Düsseldorf Baufirmen leiden unter Diesel-Dieben

Düsseldorf · Seit der Sprit auf einem Rekordhoch liegt, verschwindet immer mehr Diesel von Baustellen. Dreiste Diebe leeren sogar Tanks von Lastwagen. Seit 2010 haben die Straftaten um 140 Prozent zugenommen. Der Betrug an Tankstellen nimmt ebenfalls zu.

 Dietmar Gebhardt (l.) überwacht auf der Baustelle PZ Heitkamp bei Krefeld das Tanklager und ist zuständig dafür, dass Baggerfahrer Harald Holzschneider genug Diesel für sein Arbeitsgerät bekommt.

Dietmar Gebhardt (l.) überwacht auf der Baustelle PZ Heitkamp bei Krefeld das Tanklager und ist zuständig dafür, dass Baggerfahrer Harald Holzschneider genug Diesel für sein Arbeitsgerät bekommt.

Foto: Endermann, Andreas

Auf den Baustellen des Abbruchunternehmens "Prangenberg und Zaum" wird immer öfter morgens nicht direkt mit der Arbeit losgelegt, sondern erst einmal Diesel geholt — weil Diebe nachts die Tanks geleert haben und die Baugeräte ausfallen. "Das ärgert uns wahnsinnig", sagt Bernd Zaum, Juniorchef der Firma mit Sitz in Neuss. Die Arbeit verzögere sich, dazu koste der zusätzliche Sprit, der wegen der Diebe gekauft werden muss, viel Geld. Außerdem bohren die Diebe oft die Tankdeckel auf, die dann repariert werden müssen. In diesem Jahr werde "sehr gehäuft" Diesel gestohlen, meint Zaum. Auf einer Großbaustelle des Unternehmens in Mönchengladbach schlugen Diebe bereits dreimal zu und zapften jeweils 200 bis 1200 Liter ab.

Andere Bauunternehmen und Speditionen berichten dasselbe. Seit der Preis für Diesel auf einem Rekordhoch (derzeit mehr als 1,50 Euro pro Liter) liegt, werden Spritdiebe an Rhein und Ruhr immer aktiver. "Diese Straftaten haben erheblich zugenommen", sagt der Geschäftsführer des Verbands der Bauindustrie, Siegfried Steuer. Das belegt auch eine Sonderauswertung des Landeskriminalamts: Im Januar und Februar dieses Jahres stieg die Zahl der gemeldeten Delikte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 60 Prozent, verglichen mit den Zahlen 2010 beträgt die Steigerung ganze 140 Prozent. In die Statistik fließen nur Diebstähle mit einer Beute von mehr als hundert Litern ein. Wie viele kleinere Delikte dazukommen, kann das Landeskriminalamt nicht sagen.

Die Polizei räumt ein, dass sie gegen den Dieselklau kaum etwas machen kann. Denn die Diebe schlagen oft in der Nacht auf menschenleeren Großbaustellen zu. Oder sie pumpen den Tank von Lastwagen aus, die unbeaufsichtigt in Gewerbegebieten stehen. Die betroffenen Firmen rüsten zur Gegenwehr auf. Manche engagieren Wachpersonal, andere setzen auf Videoüberwachung. Im Internet gibt es angeblich aufbruchsichere Tankdeckel und satellitengestützte Systeme für Speditionen, die automatisch einen Notruf absetzen, wenn sich der Tank ungewöhnlich schnell leert.

Hinter dem Diesel-Diebstahl stecken nicht immer professionelle Banden, die mit großen Tanks unterwegs sind. Die Polizei greift auch Kleindiebe auf, die sich mit Schlauch und Benzinkanister auf den Weg machen, um sich eine Tankfüllung zu besorgen. Insider berichten, dass oft Mitarbeiter der bestohlenen Firmen in den Dieselklau verwickelt sind. So helfen Lastwagen-Fahrer mit, den vollen Tank des Fahrzeugs leerzupumpen, und geben hinterher an, sie seien bestohlen worden. Das lohnt sich für die Diebe, wenn sie nicht erwischt werden — in einen Lkw-Tank passen Tausende Liter.

Auch bei einem spektakulären Fall, der sich kürzlich in Düren ereignete, war ein Mitarbeiter der bestohlenen Firma beteiligt. Der 60-Jährige hatte die Tanks des Bauunternehmers, für den er arbeitete, leergepumpt. Mit Komplizen richtete er nachts in einer Lagerhalle in einem Gewerbegebiet eine illegale Tankstelle ein und verkaufte die Beute. Familienautos, Firmenwagen und Transporter standen Schlange an der Zapfsäule — der Liter kostete weniger als einen Euro.

Wenn der Spritpreis auf Rekordhöhe steigt, leidet offenbar auch die Moral von Normalbürgern. Das berichten die Betreiber von Tankstellen. "Der Betrug beim Tanken hat zugenommen", sagt der Geschäftsführer des Zentralverbands des Tankstellengewerbes, Jürgen Ziegner. Dies sei auch früher schon der Fall gewesen, wenn der Benzinpreis deutlich gestiegen war. Das LKA kann die Zunahme bei diesen Delikten noch nicht bestätigen. Die Zahlen liegen noch nicht vor. 2010 gab es rund 20 000 Fälle von Tankstellenbetrug in NRW. Die Aufklärungsquote liegt nur bei rund einem Drittel — trotz flächendeckender Videoüberwachung. "Das liegt daran, dass viele Betrüger das Kennzeichen verdecken oder ein gestohlenes benutzen", sagt ein LKA-Sprecher.

Bauunternehmer Bernd Zaum hat inzwischen einen Wachdienst engagiert, der nachts auf den Baustellen seines Unternehmens patrouilliert. Tagsüber überwacht ein Pförtner, wer das Gelände betritt. Die Diebe hat das aber bislang noch nicht abgehalten. Zaum befürchtet, dass seine Tanks bald noch häufiger leer sein werden — falls der Spritpreis weiter steigt. "Wir haben Angst, dass dann noch mehr Diebe kommen."

(RP/jco)
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