Festnahme in Bochum Vergewaltiger zerrte Opfer ins Gebüsch

Bochum/Freiburg · Die Polizei macht einen Familienvater aus dem Irak für Angriffe auf zwei Frauen in Bochum verantwortlich. In Freiburg ist ein 17-Jähriger des Mordes verdächtig. Durch die Herkunft der mutmaßlichen Täter wird die Debatte um die Flüchtlingspolitik befeuert.

 Die Ruhr-Universität Bochum.

Die Ruhr-Universität Bochum.

Foto: dpa

Nach dem Fahndungserfolg in Freiburg konnte nun auch die Bochumer Polizei einen mutmaßlichen Vergewaltiger ermitteln. Der 31-Jährige soll für zwei Sexualdelikte im Bochumer Universitätsviertel verantwortlich sein. Bei den Opfern handelt es sich um zwei 21 und 27 Jahre alte Studentinnen aus China. Der Tatverdächtige sei Asylbewerber, stamme aus dem Irak und habe mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft nahe den Tatorten gelebt, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann.

Erst im Dezember 2015 sei der Mann nach Deutschland gekommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem versuchten Mord, Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor. Eins seiner Opfer soll er in ein Gebüsch gezerrt und vergewaltigt haben. Er sitzt nun in Untersuchungshaft, bestreitet aber die Vorwürfe.

Auch bei dem mutmaßlichen Täter aus Freiburg handelt es sich um einen Flüchtling, einen 17-jährigen Afghanen, der seit 2015 in Deutschland lebt. Er soll Mitte Oktober am Fluss Dreisam die 19 Jahre alte Studentin Maria L. vergewaltigt haben — sie starb am Tatort.

Die Überfälle in Bochum geschahen im August und im November. Im August war eine 21-Jährige schwer verletzt worden. Außerdem hatte der Täter versucht, die Frau zu vergewaltigen. Die Polizei hatte eine Mordkommission eingesetzt. Im November wurde eine 27-Jährige zum Opfer. Hier kam es zu einer Vergewaltigung. Zuvor hatte die Polizei in beiden Fällen von Vergewaltigung gesprochen. Sie hatte mit Phantombildern nach dem Mann gesucht.

Ans "Uni-Phantom" erinnert

 Bei der Pressekonferenz stellte die Polizei Phantombilder des Tatverdächtigen aus.

Bei der Pressekonferenz stellte die Polizei Phantombilder des Tatverdächtigen aus.

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Ein DNA-Test hatte zuvor ergeben, dass beide Taten vom selben Mann begangen wurden. An der Ruhr-Uni hatten die Fälle für Verunsicherung gesorgt. Auch, weil sie an das "Uni-Phantom" erinnerten. Dabei handelt es sich um einen Unbekannten, der zwischen 1994 und 2002 im Raum Sprockhövel und in Bochum 21 Frauen missbraucht haben soll.

Auch in Freiburg war die Bevölkerung verängstigt. Eine aus 40 Ermittlern bestehende Sonderkommission arbeitet derzeit daran, neue Erkenntnisse nach der Festnahme zu bewerten. Allerdings schweigt der 17-Jährige. Ein markantes Haar und ein DNA-Abgleich führten die Ermittler zu ihm. Die DNA des 18,5 Zentimeter langen, blondierten Haares stimmte mit DNA an der Leiche überein. Daher wusste die Polizei, dass sie nach einem Täter mit auffälliger Frisur suchen musste — und wurde auf Videoaufnahmen aus einer Straßenbahn fündig. Später wurde er von einer Streife erkannt, obwohl er die Haare teils abrasiert hatte.

Der Freiburger Polizeipräsident Bernhard Rotzinger forderte in der "Badischen Zeitung" eine umfassendere Auswertung von DNA-Spuren. "Dann hätten wir die Ermittlungen wesentlich konzentrierter vorantreiben können", sagte Rotzinger. Bislang darf DNA, die an einem Tatort gefunden wird und wahrscheinlich vom Täter stammt, laut Gesetz nicht auf Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe analysiert werden, auch wenn sich damit die Suche eingrenzen ließe. Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) hatte bereits vor einigen Tagen - vor der Festnahme - mehr Möglichkeiten bei der Auswertung von DNA-Spuren gefordert und eine Initiative dazu angekündigt. Möglicherweise hätte eine entsprechende DNA-Analyse auch im Bochumer Fall den Täterkreis eingeengt.

"Freiburg ist Kriminalitätshochburg"

Wirklich Grund zum Aufatmen gibt es in Freiburg jedoch nicht. In der Stadt, die vielen bisher als ein Ort hoher Lebensqualität und verhältnismäßig sicher galt, sind Verbrechen zu einem beherrschenden Thema geworden. "Freiburg ist seit vielen Jahren die Kriminalitätshochburg in Baden-Württemberg", sagt Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). So kamen 2015 auf 100.000 Einwohner laut Polizei 12.296 Straftaten; in der Landeshauptstadt Stuttgart waren es hingegen nur 10.850.

Hinzu kommt seit Wochen eine Serie schwerer Delikte. So geschah neben der Attacke auf die 19-Jährige ein weiterer ungeklärter Frauenmord im benachbarten Endingen. Im Oktober starb ein Mann, der auf einem Platz in der Innenstadt von zwei Männern geschlagen worden war, nachdem er öffentlich uriniert hatte. Es gab, ebenfalls in der Stadt, mehrfach Übergriffe auf Frauen. Mitte November erstach ein 39-Jähriger seinen 21 Jahre alten Neffen.

Die Häufung solch schwerer Verbrechen sei zufällig, es handele sich um Einzeltaten, sagt Polizeipräsident Rotzinger. Doch diese beeinträchtigten das Sicherheitsgefühl. Mit seinen inzwischen fast 230.000 Einwohnern ist Freiburg laut Statistischem Landesamt die am schnellsten wachsende Stadt in Baden-Württemberg. Das schafft Probleme. Hinzu kommen die Grenznähe zu Frankreich und zur Schweiz und die Tatsache, dass Freiburg vor allem bei jungen Menschen inzwischen als Szene-Stadt gilt. Eine Mixtur, die auch Kriminelle anzieht. Neben den gutbürgerlichen Vorzeigevierteln gibt es, wie vielerorts, soziale Brennpunkte und Problembezirke. Überdurchschnittlich hohe Immobilienpreise und Mieten verschärfen soziale Spannungen. Die Polizei versucht nun, mit mehr Präsenz entgegenzuwirken.

Merkel warnt vor pauschaler Verurteilung aller Flüchtlinge

Durch die Herkunft des Mordverdächtigen wurde wieder die Debatte um die Flüchtlingspolitik befeuert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor einer pauschalen Verurteilung aller Flüchtlinge. "Wenn es sich herausstellen sollte, dass es ein afghanischer Flüchtling war, dann ist das absolut zu verurteilen, genauso wie bei jedem anderen Mörder, aber auch ganz deutlich zu benennen. Und dann sage ich, dass damit aber nicht die Ablehnung einer ganzen Gruppe verbunden sein kann, so wie wir auch sonst nicht von einem auf eine ganze Gruppe schließen können", sagte Merkel am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen".

Flüchtlingshilfe an sich werde von den meisten Bürgern auch nach dem gewaltsamen Tod der Studentin und dem Tatverdacht gegen den jungen Afghanen nicht infrage gestellt, sagt ein Sprecher einer Freiburger Initiative. Als die AfD nach der Festnahme des Flüchtlings zur Protestkundgebung gegen Zuwanderung aufrief, standen 15 Teilnehmer rund 300 Gegendemonstranten gegenüber.

In Bochum kam der entscheidende Hinweis vom Lebensgefährten des zweiten Opfers. Dieser hatte demnach vergangene Woche in einem Gebüsch nahe des zweiten Tatorts einen Mann bemerkt. Geistesgegenwärtig machte er mit dem Handy zahlreiche Fotos von ihm. Der Mann rannte daraufhin weg. Mit den "erstklassigen Bildern", wie der zuständige Kriminalhauptkommissar das Material gestern nannte, konnte die Polizei den Tatverdächtigen wenig später in einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe ausfindig machen. Er gab eine Speichelprobe ab. Als vorgestern die DNA der Probe mit der Täter-DNA übereinstimmte, wurde der Mann festgenommen.

(RP)
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