Hilden Bluttat: Stadt bietet Angehörigen Hilfe an

Hilden · Die Mitarbeiter des großen Produktionsunternehmens sind nach der Bluttat von Freitagnacht verstört, Anwohner nachträglich schockiert. Der Bürgermeister lobt die Behörden als "sehr umsichtig".

Die Pressekonferenz zur Hildener Bluttat
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Die Pressekonferenz zur Hildener Bluttat

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Sebastian May kann es noch immer nicht fassen. Samstagfrüh hat er eine SMS von seiner Mutter bekommen. Inhalt: Es hat eine Schießerei bei 3M gegeben, ein Toter, mehrere Verletzte. May, der Vorsitzender der Hildener Werbegemeinschaft ist, war selbst bis vor einem Jahr Mitarbeiter von 3M, hat als Energieanlagen-Elektroniker in dem Werk an der Düsseldorfer Straße gearbeitet.

"Ich habe sofort alle Kollegen, deren Nummern ich hatte, angerufen, um zu hören, wie es ihnen geht", erzählt May, selbst frisch gebackener Vater. "Allen ging es gut, Gott sei Dank." Die Mutter hat die Bluttat noch mehr mitgenommen: Sie hat 40 Jahre lang bei 3M gearbeitet, ist erst vor kurzer Zeit in Rente gegangen.

Am späten Freitagabend hatte ein 38-jähriger Maschinenführer vier Kollegen mit Schüssen aus zwei Pistolen verletzt, hatte sie offenbar gezielt töten wollen, wie die Polizei später berichtet. Danach beging er Selbstmord, indem er eine der Waffen gegen sich selbst richtete.

Bis Sonntag hatte die eingesetzte Mordkommission keinerlei Hinweise auf ein Motiv des Düsseldorfers, auch nach der Befragung unzähliger Zeugen sowie der Verletzten nicht, die durch Notoperationen gerettet werden konnten. Wild um sich geschossen hat der Mann jedenfalls nicht. "Es war das Gegenteil von einem Amoklauf", wie Polizeioberrat Reiner Schiffer bei einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag in Mettmann sagte.

Firma gilt als soziales Unternehmen

3M ist einer der größten Arbeitgeber in der Stadt, 900 Mitarbeiter zählt das Werk, das damit der größe Produktionsstandort von 3M in Europa ist. In Hilden werden vor allem Spezialkleber, reflektierende Folien und Windelverschlüsse hergestellt. Der deutsche Ableger des amerikanischen Unternehmens ist für seine Rolle als soziales Unternehmen und dafür bekannt, sich um seine Mitarbeiter zu kümmern. Im März erhielt das 3M-Werk Hilden den Umweltpreis des Bundes für Umwelt und Naturschutz Kreis Mettmann — für dessen ungewöhnlichen Einsatz für Umwelt und Natur (s. Stichwort).

Man sei weiter in engem Kontakt mit den Angehörigen der Verletzten, heißt es von der Geschäftsleitung. Indessen bedankte sich Notfallseelsorger Pfarrer Jürgen Draht aus Ratingen bei seinen Kollegen aus dem Kirchenkreis: Insgesamt waren neun Notfallseelsorger, davon vier aus der Kreissynode und Mitarbeiter der Notfallseelsorge, bis in die frühen Morgenstunden am Samstag und am Samstagvormittag im Einsatz. "Ich danke allen Notfallseelsorgern, die geholfen haben, obwohl sie längst Feierabend hatten und nicht in Rufbereitschaft waren", so Draht, der selbst direkt von der Kreissynode in Ratingen aus nach Hilden gerufen wurde.

"Schrecklich und unfassbar"

Gleich gegenüber dem Werk, auf der anderen Seite der Düsseldorfer Straße nur einen Steinwurf von 3M entfernt, wohnen Wolfgang und Ulrike Müller. Ironie des Schicksals: Von den Schüssen haben der Architekt und seine Frau nichts mitbekommen, weil — sie gerade einen Krimi im Fernsehen verfolgten. "Auf die Martinshörner achten wir kaum noch", erzählt Ulrike Müller, "da so viele Rettungswagen zu den Senioreneinrichtungen an der Horster Allee hier vorbeikommen." Ihr Sohn habe sie gegen 0.30 Uhr aus Haan angerufen und gefragt: Wisst ihr eigentlich, was bei euch vor dem Haus passiert ist? Er hatte von der Bluttat im Internet gelesen.

Bürgermeister Horst Thiele wurde hingegen von Landrat Thomas Hendele — dem Chef der Kreispolizeibehörde Mettmann — noch in der Nacht über die dramatischen Ereignisse informiert. Polizei und Landrat hätten "sehr umsichtig" gehandelt, sagt Thiele später. Die Bluttat sei "schrecklich und unfassbar, und trotzdem passiert so etwas, scheinbar aus heiterem Himmel".

Die Stadt Hilden habe 3M, den verletzten Mitarbeitern und deren Angehörigen ihre Hilfe angeboten, so Thiele: "Wenn wir etwas tun können, machen wir das."

(RP/ila/csi/top)
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