Isolation in vier Bundesländern vor dem Aus Mit Corona in die Schule – was kommt in NRW?

Düsseldorf · Kita-Erzieherinnen in NRW appellieren an die Eltern kranker Kinder, diese zu Hause zu lassen, damit nicht ganze Einrichtungen lahmgelegt werden. Zeitgleich dürfen in vier Bundesländern künftig Eltern ihre Kinder coronainfiziert in die Schule schicken. Was heißt das für NRW?

 Auch mit positivem Testergebnis dürfen in einigen Bundesländern die Kinder bald in die Schule.

Auch mit positivem Testergebnis dürfen in einigen Bundesländern die Kinder bald in die Schule.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Bislang war klar: Zwei Striche auf dem Corona-Schnelltest heißen „mindestens fünf Tage zu Hause bleiben“. Das galt einheitlich in allen Bundesländern. Künftig aber können Eltern ihre Kinder in vier Bundesländern auch mit einer akuten Corona-Infektion in die Schule schicken. In Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein soll nämlich die Isolationspflicht für Infizierte generell – und damit auch für Schulkinder – abgeschafft werden. Auch weitere Bundesländer denken darüber nach. Wie stehen die Lehrerverbände dazu, und was ist für Nordrhein-Westfalen zu erwarten?

Zwei Winter lang diskutierte Deutschland über Luftreinigungsgeräte oder mobile Luftdesinfektionsgeräte in den Schulen. Es wurde gelüftet, was das Zeug hält, regelmäßig getestet, und Masken waren – mit Ausnahme bei den Kleinsten – auch in Schulen verpflichtend. Der Grund: besonders in Innenräumen ist das Corona-Ansteckungsrisiko hoch. Für die neueren Varianten gilt das sogar mehr.

Inzwischen jedoch interessiert Corona viele Menschen nicht mehr, politisch ist von einer „neuen Phase im Umgang mit der Pandemie“ die Rede, wie es Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha formuliert. Dort und in drei weiteren Bundesländern setzt man auf die Eigenverantwortung der Menschen. Damit können Eltern dort selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder trotz Coronainfektion in die Schule schicken oder zu Hause lassen. In Bayern soll das ab Mittwoch (17.11.) Wirklichkeit werden. Die Einschränkung, die Infizierten allerdings auferlegt wird: Für sie gilt verpflichtend das Tragen einer FFP2-Maske.

Die Schulen aber sehen sich vor großen Problemen: Grundsätzlich sei es für die Schulen eher schwierig, gänzlich auf die Isolationspflicht zu verzichten, sagt Sabine Mistler, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes NRW. „In der Schule haben wir täglich eine Vielzahl von Kontakten.“ Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte befänden sich auf dichtem Raum. Auch gäbe es immer noch Klassenräume, die nicht gut zu belüften seien. Der Verband Bildung und Erziehung in NRW fordert in diesem Zusammenhang, Schulen in ausreichender Zahl mit Masken, Schnelltests, Luftfilteranlagen und Luftmessgeräten auszustatten.

„Man sollte nicht unterschätzen, welche Konflikte man unabhängig von Gesundheitsgefahren mit der Abschaffung der Isolationspflicht in die Schulen trägt“, sagt Heinz-Peter Meininger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Immer noch gebe es viele Eltern, die in Sorge seien: „Zum einen, weil sie Risikopatienten in der Verwandtschaft haben oder sogar Kinder selbst zu dieser vulnerablen Gruppe zählen“, sagt Meininger. Zudem wollen Eltern ihre Kinder vor Long-Covid schützen. „Ich könnte eine Reihe von Schulen nennen, in denen Kinder schwer von Long-Covid betroffen sind. Das ist nicht selten. Deutschlandweit vermuten wir, dass es mehr als 1000 Fälle sind“, betont der Lehrerpräsident. Nicht abschätzbar seien zudem die Folgen durch Stigmatisierung, wenn sich Kinder durch das Maskentragen quasi indirekt als infiziert outen müssten.

Darum hatte der Deutsche Lehrerverband darauf gedrängt, die Schulleitungen zu ermächtigen, eine Maskenpflicht auszusprechen. Nach dieser Regelung verfahre man beispielsweise in Wien. „Dort sind alle Kinder einer Klasse verpflichtet, eine Maske zu tragen, wenn es mehr als zwei Infektionsfälle im Klassenverband gibt. Derzeit tragen dort darum rund 100 Klassen Maske“, sagt Meininger. Das trage dem Gesundheitsschutz der ganzen Klasse Rechnung und gestatte Flexibilität im Umgang mit dem Infektionsgeschehen.

Bezüglich der Verpflichtung zum Maskentragen habe NRW-Schulministerin Dorothee Feller gegenüber dem Deutschen Lehrerverband bekräftigt, dass es weder schulinterne noch regionale Lösungen geben werde, sagt Meininger.

In NRW darf man indes davon ausgehen, dass beim Infektionsschutz alles beim Alten bleibt und coronakranke Schülerinnen und Schüler daheimbleiben müssen. Denn nicht nur Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt vor dem Aufheben der Isolationspflicht. „Diese „kommt jetzt zur Unzeit und findet nicht die Billigung der Bundesregierung“, sagte Lauterbach in Reaktion auf den Vorstoß einiger Bundesländer, noch mehr auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger zu setzen. Es gäbe keinen medizinischen Grund, die Isolationspflicht zu kippen.

Auch die NRW-Landesregierung hält die Corona-Regeln nach wie vor für erforderlich, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mitteilt. Lehrervertreter wie Mistler hoffen, dass es dabei bleibt. Auch aus psychologischen Gründen. Sie befürchtet, dass sich Kinder und Jugendliche in der Schule durch die Maskenpflicht für Infizierte als „offiziell coronapositiv“ geoutet sehen. Auch könnten die Ansteckungsängste bei Mitschülern und Lehrkräften steigen.

Ähnlich den Kostenpflichtiger Inhalt Kita-Erzieherinnen in NRW, die in einem offenen Brief Eltern darum gebeten hatten, ihre Kinder im Infektfall besonnen zu Hause zu lassen, sieht auch die Lehrervorsitzende die Lage: „Krank ist krank, wenn Symptome da sind. So ist das auch bei anderen Erkrankungen.“

Was man dazu wissen sollte: Bei milder bis moderater Erkrankung ist laut Einordnung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Möglichkeit einer Ansteckung anderer erst nach mehr als zehn Tagen seit Beginn der Krankheitszeichen erheblich reduziert. Bei schweren Erkrankungen und bei Vorliegen einer Immunschwäche können die Betroffenen auch noch deutlich länger ansteckend sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort