Neues Geschäft in Castrop-Rauxel Shoppen im Knastladen

Castrop-Rauxel · Vogelhäuschen und Rentiere aus Holz, Schürzen aus Gefängnismatratzen-Stoff – im neuen „Knastladen“ in Castrop-Rauxel verkaufen Inhaftierte im offenen Vollzug Produkte aus eigener Herstellung. Bisher gab es nur einen Online-Shop.

Knastladen in Castrop-Rauxel: Produkte aus den NRW-Gefängnissen
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Einkaufen im Knastladen

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Foto: RPO/Claudia Hauser

Ordentlich legt John Weißer die Schürzen zusammen, die die Kunden anprobiert haben. Sie sind aus dickem Stoff, beige-weiß gestreift, und eigentlich werden damit Gefängnismatratzen bezogen. In den Werkstätten der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel, auch Meisenhof genannt, schneidern die Häftlinge aus dem Stoff aber Schürzen, Brotkörbe und Schlüsselanhänger. Und Weißer verkauft die hübschen Sachen in Castrop im „Knastladen“. Dazu jede Menge Holzsterne für Weihnachten, Handarbeiten aus Edelstahl wie eine kleine Lore als Erinnerung an den Bergbau, das Kochbuch „Wasser und Brot“ oder bunte Vogelhäuschen aus Holz.

„Das ist einmalig in NRW, meines Wissens sogar in ganz Deutschland“, sagt JVA-Leiter Julius Wandelt. Das Besondere ist: Den Knastladen gibt es zwar schon lange, aber er ist eigentlich ein Online-Shop. Nun können die Kunden in das Ladenlokal kommen, in dem zuletzt ein Fotogeschäft war und das dann lange leer stand. Begrüßt werden sie von einem Justizvollzugsbeamten, der auch gleich die Impfnachweise kontrolliert. Drei Beamte sind ständig mit im Laden. John Weißer und zwei Kollegen sitzen eigentlich gerade ihre Haftstrafen ab, sind aber im offenen Vollzug. Sie dürfen den Meisenhof morgens verlassen und müssen abends zurück sein.

„Ich komme immer mit dem Bus zur Arbeit“, sagt Weißer. Er ist 30 Jahre alt und wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. „Den Job hier würde ich nicht eintauschen wollen“, sagt er. Er mag die Ablenkung vom tristen Alltag im Gefängnis, die Gespräche mit den Kunden, die manchmal auch neugierig fragen, warum er denn im Gefängnis ist. „Ich geh da offen mit um“, sagt er. Er hat 2019 einen Mann in Düsseldorf mit einer Holzlatte geschlagen und schwer verletzt. Weißer hat zur Zeit keinen Kontakt zu seiner Familie, bekommt nie Besuch. „Ich bekomme von außen keine Unterstützung, brauche aber Geld für Tabak und Kaffee, das kommt ja nicht von allein irgendwoher“, sagt er. Er hat sich deshalb von Anfang an in der JVA um Arbeit bemüht.

Armin Kersting leitet in der JVA Castrop-Rauxel den Allgemeinen Vollzugsdienst. „Der Job hier ist begehrt“, sagt er. „Sowohl bei den Inhaftierten als auch bei meinen Kollegen.“ Der Kontakt zu den Kunden und das unmittelbare Feedback spielt dabei eine große Rolle. „Das ist was ganz anderes als hinter Gittern zu arbeiten.“ Die Inhaftierten hätten mit der Arbeit im Laden einen sinnvollen Arbeitseinsatz, der ihnen bei der Resozialisierung helfe.

Dass die Produkte aus dem Gefängnis richtig gut ankommen, haben Kersting und JVA-Chef Wandelt schon bei ihrem Weihnachtsmarkt erlebt, den sie vor der Corona-Pandemie veranstaltet haben – in der JVA. „Beim letzten Mal kamen da fast 4000 Besucher“, sagt Kersting. Im vergangenen Jahr mussten sie den Weihnachtsmarkt schon im September absagen. Die evangelische Paulus-Gemeinde stellte damals ihre Geschäftsräume zur Verfügung, so dass ein Pop-up-Knastladen eröffnen konnte. Nun soll der Laden dauerhaft bleiben. Das Land NRW unterstützt den Knastladen. Das eingenommene Geld fließt zurück in den Landeshaushalt. In Zeiten, in denen in den Innenstädten immer mehr Ladenlokale leer stehen, soll das Geschäft auch die Castroper City bereichern. Die Produkte stammen aus 28 Justizvollzugsanstalten in NRW und mehr als 35 Betrieben in den Gefängnissen. Dazu gehören Schreinereien, Schlossereien und Metallverarbeitungsbetriebe. Woher das Produkt stammt, steht auf dem Preisschild. In einer Vitrine im Geschäft ist das „Meisengold“ zu finden, Blütenhonig aus der JVA Castrop-Rauxel. „Die Bienen sind unsere fleißigsten Mitarbeiter“, sagt Wandelt und lacht.

Ende Februar kommt John Weißer wieder frei. Was er dann macht, weiß er noch nicht. „Ich schaue Tag für Tag und plane nicht so viel“, sagt er. Am meisten freut er sich darauf, seinen Hund wiederzusehen, einen Schäferhund-Mischling. „Ein Freund passt so lange auf ihn auf.“ Bei seiner Arbeit im Laden lernt Weißer, geduldiger zu werden, sagt er. „Ich hab früher nicht lange geredet, wenn mich irgendjemand genervt hat. Hier bin ich lockerer geworden und entspannter, ich bleibe auch dann ruhig, wenn etwas schief läuft oder jemand den Bogen überspannt.“ In Situationen, in denen er früher keine Konfrontation gescheut hat, dreht er sich nun einfach um und geht.

Der Knastladen in der Lönsstraße 16 in Castrop-Rauxel hat Di bis Fr von 12 bis 18 Uhr und am Sa von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Die Produkte wechseln regelmäßig. Einen Überblick gibt es im Online-Shop.

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