Prozess in Bielefeld 1,4 Millionen Euro veruntreut - Bank-Kassierer muss in Haft

Bielefeld · Drei Jahre bediente sich der Sparkassen-Kassierer aus Rietberg immer wieder am Tresor, zweigte insgesamt 1,4 Millionen ab. Nun ist er zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht prangerte dabei auch fehlende Kontrollen in der Bank an.

 Der Angeklagte verbarg im Prozess sein Gesicht hinter einer Aktentasche.

Der Angeklagte verbarg im Prozess sein Gesicht hinter einer Aktentasche.

Foto: dpa, ok fpt

Dass sein Betrug so lange nicht auffiel, hat ihn selbst überrascht. Als er schließlich aufflog, überraschte es Mitarbeiter, Ermittler und Richter um so mehr, wie es dem so unscheinbar wirkenden Sparkassen-Kassierer gelingen konnte, insgesamt 1,44 Millionen Euro aus dem Tresor einer Filiale im ostwestfälischen Rietberg abzuzweigen. Mindestens 65 mal hat er nach Überzeugung der Richter in den Jahren 2012 bis 2015 zugegriffen. Wegen Untreue ist er am Montag zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.

Als der Vorsitzende Richter am Landgericht Bielefeld sein Urteil verkündet, sitzt der Angeklagte wie versteinert da. Er hat dunkle Schatten unter den Augen, ist in psychiatrischer Behandlung, steht unter Medikamenten. Unter Tränen hat er seine Reue an diesem Tag abermals bekundet. Sein Leben ist ruiniert, wie sein Verteidiger betont: "Er wird nie mehr in dem Beruf arbeiten können, der ihm immer Spaß gemacht hat", sagt er.

Die Geschichte des Mittvierzigers hat während der Verhandlung immer wieder für Kopfschütteln gesorgt: Auf der Anklagebank saß weder ein Skrupelloser, der seinen Arbeitgeber bestahl, um von dem Geld in Saus und Braus zu leben. Noch ist der 46-Jährige nach Überzeugung der Richter Opfer einer tatsächlichen Erpressung geworden, wie er in seinem Geständnis angegeben hatte. Vielmehr wurde der verschüchtert und naiv wirkende Sparkassen-Mitarbeiter Opfer seiner selbst. "Ich war leicht zu ködern", gab er in seinem Geständnis zum Prozessauftakt an.

Was am Anfang der Geld-Verstrickungen stand, habe der Prozess nicht klären können, führt der Richter am Montag bei Urteilsverkündung aus. Vor mehreren Jahren sei der Angeklagte in die Fänge eines dubiosen Sparkassenkunden gekommen, der gewusst habe, wie man den "angstbeladenen" Mann dazu bringen kann, viel Geld zu geben, ihn am Ende sogar zur Untreue zu treiben. Es soll dabei anfangs auch um die Geschäftsidee gegangen sein, Kosmetika auf dem Balkan zu vertreiben.

Als die Idee längst Geschichte war, hatte sich eine seltsame Schulden-Spirale bereits verfestigt: Damit die Investitionen irgendwann zurückkämen, verlangte der Geschäftsfreund - später auch zunehmend mit Druck und Drohungen - immer mehr Geld. Bis zuletzt in der Hoffnung, dass sich alles zum Guten wende, habe der Angeklagte immer neues Geld aus den Sparkassenbeständen nachgeschossen.

Er sei bedroht und weichgekocht worden, bevor er das erste Mal zulangte, hatte der Angeklagte angegeben. Und dann schien alles so einfach zu gehen: Das Geld, was er abzweigte, kaschierte er in komplexen Buchungsvorgängen. Drei Innenrevisionen und drei Kasseninventuren überstand er unentdeckt und nur durch geschickte Verschleierungen und, wie der Richter betont, "durch grobe Nachlässigkeit der Organisation der Sparkasse".

Statt echter Kontrollmechanismen habe "ein hohes Maß an kollegialem Vertrauen" geherrscht, von funktionierenden Sicherheitssystemen keine Spur. Die Kollegen unterzeichneten Buchungen demnach ohne sie je mit den tatsächlichen Tresorbeständen abzugleichen. Als der Angeklagte über die Zeit immer unvorsichtiger wurde, hätten auch simple Plausibilitätsprüfungen gereicht, um den Kassierer zu erwischen, sagt der Richter: Warum etwa war ein Geldautomat auf dem Papier angeblich mehrmals am Tag befüllt worden? Wieso nahm er Buchungen in fremden Filialen vor?

Doch diese Strukturen rechtfertigten am Ende kaum, dass es so gekommen sei. Als schwerwiegender wertet das Gericht, was der Sparkassen-Mitarbeiter seinen Kollegen angetan habe: Er habe ihr "buchstäblich blindes Vertrauen" missbraucht. Immer wieder, drei Jahre lang.

(lsa/lnw)
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