Nach Anschlag in Straßburg Polizei sieht NRW-Weihnachtsmärkte gut gerüstet

Düsseldorf · Nach dem Anschlag in Straßburg planen die NRW-Städte keine Änderung ihrer Sicherheitskonzepte. Städte und Veranstalter haben bereits viele Millionen Euro in die Sicherung der Weihnachtsmärkte investiert. Das reiche aus, meint die Polizei.

 Polizisten laufen über einen Weihnachtsmarkt (Archivbild).

Polizisten laufen über einen Weihnachtsmarkt (Archivbild).

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg hat bislang keine Auswirkungen auf die hiesigen Märkte. „Wir haben unsere Polizeibehörden schon vor Beginn der Weihnachtszeit angewiesen, deutlich mehr sichtbare Präsenz zu zeigen“, sagt ein Sprecher von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Dies sei auch umgesetzt worden. Demnach gibt es derzeit keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne in NRW, gleichwohl eine abstrakt hohe Gefahr. „Wir werden das ganz genau beobachten, wie sich die Lage weiter entwickelt“, betont der Sprecher. Wenn es erforderlich sein sollte, werde aber selbstverständlich auf eine veränderte Sicherheitslage reagiert. Es gebe bislang keine Hinweise auf einen Bezug der Straßburger Schüsse zu NRW.

Die Städte in NRW haben zusammengerechnet bereits viele Millionen Euro in den Schutz ihrer Weihnachtsmärkte gesteckt. Insbesondere seit dem Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt vor zwei Jahren ist massiv aufgerüstet worden. Zufahrtsstraßen werden zum Beispiel mit mobilen und festen Sperren vor Anschlägen mit Lastwagen geschützt. An den Zufahrtsstraßen zum Bochumer Weihnachtsmarkt stehen sogenannte Mifram-Sperren, die auch die israelische Armee einsetzt. Die Metall-Barrieren können selbst schwerste Lastwagen stoppen. Neben Polizei schützen vielerorts auch noch Sicherheitsdienste die Märkte.

Sven Tusch hat einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt in Mönchengladbach. „Für uns Aussteller in Deutschland hat sich durch Straßburg jetzt nichts verändert. Wir sind sehr gut geschützt, die Behörden wissen, was sie tun, und haben viel für die Sicherheit unternommen. Und das kommt so auch bei den Besuchern des Weihnachtsmarktes an.“

Auch bei Besuchern in Düsseldorf zeigt der Anschlag kaum Auswirkungen. „Angst habe ich nicht“, sagt Henrietta Weithorn, die den Markt besucht. „Aber natürlich macht man sich seine Gedanken und hat diese Geschehnisse im Hinterkopf.“

Die Bundespolizei in Aachen hat ihre Kontrollmaßnahmen in der Grenzregion zu Belgien etwas erhöht. „Wir haben mehr Personal mobilisiert als sonst, um die Grenze zu kontrollieren“, sagt ein Sprecher der Bundespolizei. Die Grenze sei aber offen und frei. „Wir haben Erkenntnisse über Fahrzeuge, nach denen wir Ausschau halten“, betont er. Kontrollen fänden sowohl auf der Straße als auch in den Zügen statt. „Uns liegen aber Informationen vor, dass sich der Gesuchte derzeit ganz woanders aufhält und womöglich bald gefasst werden kann“, sagt der Sprecher.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) warnt nach dem Terroranschlag in Straßburg vor möglichen Nachahmungstätern. „Die Gefahr besteht in solchen Fällen immer, dass plötzlich einer eine Kurzschlusshandlung begeht. Wir hoffen aber natürlich, dass es nicht dazu kommen wird“, sagt Erich Rettinghaus, Landeschef der DPolG in NRW. Er betont, dass alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Terroranschlägen in NRW bereits getroffen worden seien – und man deshalb derzeit nichts erhöhen müsste. „Die Weihnachtsmärkte sind so gut es geht gesichert. Es besteht ja schon seit längerer Zeit eine latente und abstrakte Anschlagsgefahr“, sagt Rettinghaus. „Wir hoffen, dass er schnell gefasst wird. Man kann aber nicht ausschließen, dass er nicht plötzlich in NRW auftaucht. Bei den vergangenen Anschlägen gab es immer Verbindungen nach NRW“, sagt Rettinghaus.

Michael Mertens, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) meint ebenfalls, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Attentäter in NRW auftauchen könnte. „Das kann passieren“, sagt Mertens. Grundsätzlich sollte man wegen der Terrorgefahr bei Besuchen von Weihnachtsmärkten und ähnlichen Veranstaltungen wachsam sein. „Und im Verdachtsfall soll man lieber einmal zu viel als zu wenig die Polizei anrufen. Trotzdem dürfen wir uns die Freude an solchen Festen nicht kaputtmachen lassen. Denn genau das wollen die Terroristen erreichen“, betont Mertens. Mit Blick auf die sogenannten Gefährder in NRW, von denen ein Anschlagsrisiko ausgehen könnte, erklärt Mertens: „Die werden nicht nur wegen des Anschlags in Straßburg genau unter die Lupe genommen, sondern die werden ständig genauesten beobachtet.“

In NRW führen die Sicherheitsbehörden rund 270 Gefährder, etwa 110 von ihnen gelten als „aktionsfähig“, das heißt, sie sind auf freien Fuß. „Die anderen können sich zum Beispiel im Ausland aufhalten oder sind im Gefängnis“, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Polizei stuft einen Islamisten als „Gefährder“ ein, wenn dieser Person zugetraut wird, politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung zu begehen. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der als Gefährder eingestuften Islamisten deutlich angestiegen. Ende 2014 lebten in NRW 72 Personen mit diesem Status, Ende 2015 waren es 157, Ende 2016 schon 209 und Ende 2017 dann 251 Personen. Bislang sind in NRW in diesem Jahr mindestens fünf Gefährder in ihr Herkunftsland abgeschoben worden. In vielen Fällen ist eine Abschiebung laut Innenministerium nicht möglich, weil etwa 60 Prozent der als „aktionsfähig“ eingestuften Gefährder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

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