Nach Polizeikontrolle in Bochum Getöteter Senior zielte mit Revolver-Attrappe auf Polizisten

Bochum · Am Sonntagabend hat ein Polizist in Bochum mit mehreren Schüssen einen 74-jährigen Mann getötet. Der Senior soll eine Waffe gezogen haben. Erste Ermittlungen ergaben: es handelte sich um die Attrappe eines Revolvers.

Bochum: 74-Jähriger bei Polizeikontrolle erschossen - Fotos
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74-Jähriger bei Polizeikontrolle in Bochum erschossen

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Foto: dpa/Marcel Kusch

Ein Polizist hat bei einem Einsatz in Bochum einen 74-Jährigen vor einem Wohnhaus erschossen. Der Mann habe nach ersten Erkenntnissen einen „waffenähnlichen Gegenstand“ aus dem Hosenbund gezogen und auf den unmittelbar vor ihm stehenden Beamten gezielt, sagte ein Sprecher der Essener Polizei am Montag. Der Polizist habe den Senior noch vergeblich aufgefordert, die Waffe fallen zu lassen, dann mehrere Schüsse abgegeben. Anwohner hatten die Polizei am Sonntag wegen des 74-Jährigen zu Hilfe gerufen - es ging um Randale und Sachbeschädigung. Gegen den 35-jährigen Polizeibeamten werde nun wegen eines Tötungsdelikts ermittelt.

Wie in solchen Fällen üblich, übernimmt eine andere Dienststelle die Untersuchungen. In dem Fall ist es die Mordkommission Essen. Die Leiche des Mannes werde obduziert, sagte der Essener Polizeisprecher. Der 35-jährige Beamte sei nicht vom Dienst suspendiert. Grundsätzlich komme als Vorwurf fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge bei den Ermittlungen in Betracht, das müsse die Staatsanwaltschaft klären. Diese war zunächst nicht erreichen.

Vor den Schüssen am Abend waren Polizei und Rettungswagen mehrfach seit den frühen Morgenstunden von dem 74-Jährigen selbst oder von Nachbarn alarmiert worden - aus unterschiedlichen Gründen, wie der Polizeisprecher berichtete. Der tödliche Vorfall habe sich auf der Straße vor einem Mehrfamilienhaus ereignet. Versuche, den Mann wiederzubeleben, seien gescheitert. Es habe mehrere Zeugen gegeben, die nun befragt werden sollten, darunter mindestens drei weitere Polizeibeamte und einige Anwohner. Ob der Schütze selbst bereits vernommen wurde, war noch unklar.

Bei dem waffenähnlichen Gegenstand handelt es sich nach derzeitigem Kenntnisstand um keine scharfe Schusswaffe. „Ich habe sie selbst noch nicht gesehen, aber es muss sich um eine Revolver-Attrappe handeln“, sagt ein Sprecher der Polizei unserer Redaktion. „Darin befinden sich also keine Kugeln, keine Platzpatronen und auch kein Gas. Aber sie sieht aus wie eine sehr kleine Schusswaffe.“ Der falsche Revolver soll rund zehn Zentimeter groß sein. „Aber es gibt auch sehr kleine echte Revolver, die sich auch entsprechend gut verstecken lassen“, sagt der Sprecher. Der Schütze und die ebenfalls zum Einsatz gerufenen Kollegen würden medizinisch betreut, einige seien traumatisiert. Eine Aufgabe der Mordkommission ist es zu klären, ob der Senior den Polizisten mit einer Waffe gedroht hat. „Es könnte sein, dass er so etwas gerufen hat wie 'Ich habe eine Waffe'“, sagt der Polizeisprecher. Um das zu klären, werden derzeit Zeugen und Anwohner befragt.

Für Beamte sei es enorm schwierig, in diesen oder ähnlichen Situation abzuwägen, sagte Stephan Hegger von der Gewerkschaft der Polizei. „Kommt eine als Gefahr eingeschätzte Person auf kurze Distanz auf den Beamten zu, muss er selbst entscheiden.“ Meistens seien die Schüsse dann nicht auf Arme oder Beine gerichtet, denn eine Verletzung an den Gliedmaßen könne noch eine Gegenreaktion hervorrufen. „Man muss zuverlässig treffen, man hat möglicherweise keine zweite Chance“, sagte NRW-GdP-Sprecher Hegger.

Bochum - erschossener Senior trug eine Revolver-Attrappe bei sich
Foto: Thomas Lammertz

Dass Menschen durch Polizeikugeln sterben, kommt in Deutschland vergleichsweise selten vor. Wie aus jüngsten verfügbaren Zahlen der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster hervorgeht, hatten Polizisten 2017 bundesweit bei Einsätzen 14 Menschen erschossen. Zudem wurden 39 Menschen verletzt. Die Zahlen lagen etwas höher als in den Jahren zuvor - mit 11 Tote und 28 Verletzten durch Polizeischüsse 2016. Grund für die Zunahme sieht die Gewerkschaft der Polizei auch eine gestiegene Zahl von Messerangriffen. Hegger sagte: „Diese Attacken können sehr schnell tödlich sein, da muss sich ein Polizist wehren.“

(ham/ots)
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