Feuer in Herne Familie von NSU-Opfer verliert Wohnung bei Hausbrand

Herne/Wanne-Eickel · Manchmal schlägt das Schicksal mehrfach zu. So bei Dilek Özcan, deren Vater mutmaßlich vom NSU getötet wurde. In Wanne-Eickel hat es nun in dem Haus gebrannt, in dem die 37-Jährige mit ihren Kindern und ihrem Mann lebte. Die Familie hat alles verloren. Ihr Anwalt ruft zu Spenden auf.

 Feuerwehr (Symbolbild).

Feuerwehr (Symbolbild).

Foto: Bastian Königs

Über Dilek Özcans Leben liegt seit Jahren ein Schatten. Ihr Vater Ismail Yasar, damals 50 Jahre alt, wurde am Vormittag des 9. Juni 2005 mit gezielten Schüssen in seinem Döner-Imbiss in Nürnberg getötet. Zeugen sahen zwei Männer, die ihre Fahrräder direkt vor Yasars Stand abstellten, hineingingen, rasch wieder rauskamen und verschwanden.

Lange wird die Familie Yasars danach verdächtigt, etwas mit der Drogenmafia zu tun zu haben. Erst später kommt ans Licht: Yasar fiel offenbar den beiden mutmaßlichen NSU-Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zum Opfer. Seit Jahren kämpft Dilek Özcan nun vor Gericht um Gerechtigkeit und Aufklärung. Sie traf sogar schon einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich bei Özcan "im Namen der Deutschen" entschuldigt haben soll.

Nun trifft die Familie von Dilek Özcan ein weiteres schweres Los: Am Montagnachmittag brach in dem Mehrfamilienhaus in Wanne-Eickel, in dem die Familie mit ihren drei Kindern lebte, ein Feuer aus. Ein 68 Jahre alter Mann kam in den Flammen ums Leben. Laut Polizei Bochum konnten sich die anderen Bewohner des mehrgeschossigen Hauses rechtzeitig ins Freie retten. Die Löscharbeiten dauerten mehrere Stunden.

"Zur Ursache des Feuers können wir noch keine Angaben machen", sagte Polizeisprecherin Nicole Schüttauf am Mittwoch auf Nachfrage unserer Redaktion. Die Ermittlungen dauerten an. Am Dienstag seien Technisches Hilfswerk und Statiker vor Ort gewesen, um Abstützmaßnahmen vorzunehmen. Am Donnerstag werde ein Sachverständiger erwartet. "Das Haus ist komplett unbewohnbar", sagte Schüttauf.

Die Özcans stehen vor dem Nichts. Keiner der Bewohner darf das Haus betreten. Die Familien wurden in Ersatzquartieren untergebracht. "Ich habe alles verloren, glauben Sie mir", berichtet uns Tayfur Özcan (39), der Ehemann von Dilek Özcan, mit zittriger Stimme am Telefon. Er habe noch versucht, den Nachbarn zu retten, aber das sei nicht möglich gewesen. Tayfur Özcan war am Mittwochmorgen bei der Stadt Herne. "Die wollen uns jetzt in einem Obdachlosenheim unterbringen, aber da gehe ich doch nicht mit meinen Kindern hin", sagt Özcan.

Seine Söhne sind 16 und elf, die Tochter ist 15 Jahre alt. Zwölf Jahre lang lebte die fünfköpfige Familie im Erdgeschoss des Hauses in der Karlstraße. Tayfur wuchs in Herne auf, seine Frau in Nürnberg. Jetzt hausen sie vorerst bei Tayfurs Schwester in einer kleinen Wohnung. "Ich habe keinen Plan, wie es weitergehen soll", sagt der 39-Jährige. In einem Facebook-Eintrag hat nun der prominente Anwalt von Dilek Özcan, Mehmet Daimagüler, eine Spendenkampagne für die Familie gestartet:

Daimagüler vertritt Özcan in zwei NSU-Verfahren vor Gericht. In einem von ihnen haben zwei Familien den Staat angeklagt; das Verfahren ist noch anhängig. Daimagüler ist Jurist, Buchautor und ehemaliger Politiker, er kennt die Familie bald sechs Jahre. "Die sind schon am Boden gerade", erklärte er unserer Redaktion. Die Familie habe viel durchgemacht: "Die gehen beide arbeiten und haben sowieso nicht so viel. Und jetzt das." Daher habe er den Aufruf gestartet - unter der Prämisse, dass sich sicherlich ein paar Menschen finden würden, die etwas spenden.

Inzwischen haben sich zahlreiche Facebook-Nutzer gemeldet, auch Moscheegemeinden hätten ihre Hilfe angeboten, sagt Daimagüler. Tayfur Özcan selbst hat von dem Spendenaufruf noch nicht viel mitbekommen. "Wir kommen nicht in das Haus rein, wir können nichts rausholen", sagt er. "Ich gehe jetzt gleich erstmal ein paar Klamotten für meine Kinder kaufen."

(oko)
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