Möglicher Ausfall der Stromnetze So wappnet sich die NRW-Wirtschaft gegen einen Blackout
Düsseldorf · Die Sorgen wegen eines denkbaren Ausfalles der Stromnetze nehmen zu. Sprit gibt es dann nicht mehr, so Aral, Smartphones fallen aus, doch es gibt auch Lichtblicke: So will eine Sparkasse bei einem Stromausfall noch einige Tage lang Geld ausgeben.

Stromausfall - das ist zu tun
Wie zuverlässig ist die Stromversorgung? Bürger des Münsterlandes und von New York City sind sich da nicht so sicher. Im Winter 2005 fiel die Elektrizität im Münsterland wegen Schneemassen auf den Leitungen für 250.000 Menschen aus – 20.000 Menschen kamen erst nach fünf Tagen wieder ans Netz. In der US-Metropole fiel 1977 der Strom für 25 Stunden aus. „New Yorks dunkelste Nacht“, schrieb der „Spiegel“, zwei Blitze hatten Hauptleitungen zerstört, 1616 Geschäfte wurden zerstört, „Die Nacht des Terrors“ titelte das US-Magazin „Time“. Zum Glück klappte in fast allen Krankenhäusern die Versorgung mit Notstrom, an den Airports schliefen die Menschen in den Hallen.

Für den Notfall - diese Sachen sollte man als Vorrat haben
Vergleichbare Szenarien beschäftigen seit Putins Überfall auf die Ukraine auch Politik und Wirtschaft in Deutschland und Europa, wobei der Lieferboykott von Gas und immer neue Cyberattacken die Unruhe verstärken. Etwas Entwarnung kann zwar aktuell gegeben werden, weil die starken Regenfälle den Transport von Kohle zu den Kraftwerken wieder erleichtern und dank wieder mehr vorhandenem Kühlwasser in den Flüssen das Hochfahren der französischen Atomkraftwerke ermöglicht, doch die Lage bleibt angespannt. So haben die Netzbetreiber wie Amprion im Stresstest für das Wirtschaftsministerium festgestellt, dass „stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können“. Und als Ergebnis eines kurzen Ausfalls drohen dann immer längere Krisen.
Für Nervosität sorgt gleichzeitig, dass immer mehr Bürger sich wegen der steigenden Gaspreise kleine Stromheizungen kaufen. Das bringt diesen Menschen in der Regel zwar keine Ersparnis, weil Heizen per Strom fast immer teurer sein ist als per Gas, doch ein massenhaftes Einschalten von Stromheizungen im Winter könnte den Crash provozieren, so der Elektrotechnikverband VDE.
Die Lage ist also ernst. Auch darum will sich der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck mit einem Gesetz die Option geben lassen, zwei der letzten drei für die Stilllegung zum Jahresende vorgesehenen Kernkraftwerke noch einige Monate länger laufen zu lassen, um die Netzstabilität abzusichern. Das Land NRW hat alle Kommunen angewiesen, Notfallpläne für den Fall eines Stromausfalles noch einmal durchzuchecken. Die Polizei in NRW hat ihre Notstromaggregate erweitert und bunkert zusätzlichen Treibstoff, damit die Wagen im Krisenfall auch betankt werden können.
Weil niemand dafür verantwortlich sein will, falls möglicherweise Millionen Bürger ohne Vorwarnung schwierige Zeiten durchleben müssen, gab Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Menschen schon im Mai den Rat, sich vorzubereiten: „Wenn tatsächlich mal länger der Strom ausfällt oder das tägliche Leben auf andere Art und Weise eingeschränkt wird, dann ist es auf jeden Fall sinnvoll, einen Notvorrat zu Hause zu haben.“ Sie wies dabei auf eine Liste für einen Zehn-Tages-Vorrat des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz hin. Das Amt erklärt auf seiner Online-Seite: „Auch wenn ein großflächiger langandauernder Stromausfall in Deutschland unwahrscheinlich ist, ausgeschlossen ist er nicht.“
Unterschieden werden muss dabei zwischen einem Blackout nur für wenige Stunden und einem längeren Ausfall. Für eine gewisse Zeit halten viele Unternehmen, Behörden oder auch Schulen Notstromaggregate vor, die auch verhindern sollen, dass Menschen in Aufzügen steckenbleiben. Doch der TÜV Rheinland fand noch im Juli „wesentliche Mängel“ bei einem Viertel der Notstromanlagen von Krankenhäusern, Schulen und Hochhäusern vor, nur ein Drittel der Anlagen war „mängelfrei“. „Die Betreiber der Anlagen sollten vor dem kommenden Winter sicherstellen, dass ihre Notstromaggregate gut in Schuss sind“, sagte der Geschäftsführer des Tüv-Verbands, Joachim Bühler.
Wie sichern sich nun einzelne Firmen und Branchen gegen einen Blackout? Tankstellen haben nur in Einzelfällen eine Notstromversorgung, erklärt eine Sprecherin von Aral. Ohne Strom also kein Sprit für den Bürger. Sehr viele Heizungen in Privathäusern könnten ausfallen, weil die Steuerung über das Stromnetz läuft, das Wieder-Hochfahren wird oft nur mithilfe von Fachleuten klappen.
Der Düsseldorfer Chemieriese Henkel hat zum Glück ein eigenes Kraftwerk auf dem Werksgelände – im Extremfall könnten hier also eventuell die Beschäftigten eine Krise in den Büros überstehen. Henkel erklärt wörtlich: „Es ist richtig, dass unser Kraftwerk grundsätzlich in der Lage ist, über den sogenannten Inselbetrieb den Standort unabhängig vom öffentlichen Stromnetz zu versorgen.“ Auch Evonik aus Essen erzeugt Energie zum großen Teil selbst – auch das könnte helfen.
Am Flughafen Düsseldorf würde man zwar nicht gebrauchte Anlagen abschalten, aber 59 Notstromaggregatoren würden „eine geordnete Weiterführung des Flugbetriebes absichern“, so die Betreiber. Jede rückkehrende Maschine könnte also auch nach einem Blackout noch landen. „Zwei Tage reichen die Aggregate mindestens“, sagt ein Sprecher.
Die Post beschäftigt sich „eingehend“ mit Vorsorge gegen einen Blackout oder auch gegen Engpässe beim Heizen der Standorte mit Gas, erklärt der Konzern. Zwei Dinge sind klar: Die große Flotte an Elektrofahrzeugen („Streetscootern“) könnte nicht mehr fahren, Beschäftigte in den Verteilzentren erhalten warme Kleidung, falls nicht mehr geheizt werden kann.
Einen Stromausfall für einige Stunden glaubt die Telekom ebenso wie Vodafone bewältigen zu können, dank Notstromaggregaten in Rechenzentren und Akkus in vielen Mobilfunkstationen. Doch relativ schnell wären diese Akkus dann ebenso leer wie die Smartphones der Kunden – „dann läuft nichts mehr“, sagt ein Manager der Telekom. Vodafone weist ergänzend daraufhin, eine „Mobilfunk-Grundversorgung“ sei denkbar, wenn man im Falle des Falles viele Funkstationen mit Notstromaggregaten ausstatten würde, aber in Wahrheit wären Tausende solcher Anlagen in der Krise nicht erhältlich.
Die ganze Banken- und Versicherungswirtschaft kann ohne Strom die Rechner nicht betreiben. „Das Bankensystem ist Teil anderer Systeme“, erläutert Gianluca Pescaroli, Professor für Katastrophenresilienz am University College in London, „meine Hauptsorge sind die kaskadierenden Auswirkungen von Ausfällen an Geldautomaten oder bargeldlosen Transaktionen auf die Gesellschaft.“
Logischerweise sind die meisten Rechnersysteme für einige Zeit mit Notstromaggregaten und Akkus abgesichert, die Düsseldorfer Versicherung Ergo erklärt: „Die IT der ERGO stellt sicher, dass unabhängig von der Natur des Stromausfalls die Daten aller Versicherungsverträge und Schadensmeldungen erhalten bleiben.“ Auch gegen „längere Ausfälle“ sei man gewappnet dank Notstromaggregaten.
Wird es bei einem Stromausfall direkt kein Bargeld mehr geben? Die Stadtsparkasse Düsseldorf erklärt, „über mehrere Tage“ die „kritischsten Prozesse“ aufrechterhalten zu können. Dazu würde der Betrieb der Geldautomaten gehören.
Die Bundesregierung rät dazu, sich ein Radio mit Batteriebetrieb für die Krise zu kaufen. Wir haben den WDR gefragt, wie lange er denn auch ohne Strom aus dem Netz senden könnte. Die Antwort: Die Antwort lautet „mehrere Tage“. Auf die Nachfrage, was dies konkret bedeute, gibt der WDR keine Antwort. Er wolle „nicht ins Detail“ gehen.