NRW-Städte ganz vorne Hier warten Sie am längsten auf einen Termin für den Kirchenaustritt

Düsseldorf/Neuss · Tausende Christen stehen Monat für Monat Schlange: Allerdings wollen sie nicht rein in die Kirche, sondern raus. Das dauert, je nach Wohnort, unterschiedlich lange. Wo Sie in NRW besonders viel Geduld brauchen.

Ein Kruzifix ist beim Schlussgottesdienst des 102. Deutschen Katholikentags vor dunklen Wolken zu sehen.

Ein Kruzifix ist beim Schlussgottesdienst des 102. Deutschen Katholikentags vor dunklen Wolken zu sehen.

Foto: dpa/Marijan Murat

Kirchenmüde Christen müssen in Nordrhein-Westfalen am längsten am Amtsgericht Neuss auf einen Austrittstermin warten. Mit 3,5 Monaten Wartezeit schlägt die Behörde die Wartezeiten an allen anderen Amtsgerichten des bevölkerungsreichsten Bundeslands. Das geht aus einer Auflistung hervor, die NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) für die Rechtsausschusssitzung am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag zusammengestellt hat.

Mit drei Monaten Wartezeit folgen die Amtsgerichte in Duisburg, Geldern, Moers, Velbert, Lünen, Gronau, Aachen, Jülich, Waldbröl, Leverkusen und Essen. Regelmäßig gebe es aber Möglichkeiten, auf noch nicht belegte oder stornierte Termine kurzfristig aufzuspringen, ergänzte der Justizminister.

Gar keine Wartezeit auf die Chance zum Kirchenaustritt gibt es demnach an den Amtsgerichten Duisburg-Hamborn, Werl, Lübbecke, Minden, Herne, Hagen, Lüdenscheid, Schwelm, Wetter, Lennestadt, Wipperfürth, Brakel, Delbrück, Höxter und Lippstadt. Dazwischen gibt es Dutzende Amtsgerichte mit Wartezeiten ganz unterschiedlicher Dauer.

Das benötigen Sie für den Austritt aus der Kirche

Für den Austritt aus der Kirche ist ein persönlicher Termin beim zuständigen Amtsgericht oder bei einem Notar zwingend notwendig. Eine Austrittserklärung in einfacher Schriftform ist nicht möglich. Sie kann nur höchstpersönlich abgegeben werden, auch eine Bevollmächtigung ist nicht zulässig.

Folgende Unterlagen und Informationen werden bei dem Termin benötigt:

  • gültiger Personalausweis (oder Reisepass in Verbindung mit einer aktuellen Meldebescheinigung)
  • der Familien- und Vorname, Tag und Ort der Geburt, die Adresse sowie der Familienstand sowie
  • die eindeutige Bezeichnung der Kirche, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft, aus der Sie austreten wollen
  • Ort und Kirchengemeinde/Pfarrei der Taufe (wenn bekannt)

Bei dem Termin beim Amtsgericht werden in NRW 30 Euro pro Person erhoben. Bei einem Notar-Termin muss mit zusätzlichen Kosten gerechnet werden.

Wie die Auflistung des Justizministers ergibt, ist auch die Personalausstattung für Kirchenaustritte höchst unterschiedlich: Sie reicht von jeweils nur einer Person an den Amtsgerichten Euskirchen, Königswinter, Jülich, Olpe und Rahden bis zu einem Spitzenwert von 29 mit Kirchenaustritten befassten Mitarbeitern am Amtsgericht Ibbenbüren. Trotzdem ist für das Amtsgericht in der münsterländischen Mittelstadt mindestens ein Monat Wartezeit angezeigt.

Nordrhein-Westfalens einzige Millionen-Einwohner-Stadt Köln hält drei Personen vor, damit Christen der Kirche amtlich adieu sagen können, die Landeshauptstadt Düsseldorf acht Beschäftigte. Am Amtsgericht in der Nachbarstadt Neuss - mit der Spitzenwartezeit von 3,5 Monaten - sind zwei Beschäftigte zuständig.

Allein aus der Kopfzahl ließen sich allerdings noch nicht die damit verbundenen Arbeitskraftanteile herleiten, schränkte der Justizminister ein. Teilweise seien auch Bedienstete für den Vertretungsfall nicht in der Tabelle enthalten.

Mit Blick auf die regionalen Besonderheiten und unterschiedliche Bedarfszahlen lasse sich eine landesweit einheitliche Wartezeit jedenfalls nicht erreichen, erklärte Limbach. Dass es zu abweichenden Bearbeitungszeiten komme, führe nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 2008 geklärt, dass das formalisierte Verfahren zum Kirchenaustritt „insgesamt verfassungskonform ist“. Das umfasse ausdrücklich auch die Vorgabe, wonach der Kirchenaustritt beim Amtsgericht am Wohnsitz zu erklären sei.

Welche Folgen hat ein Austritt auf ein Ehrenamt?

Manche Menschen haben gar nichts mit der Kirche am Hut, andere engagieren sich leidenschaftlich in der Gemeinschaft, zum Beispiel bei der Verteilung von Lebensmitteln. Gerade letztere haben möglicherweise Sorge, nach einem Austritt ihrem Engagement in kirchennahen Gruppen nicht mehr nachgehen zu können.

Einer Sprecherin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt Entwarnung: „Die Kirche lebt vom Engagement ihrer Mitglieder und aller Menschen, die in ihrer Kirche eine erfüllende Aufgabe finden - egal ob Mitglied oder Gast.“

Ähnlich handhabt es auch die Katholische Kirche: Eine Teilhabe bei Gottesdiensten oder in karitativen Gruppen ist kein Problem. „Vielleicht findet so auch wieder eine erste Annäherung an die Kirche statt. Denn natürlich besteht die Möglichkeit der Rückkehr und Wiederaufnahme in die Kirche“, sagt Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz.

Wie steht es nach dem Austritt um Trauung, Taufe der Kinder oder Trauergottesdienst?

Viele träumen schon seit ihrer Kindheit von einer kirchlichen Hochzeit. Anders als häufig gedacht, ist das teilweise trotz eines Austritts noch möglich: Die EKD erlaubt eine Hochzeit, solange einer der Partner noch Mitglied ist. Auch die Katholische Kirche zeigt sich offen. Laut Kopp muss zuvor eine Erlaubnis zur Eheschließungsassistenz beim Ortsordinarius eingeholt werden. „Diese setzt ein Versprechen über die Bewahrung des Glaubens und die katholische Kindererziehung voraus.“

Für frisch gebackene Eltern stellt sich oft auch die Frage, ob sie ihr Kind raufen lassen können. Auch hier erwartet die EKD, dass mindestens ein Elternteil Mitglied ist. Zwar können Pfarrerinnen und Pfarrer Ausnahmen machen, doch ein Anspruch darauf besteht nicht. Die Katholische Kirche entscheidet hier je nach Einzelfall: Die Eltern sollten prüfen, warum sie die Taufe des Kindes wünschen, während sie selbst aus der Kirche ausgetreten sind, sagt Kopp. „Hier sollte man in einem Gespräch mit den Eltern deren Motivation erörtern.“

Auch am Lebensende kann die Kirche eine wichtige Rolle spielen: Bei einem Trauergottesdienst oder der Wahl des Friedhofs. Auch hier entscheidet wieder der Einzelfall: Bei beiden Kirchen können Geistliche eine Beerdigung verweigern. Die Beisetzung auf einem evangelischen Friedhof ist laut der EKD aber „ohne Probleme möglich“, so deren Sprecherin. Bei der Katholischen Kirche ist auch hier eine Absage möglich. Nähere Details müssen letztlich mit der Pfarrgemeinde abgesprochen werden.

Ist die Kindergarten- oder Schulauswahl nach dem Austritt begrenzt?

Zwar stehen hinter vielen Kindergärten und Schulen die großen Kirchen, doch die fehlende Konfession der Eltern ist hier kein Hindernis. „Kirchliche Schulen stehen allen Interessierten offen“, so die EKD-Sprecherin. Gleiches gilt auch für katholische Einrichtungen.

Welche Auswirkungen hat ein Austritt auf den Beruf?

Auch hinter einigen Arbeitgebern - zum Beispiel Krankenhäuser oder Kitas - kann eine der großen Kirchen stehen. Fachkräfte, die sich trotz eines Austritts bei einem evangelischen Arbeitgeber bewerben möchten, müssen keine Konsequenzen fürchten, solange sie die religiösen Grundsätze unterstützen.

Bei der Katholische Kirche sieht das anders aus: Sie versteht einen Austritt als „Distanzierung von der Kirche“, so Kopp. Bei einem Einstellungs- und Weiterbeschäftigungsverfahren müssen daher die Gründe und die „erforderliche Identifikation mit den Zielen und Werten der Einrichtung“ überprüft werden.

Wie viel Geld lässt sich durch einen Austritt sparen?

Finanzielle Aspekte können gerade in Zeiten hoher Inflation ein Grund für einen Austritt sein. Während man in Bayern und Baden-Württemberg acht Prozent Kirchensteuer zahlt, müssen Bürger anderer Bundesländer mit neun Prozent tiefer in die Tasche greifen. „Wenn keine Kinder zu berücksichtigen sind, ist die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer die im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Einkommensteuer“, erklärt Steuerberaterin Andrea Feuchtgruber. Weil diese bei jedem Steuerpflichtigen anders ausfällt, ist auch die Höhe der Kirchensteuer individuell.

Auf der anderen Seite ist die Kirchensteuer selbst in voller Höhe als Sonderausgabe steuerlich abzugsfähig. Sie mindert also am Ende des Jahres bei Abgabe einer Steuererklärung die Steuerlast. Mit dem Austritt fällt also nicht nur die Kirchensteuer, sondern auch diese Steuerentlastung weg.

Und was, wenn ich es mir nach dem Austritt anders überlege?

Wer glaubt, mit dem Austritt einen Fehler gemacht zu haben, kann diesen durch den Wiedereintritt rückgängig machen. Die EKD rät, sich dafür an die zuständige Pfarrerin oder den zuständigen Pfarrer der Gemeinde zu wenden. Eine Anlaufstelle für den Wiedereintritt finden Interessierte zudem im Netz.

Bei der katholischen Kirche beginnt die Versöhnung mit einem Seelsorger-Gespräch. Unter www.katholisch-werden.de/wiedereintritt können Ausgetretene eine Anlaufstelle in ihrer Nähe finden.

(dtm/boot/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort