Biesenbach stellt Bonner „Confiscation Group“ vor Wenn Straftäter ihr Vermögen verschleiern

Bonn · Bei der Bonner Staatsanwaltschaft hat die neue Confiscation Group ihre Arbeit aufgenommen. Die Ermittler folgen der Spur des Geldes und treiben unrechtmäßig erlangtes Vermögen bei Verurteilten ein. Was dahinter steckt.

 NRW-Justizminister Peter Biesenbach stellt die neue Einheit vor.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach stellt die neue Einheit vor.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Cum-Ex-Manager und Clan-Mitglieder, falsche Polizisten oder auch Privat-Insolvente, die sich arm rechnen: Um an ihr verstecktes Vermögen zu kommen, hat die Staatsanwaltschaft Bonn eine neue Spezialeinheit. Die Confiscation Group soll die Spuren inkriminierten Geldes verfolgen, es aufspüren und abschöpfen. Bei den Fällen, die seit Oktober aufgenommen wurden, geht es insgesamt um 1,5 Millionen Euro. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) will das Bonner Team, wenn es erfolgreich ist, aufstocken und gegebenenfalls landesweit zuständig machen.

Einziehungsentscheidung ist ein sperriges Wort. Dahinter verbirgt sich eine der Kernaufgaben der Justiz. Geld von denjenigen einzutreiben, die es sich unrechtmäßig angeeignet haben. „Ich höre immer mal wieder, dass verurteilte Straftäter sagen, die Freiheitsstrafe säßen sie mit links ab“, sagte Biesenbach in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Doch wenn es um ihre Villa, den Porsche oder das Portemonnaie gehe, ändere sich die Sache. „Dann weicht diese Gleichgültigkeit großer Aufregung. Wir treffen sie offenbar dort, wo es ihnen weh tut.“

Dass Vermögenswerte aus Straftaten sichergestellt werden, ist nichts Neues. So waren in den vergangenen Jahren bereits Zentralstellen in NRW eingerichtet worden, die sich auch untereinander austauschten. Die Confiscation Group soll der Spur des Geldes aber auch nach der Verurteilung folgen. Denn immer wieder verschleiern Straftäter ihr Vermögen, übertragen es an Bekannte und versuchen so, es dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen.

Asher Brungs, der ein vom Landgericht Bonn abgeordneter Richter und eines der sechs Mitglieder der neuen Gruppe ist, hat in den vergangenen Monaten einige Akten gewälzt. Bislang landeten 57 Verfahren bei ihm und seinen Kollegen, in denen Rechtspfleger um Unterstützung baten. Die Beträge, um die es geht, reichen von 129,64 Euro bis zu 389 684,41 Euro – 80 Prozent der Gesamtsumme von rund 1,5 Millionen Euro entfallen auf privat Geschädigte. „Man sieht also, dass es dabei auch um Opferschutz geht“, sagte Brungs. Sein Fazit: „Die Vollstreckung der Einziehungsentscheidungen wird zum Gradmesser des Vertrauens in den Rechtsstaat und seiner Justiz.“ Ob es um Kleinst- oder Millionenbeträge gehe, reize die Strafverfolger gleichermaßen, wie Oberstaatsanwalt und Leiter Patrick Wilhelm ausführte. „Das Ziel ist immer dasselbe. 100 Euro, die einem betrogenen Rentner fehlen, können ihm sogar mehr weh tun, als mehrere Zehntausend Euro manch anderem.“

Wie aufwendig die Ermittlungen sein können, zeigen einige Fallbeispiele, an denen die Spezialeinheit gerade arbeitet. Justizminister Biesenbach verglich sie deshalb mit Trüffelschweinen, die tief graben müssen. So ging es einmal um 50.000 Euro aus Steuerhinterziehung im Baugewerbe. Der Verurteilte gab an, auf dem Weg in die Privatinsolvenz zu sein, kein eigenes Konto zu haben und sich künftig als Hausmann um die Kinder zu kümmern, während die Ehefrau das Unternehmen schmeißt. „Bei der Internetrecherche entdeckten wir in den sozialen Medien Videos, in denen der Verurteilte mit Uhren und teuren Autos prahlte“, sagte Brungs. Es folgten Ermittlungen über das Grundbuch und Bankkonten. Zudem beantragte man einen Durchsuchungsbeschluss – mit dem Ziel, verschleiertes Einkommen zu pfänden und die tatsächlichen Unternehmensverhältnisse aufzudecken.

Ein anderes Mal hatte jemand die Corona-Überbrückungshilfen ausgenutzt. Bei der Recherche entdeckte man verschiedene Konten, über die gleich mehrmals Anträge gestellt wurden.

Ein wichtiges Themenfeld ist die Clan-Kriminalität. Innerhalb der Großfamilien werden beispielsweise Immobilien hin- und hergeschoben, sodass es beim Verurteilten letztlich nichts zu holen zu geben scheint. Die kriminellen Machenschaften können dann ungehindert weiterlaufen, weil das Vermögen immer noch verfügbar ist. In einem aktuellen Fall der Confiscation Group hat ein wegen Betruges Verurteilter eines Clans, für den eine Einziehungsentscheidung über 10 000 Euro vorliegt, angegeben, nichts zu haben. „Doch die Analyse der Geldflüsse zeigte, dass es Beziehungen zu Personen aus dem Umfeld des Clans gibt“, erklärt Asher Brungs. Dieses Mitglied aus dem Umfeld wiederum besitzt mehrere Immobilien, die er mit 18 Jahren erworben hat – obwohl er keinen Beruf ausübt. „Da stellt sich die Frage, wo das ganze Geld herkommt“, so Brungs. Nun will man den Dritten wegen Geldwäsche anklagen.

Die Entscheidung, die Confiscation Group in Bonn anzusiedeln, kommt vor allem durch die Cum-Ex-Verfahren, deren überwiegende Zahl in der Bundesstadt verhandelt wird, weil das Bundeszentralamt für Steuern dort seinen Sitz hat. So ist die Staatsanwaltschaft für die Vollstreckung der Einziehungsentscheidungen zuständig. In einem ersten Urteil wurde die Einziehung von mehr als 175 Millionen Euro angeordnet. „Diese komplexen Hinterziehungsmodelle könnten auch eine komplexe Verschleierung nach sich ziehen“, erklärte Brungs. Es seien internationale Ermittlungen und Maßnahmen notwendig.

„Wie wichtig die Eintreibung ist, zeigen andere große Verfahren“, sagte Biesenbach. Beim Hawala-Banking, das unter anderem für Drogen und Waffen missbraucht wird, zahlt eine Person bei einem Vermittler Geld ein und dieser autorisiert einen Partner vor Ort, den Betrag an den Empfänger auszuzahlen. Später gleichen die Vermittler die Verbindlichkeiten untereinander aus. In einem Verfahren wurde die Einziehung von 175 Millionen Euro angeordnet. Tatsächlich gesichert wurden aber nur 25 Millionen.

Derzeit befindet sich die Confiscation Group noch in einer Erprobungsphase. Wenn ihre Arbeit erfolgreich ist, könnte sie auf lange Sicht ausgebaut werden, kündigte Biesenbach an – unabhängig vom Ausgang der NRW-Wahl. Denkbar wäre, bei jeder Staatsanwaltschaft eine Spezialeinheit anzusiedeln, oder aber die Bonner landesweit zuständig zu machen. Wichtig sei laut Brungs, das erarbeitete Wissen und die Erfahrung weiterzugeben. Auch den Ermittlern anderer Behörden wolle man Vollstreckungskonzepte an die Hand geben.

Der Bonner Generalanzeiger berichtete zuerst.

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