Urteil in Bonn Bewährungsstrafe für tödlichen Schuss auf Polizei-Kollegen

Bonn · Bei einem Schießtraining wird ein Polizist tödlich getroffen - durch die Kugel eines Kollegen. Das Landgericht Bonn hat jetzt das Urteil über den jungen Mann gesprochen. Für die Eltern des Getöteten bleiben auch nach dem Prozess Fragen.

 Der angeklagter Polizist (r) sitzt im Landgericht hinter seinem Anwalt Christoph Arnold.

Der angeklagter Polizist (r) sitzt im Landgericht hinter seinem Anwalt Christoph Arnold.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Ein Polizist, der einen Kollegen bei einem Schießtraining versehentlich tödlich verletzt hatte, ist am Montag in Bonn zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Der 23-Jährige habe seine Sorgfaltspflicht als Waffenträger massiv verletzt, befand das Gericht.

„Eine vollständige Aufklärung des Unglücksfalls ist nicht möglich gewesen“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff. Denn der Angeklagte habe eine Version der Tat geschildert, die nicht stimmen könne. Demnach hatte der Beamte seine Walther P99 noch einmal überprüft, weil sie angeblich nicht im Holster eingerastet war. Da habe ihn ein Geräusch erschrocken, wodurch er „unbewusst und reflexartig“ abgedrückt habe.

Diese Version sei durch objektive Spuren nicht zu widerlegen, hieß es im Urteil. Aber - so Reinhoff - die Darstellung des Angeklagten sei eine Konstruktion: „Innerhalb weniger Minuten will er sämtliche Polizeiregeln, die ihm antrainiert waren, verletzt haben.“ Vor allem die wichtigste Vorschrift: Eine schussbereite Waffe ist immer ins Holster zu stecken. Dem Richter leuchtet das nicht ein, zumal der Angeklagte als „verantwortungsvoll“ beschrieben wurde.

Auch Staatsanwalt Timo Hetzel hatte in seinem Plädoyer bereits auf eine Mutmaßung ausweichen müssen: Der Ankläger ging davon aus, dass der Todesschütze „spielerisch“ die Waffe auf den Kollegen gerichtet und dabei die rote Trainingswaffe - eine Attrappe - mit der schwarzen Dienstwaffe verwechselt habe. „Aus kindlichem Spieltrieb, Machogehabe oder Nachspiel einer Terrorsituation?“ Das ließ der Ankläger offen. Er hatte für den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von drei Jahren Haft gefordert.

Aber auch diese Version hielten die Richter für wenig plausibel. Warum sollte er sich für einen „Spaß“ der Kritik seiner Kollegen aussetzen? So präsentierte das Gericht ein drittes Szenario: Demnach könnte der Angeklagte nach dem mehrtägigen Antiterrortraining mit seiner Hundertschaft bei einem Geräusch geglaubt haben, „es sei ein simulierter Angriff“. Er habe dann die Waffe aus dem Holster gezogen und abgedrückt.

„Was bin ich für ein Idiot“, soll er nach dem Schuss gesagt haben. Er lief demnach sofort zu dem schwer verletzten Kollegen, der bewusstlos auf dem Boden lag und stark blutete. „Ich habe gedacht, ich hätte noch die Rotwaffe“, hatte er einem Kollegen am Tatort gestanden. Später hatte der Angeklagte erklärt, dass er das nur gesagt habe, „um sich zu retten“. Aber wie angespannt die jungen Polizeibeamten durch das Training waren, belegt der Satz eines Zeugen: „Als ich den Schuss hörte, dachte ich: "Was haben die sich denn jetzt schon wieder für uns ausgedacht?"“ Er habe eine Weile gebraucht, um zu realisieren, dass diesmal „alles echt war“.

Am Schluss wandte sich Richter Reinhoff an die Eltern des getöteten Polizisten: „Es tut mir leid, dass wir ihnen keine letzte Gewissheit verschaffen konnten, warum ihr Sohn sterben musste.“

(mba/dpa)
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