auf jeden Fall gut gewappnet – sowohl was das motivierte Personal angeht als auch die entsprechende Organisation. Noch haben wir auch ausreichend Material, um unsere Mitarbeiter zu schützen.“

Protokolliert von
Jörg Isringhaus.

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