Feuerwehrleute und Sanitäter in NRW Brutalität nimmt zu - Rettungskräfte fordern mehr Schutz

Düsseldorf · Die Angriffe auf Helfer im Einsatz nehmen an Brutalität zu. Feuerwehrleute und Sanitäter müssten deswegen besser geschützt werden. Beim Karneval werden Sanitätszelte bereits von Sicherheitsdiensten bewacht.

 Die Feuerwehr Hagen — hier einige Mitglieder bei einem Einsatz — wurden in der Silvesternacht angegriffen. Vermutlich wurden sie sogar in eine Falle gelockt.

Die Feuerwehr Hagen — hier einige Mitglieder bei einem Einsatz — wurden in der Silvesternacht angegriffen. Vermutlich wurden sie sogar in eine Falle gelockt.

Foto: dpa

Das Jahr ist gerade einmal wenige Minuten alt, als um kurz nach Mitternacht ein Notruf bei der Leitstelle der Feuerwehr in Hagen eingeht. Es brenne, womöglich habe eine Silvesterrakete den Brand ausgelöst, teilt ein anonymer Anrufer mit. Sofort fährt eine Rettungswagenbesatzung los. Doch als sie eintrifft, ist von einem Feuer nichts zu sehen.

Stattdessen wird der Einsatzwagen mit Gegenständen beworfen, eine Bierflasche schlägt in der Windschutzscheibe ein. "Nur mit viel Glück konnte der Fahrer den Wagen unter Kontrolle halten", sagt ein Feuerwehrsprecher. Die Polizei kann nicht ausschließen, dass die Rettungskräfte gezielt in eine Falle gelockt worden sind.

Attacken auf Rettungskräfte nehmen der Polizei zufolge seit Jahren zu - und sie werden immer brutaler. Angesichts dieser Entwicklung fordern Politik und Fachgewerkschaften wie die Komba nun mehr Schutz für die Hilfsdienste und härtere Bestrafungen für die Täter. "Jeder Fall von Gewalt ist einer zu viel und muss ernst genommen werden", sagt Andreas Hemsing, stellvertretender Komba-Chef in NRW.

Zunehmende Gewalt und mangelhafter Respekt gegenüber denen, die helfen wollen, seien nicht länger zu dulden, betont Hemsing. Die Komba-Gewerkschaft fordert unter anderem, dass Deeskalationstrainings in der Ausbildung von Rettungskräften zu einem festen Bestandteil werden - und nicht nur freiwillig wie bisher. "Auch sollte die Polizei im Erstfall schneller und näher an den Rettungskräften dran sein, damit diese sich sicherer fühlen", so Komba-Sprecherin Stefanie Frank.

Valentino Tagliafierro ist Personalchef bei der Berufsfeuerwehr Duisburg. Seine Kollegen berichten ihm immer häufiger von Einsätzen, bei denen sie grundlos angegriffen werden. "Es ist mehr als demütigend, wenn sie zur Zielscheibe von Angreifern werden. Dem stehen sie vollkommen wehrlos gegenüber." Auch er fordert besseren Schutz und mehr Respekt gegenüber den Feuerwehrleuten.

Bei der Polizei häufen sich die Anzeigen von Rettungskräften, die im Dienst von Passanten geschlagen, bespuckt und beschimpft worden sind. Die Ermittlungsbehörden nehmen die Fälle sehr ernst - schon aus eigenem Interessen. Denn auch gegen Polizisten steigt in NRW die Gewaltbereitschaft. Im Jahr 2013 gab es landesweit laut Innenministerium 7072 Übergriffe. Das waren noch einmal rund 500 mehr als in dem Jahr davor. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei wird somit in NRW alle 50 Minuten ein Polizist Opfer eines Angriffs.

Wie Polizisten werden auch Sanitäter und Feuerwehrleute meist bei Einsätzen an Wochenenden oder Großereignissen Opfer von Gewalt. "Mittlerweile haben viele Einsatzkräfte Angst vor Attacken", sagt Christoph Schöneborn, Landesgeschäftsführer des Feuerwehrverbandes NRW. Die Täter seien oft alkoholisiert, was aber nicht der Hauptgrund für die Angriffe sei. "Es liegt an einer generellen Verrohung der Gesellschaft", meint Schöneborn. Es sei rauer geworden auf den Straßen als noch vor zehn Jahren.

Marc Lürbke, Sprecher der FDP-Landtagsfraktion für Feuerwehr und Rettungswesen, sagte unserer Redaktion: "Besonders schwierig ist es, dass die Retter in der Regel während ihrer Hilfeleistung völlig schutzlos sind." Vorfälle, in denen diejenigen zur Zielscheibe werden, die ausrücken, um Leben zu retten, seien ein "perverses Phänomen unserer Zeit", betonte Lürbke. Die CDU-Landtagsfraktion setzt sich für eine Verschärfung des Widerstandsparagrafen im Strafgesetzbuch ein und fordert eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten für die Täter. Die Landesregierung lehnt das aber bislang ab. "Den Preis dafür zahlen die Einsatzkräfte nun mit ihrer Gesundheit", so Theo Kruse, Innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.

Nach der Gewalteskalation in der Silvesternacht blicken die Rettungsdienste bereits mit Sorge auf die anstehenden Karnevalstage, bei denen es landesweit regelmäßig zu Übergriffen auf die Helfer kommt. In Düsseldorf werden die provisorischen Sanitätszelte sogar schon von Security bewacht. "Wir arbeiten eng mit Ordnungsamt und Polizei zusammen", sagt Düsseldorfs Feuerwehrsprecher Tobias Schülpen. Man sei während solcher Großereignisse im ständigen Kontakt mit den Sicherheitskräften. Auch gemeinsame Streifen gebe es an solchen Tagen.

(RP)
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