Bahn-Sabotage in NRW und Berlin Staatsschutz Bochum geht von „politisch motivierter Tat“ aus

Update | Bochum · An empfindlichen Stellen haben Unbekannte am Wochenende die Bahn-Infrastruktur beschädigt. Die Tat zeigt: Das Schienennetz ist verwundbar. In NRW gehen die Ermittler nun von einem politischen Hintergrund aus.

 Bei der Sabotage der Bahn geht der Staatsschutz von einer politisch motivierten Tat aus (Archivbild).

Bei der Sabotage der Bahn geht der Staatsschutz von einer politisch motivierten Tat aus (Archivbild).

Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Im Fall der folgenschweren Bahn-Sabotage vom Wochenende geht der Staatsschutz in Bochum von einer „politisch motivierten Tat“ aus. Das sagte ein Polizeisprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben eine größere Ermittlungsgruppe beim Staatsschutz gebildet, die mit Hochdruck daran arbeitet, die Hintergründe der Tat zu klären.“

Der Bochumer Staatsschutz ermittelt zum Tatort in Herne. Da auch Berlin ein Sabotage-Ort war, stehen die Ermittler aus dem Ruhrgebiet in engem Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen des Landeskriminalamts in der Hauptstadt. Auch dort ermittelt der Staatsschutz.

Allerdings schließt Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) inzwischen nicht aus, dass auch das BKA und der Generalbundesanwalt sich damit beschäftigen. Das könne Berlin aber nicht steuern, es werde allerdings in Zusammenarbeit mit dem Berliner Landeskriminalamt (LKA) entschieden.

Am Samstagmorgen wurden in Berlin und NRW unverzichtbare Kabel für den Zugfunk der Bahn beschädigt, über Stunden stand daraufhin der Schienenverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands still. Unzählige Reisende waren an Bahnhöfen gestrandet.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Bahn selbst sprachen in der Folge von Sabotage. Die Polizei teilte am Montag mit, dass mehrere Kabel im Bereich des Bahnhofs Herne an den Gleisanlagen durchtrennt worden seien. Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien in beiden Fällen vorsätzlich sogenannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Back-up-System sei damit ausgefallen.

Vieles ist in dem komplexen Fall noch unklar. Das Vorgehen setzt nach Einschätzungen aus Sicherheitskreisen Insiderwissen über die Bahn voraus. Dass bislang kein Bekennerschreiben bekannt wurde, spricht gegen Täter aus der linksextremistischen Szene, denen in der Vergangenheit Anschläge gegen die Bahn zugeschrieben wurden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte am Montagnachmittag in Nürnberg, dass sie noch nichts zu den Hintergründen sagen könne. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und vor dem „vermeintlichen Anschlag“ habe ein Schwerpunkt des Ministeriums auf der kritischen Infrastruktur gelegen. „Sie können niemals alles überwachen. Das wird nie in einem freien Rechtsstaat möglich sein, aber wir haben einen sehr hohen Fokus auf die kritische Infrastruktur und insbesondere auch die verkehrliche“, sagte die SPD-Politikerin auf die Frage, wie sicher die Infrastruktur in Deutschland sei.

Die „Bild“-Zeitung hatte am Sonntag berichtet, das Bundeskriminalamt (BKA) halte in einer internen Einschätzung auch staatliche Sabotage für denkbar. BKA und Bundesinnenministerium kommentierten den Bericht auf Nachfrage jedoch nicht.

Der Sicherheitsexperte Peter Neumann hält auch einen Angriff Russlands für möglich. „Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann“, sagte der Wissenschaftler dem Sender RTL. Allerdings gebe es natürlich keine eindeutigen Beweise. „Momentan ist es noch eine Theorie.“

Aus Sicht der Deutschen Bahn haben zumindest die Notfallkonzepte des Konzerns „optimal gegriffen“. „Unsere Teams haben den Funkverkehr bereits drei Stunden nach dem Ausfall wieder hergestellt“, sagte Fernverkehrsvorstand Michael Peterson am Montag in Berlin. „Das ist wirklich sehr, sehr gut, und ihnen gebührt ein großes Dankeschön dafür.“ Bereits am Samstagvormittag hätten die Züge wieder fahren können. Die Auswirkungen in Form von Verspätungen und Ausfällen waren im gesamten Fernverkehrsnetz allerdings noch deutlich länger zu spüren.

In der SPD gibt es einem Bericht zufolge Überlegungen, der Bundespolizei mehr Befugnisse zu verschaffen. „Die Bedrohungslage ist hoch. Dies haben die Sabotageakte auf unsere Infrastruktur noch mal sehr deutlich gemacht“, sagte Fraktionsvize Dirk Wiese der „Rheinischen Post“. Wichtig sei daher, „dass unsere Sicherheitsbehörden die erforderlichen Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung haben. Insbesondere müssen wir jetzt sehr schnell ein modernes Bundespolizeigesetz im Bundestag auf den Weg bringen.“ Die letzte Reform sei aus dem Jahr 1994, seitdem habe sich viel geändert. 2021 scheiterte eine Reform des Bundespolizeigesetzes im Bundesrat.

(albu/toc/dpa)
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