Kommunen in NRW Armes Duisburg, reiches Düsseldorf

Düsseldorf · Beide Kommunen sind wirtschaftlich betrachtet Ober- und Unterstadt. Während die Suche nach der "neuen Armut" häufig im Ruhrgebiet endet, ist Düsseldorf gut aufgestellt. Doch der Kommunal-"Soli" gefährdet Kooperationen.

Region: Diese Städte profitieren ab 2014 vom "Kommunal-Soli"
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Foto: dpa, Federico Gambarini

Seit mehr als 100 Jahren verkehrt die Stadtbahnlinie 79 zwischen Düsseldorf und Duisburg. Lange stand nicht fest, ob die Züge schon bald an den Stadtgrenzen umkehren müssen. Der Brandschutz und die Zugsicherung in den Wagen waren veraltet. Die reiche Landeshauptstadt hätte das Problem beheben können, die Schuldenstadt im Ruhrgebiet nicht.

Heilsbringer ist nun der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Er hat zugesichert, 80 Prozent der anfallenden Kosten von rund 32 Millionen Euro zu übernehmen. Tausende Pendler können aufatmen. Doch an einer Sache ändert das nichts: Wenn die U 79 die Stadtgrenze überquert, passiert sie eine unsichtbare Trennlinie zwischen Ober- und Unterstadt der Wirtschaftskraft.

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Düsseldorf und Duisburg: Beide Städte liegen am Rhein und sind kreisfrei. Düsseldorf hat den Medienhafen, Duisburg den größten Binnenhafen Europas. In den 50er Jahren war Duisburg reicher als Düsseldorf, 1956 gründeten beide die Deutsche Oper am Rhein. Fast 60 Jahre später klafft zwischen beiden Städten eine große Lücke. Denn Düsseldorf ist (noch) schuldenfrei, Duisburg belasten rund 2,2 Milliarden Euro. Die Arbeitslosenquote in der Landeshauptstadt beträgt 8,8 Prozent, in Duisburg 13,4 Prozent. Düsseldorf gilt als Weltstadt mit Flair, im Ruhrgebiet wollte der ehemalige Oberbürgermeister von Düsseldorf, Dirk Elbers (CDU), nicht einmal "tot überm Zaun hängen".

Düsseldorf zweitproduktivste Stadt in Deutschland

Düsseldorf geht es gut. Das liegt an der hohen Wirtschaftskraft (und dem Sitz mehrerer Dax-Unternehmen) und daran, dass die Landeshauptstadt schon vor Jahren ihre RWE-Aktien verkauft hat. Mit dem Erlös wurden Schulden getilgt, was Handlungsspielraum etwa beim Bau von Infrastruktur für die Industrie gab. Das Ergebnis sind Gewerbesteuereinnahmen von rund 866 Millionen Euro jährlich. Mit einer wirtschaftlichen Jahresleistung von rund 82.500 Euro je Erwerbstätigem ist Düsseldorf auch die zweitproduktivste Großstadt in Deutschland.

Trotzdem klafft auch im Düsseldorfer Haushalt ein Loch von fast 200 Millionen Euro — bei einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden. Viele Düsseldorfer stört das nicht. Sie sind stolz auf ihre Stadt. 95 Prozent von ihnen sind zufrieden, in der Landeshauptstadt zu leben, wie eine aktuelle Umfrage des Amts für Statistik und Wahlen ergab. Dass sich viele Anwohner in Angermund, dem Stadtteil im Norden, der 1975 Düsseldorf zugeschlagen wurde, heute noch über die Duisburger Vorwahl 0203 ärgern, ist Realität.

Denn die Ruhrgebietsstadt steht mittlerweile bundesweit für die Zuwanderung von Ausgegrenzten aus Bulgarien und Rumänien. Doch wer tiefer blickt, dem kommt auch das satte Grün des Duisburger Waldes in den Sinn; die Sechs-Seen-Platte, rheinische Industriekultur der Extraklasse. "Duisburg ist das Barmädchen im Saloon. Sie hat einen zweifelhaften Ruf, aber ein goldenes Herz", schrieb die deutsch-türkische Autorin Hatice Akyün. Die goldenen Zeiten, als nach dem Krieg der Stahl boomte und Duisburg im Wirtschaftswunderland das höchste Steueraufkommen pro Bürger bundesweit erreichen konnte, werden so aber nicht mehr wiederkehren.

Duisburg — "eine einzigartige Mischung"

Die Immobilienpreise sind in vielen Duisburger Stadtteilen deutlich moderater als in Wittlaer. Gewerbeflächen und -immobilien in der Ruhrgebietsstadt sind im Gegensatz zu anderen Großstädten bezahlbar. Schon lange macht sich Duisburg als Büro- und Callcenter-Standort einen Namen. Und auch ein Stadtteil wie Bruckhausen, in dem Sönke Wortmann Szenen für seinen Film "Das Wunder von Bern" gedreht hat, soll schöner werden — genauso wie Marxloh und Beeck.

Künftig wird der Besucher auf der einen Seite das Thyssen-Werk, auf der anderen eine grüne Landschaft vorfinden. 2008 ging das Grüngürtelprojekt an den Start. Hunderte Häuser entlang der Straße, die das Werk von dem Wohnviertel trennt, wurden bislang abgerissen. Noch in diesem Jahr werden neue Flächen mit Rasen eingesät, mehr als 500 Bäume und Sträucher gepflanzt.

"In Duisburg treffen sich Niederrhein und Revier, Natur und Industriekultur — eine einzigartige Mischung", sagt der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD). Trotzdem müsse die Stadt mehr aus ihren Stärken machen. "Da arbeitet Düsseldorf sicher professioneller als wir, hat als finanzstarke Landeshauptstadt allerdings auch höhere Mittel für professionelle Kommunikation und aktives Marketing", betont Link.

Für seinen Düsseldorfer Partei- und OB-Kollegen Thomas Geisel hat er ein paar nette Worte parat: Geisel sei "verständnisvoller, solidarischer und verantwortungsbewusster" als Dirk Elbers. Der CDU-Politiker hatte eine Klage gegen den sogenannten Kommunal-"Soli" vorangetrieben, der die ärmeren Städte mit jährlich rund 90 Millionen Euro unterstützen soll. Und das heißt: Das reiche Düsseldorf muss für das arme Duisburg zahlen. Auch Geisel befürwortet die Klage.

"Soli" fürs Ruhrgebiet lehnt Link ab

Nach Ansicht der Kommunen, die zahlen sollen, ist der "Soli" nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Mit einer Klage soll das von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) initiierte Gesetz gestoppt werden. Entschieden wird frühestens 2016. Bis dahin ist die Solidarität vieler NRW-Kommunen in Gefahr.

Link zeigt Verständnis für seine Nachbarstadt: "Es ist das Recht einer jeden Kommune, vor Gericht zu ziehen, wenn eigene Rechte tangiert zu sein scheinen." Dennoch setzt er darauf, dass die vom Volk gewählten Vertreter die gerechtere Finanzausstattung "solidarisch lösen". Einen "Soli" für das Ruhrgebiet lehnt Link ab: "Das hat auch was mit unserem Selbstverständnis im Ruhrgebiet zu tun. Es geht um die Würde unserer Städte, und nicht um Almosen."

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass nicht wenige Gemeinden ihre Finanzmisere zum Teil selbst verschuldet haben. Den Mangel vor Ort bekommen am Ende die Bürger zu spüren. In Duisburg. Und irgendwann bestimmt auch in Düsseldorf.

(RP)
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