Debatte um Petition Bundesjugendspiele: Die düstersten Momente meiner Schulzeit

Meinung | Düsseldorf · In der aktuellen Debatte um die Abschaffung der Bundesjugendspiele hat unsere Autorin ihre einzige Ehrenurkunde noch einmal herausgeholt. Vorher hatte sie Jahr für Jahr nur eine Teilnehmerurkunde bekommen – für sie die reinste Demütigung.

 Das Happy End kam in der fünften Klasse: Endlich bekam unsere Autorin auch eine Ehrenurkunde. Teilnehmerurkunden empfindet sie als Demütigung.

Das Happy End kam in der fünften Klasse: Endlich bekam unsere Autorin auch eine Ehrenurkunde. Teilnehmerurkunden empfindet sie als Demütigung.

Foto: Laura Ihme

In der aktuellen Debatte um die Abschaffung der Bundesjugendspiele hat unsere Autorin ihre einzige Ehrenurkunde noch einmal herausgeholt. Vorher hatte sie Jahr für Jahr nur eine Teilnehmerurkunde bekommen — für sie die reinste Demütigung.

Im Werfen war ich richtig mies. Fünf Meter war so ungefähr die weiteste Distanz, die ich je geschafft habe. Im Weitsprung war ich besser. Zumindest beim Springen an sich. Die Landung war da eher das Problem: Nachdem ich es relativ weit geschafft hatte, hat mir stets die Schwerkraft einen Strich durch die Rechnung gemacht und ich bin auf meinem Allerwertesten gelandet. Und wie ja jeder weiß: Das wird dann vom Punktrichter - oder in meinem Fall vom Klassenlehrer — als Landung gewertet. Im Laufen war ich dagegen unschlagbar, war die Schnellste auf dem Platz -vermutlich weil ich wollte, dass sie schnell vorbei gehen, diese Bundesjugendspiele.

Jahr für Jahr waren sie die letzte Hürde vor den Sommerferien und für mich viel schlimmer als jede Klassenarbeit. Sogar schlimmer als Mathe. Denn jedes Jahr bin ich hoch motiviert an den Start gegangen und am Ende kläglich gescheitert. Ausdruck dieses Scheiterns: die Teilnehmerurkunde. Anders als die Sieger- oder Ehrenurkunde war sie nicht auf edles, dickes Papier gedruckt und statt des Bundespräsidenten hat nur der Klassenlehrer darauf unterschrieben, und zwar meistens so etwas wie "Du bist spitze, Laura!". Das Schlimmste aber: Sie war zum Ausmalen. Mit kleinen, dicklichen Teddybären in Sportmontur. Selten habe ich mich so gedemütigt gefühlt, hatte ich mich doch in den vergangenen fünf Stunden, die für mich mindestens die Bedeutung der Olympischen Spiele hatten, so sehr angestrengt. Und wofür? Für dickliche Teddybären. Das war ein großes Drama, nur mit sehr großer Mühe konnte meine Mutter mich beruhigen, wenn ich mit hochrotem Kopf geweint, geschrien, getobt habe.

Das Happy End kam in der 5. Klasse, in der ich meine letzten Bundesjugendspiele absolvierte. Das Werfen hat geklappt, das Springen auch und das Laufen ja sowieso. Resultat: die erste und einzige Ehrenurkunde meines Lebens. Die aktuelle Debatte um die Abschaffung der Bundesjugendspiele habe ich zum Anlass genommen, um sie noch einmal hervorzukramen. In meinem Zeugnisordner war sie ganz vorne einsortiert. Die Teilnehmerurkunden waren nirgends zu entdecken. Meine Mutter hat eine Erklärung dafür: "Die hast du immer sofort weggeworfen. Ich war heilfroh, als du die Ehrenurkunde bekommen hast. Das war ja immer so ein Geschrei." Zu Recht!

Heute ist es amüsant, an mein neunjähriges Ich zurückzudenken. Die Wahrheit ist aber, dass die Bundesjugendspiele die düstersten Momente meiner frühen Schulzeit waren. Und wenn man sie nicht abschaffen will, dann sollte man wenigstens das System ändern und jedem Kind zumindest eine Siegerurkunde verleihen.

(lai)
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