Anschlagspläne in Düsseldorf Mitglied der IS-Zelle lebte zehn Monate lang in Kaarst

Düsseldorf · Vier Syrer wollten nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden möglichst viele Menschen in der Düsseldorfer Altstadt töten - ein Szenario wie im November in Paris. Ihre Aufträge bekamen die Verdächtigen von der Führung der Terrormiliz in Syrien.

 In diesem Heim lebte Saleh A..

In diesem Heim lebte Saleh A..

Foto: Berns, Lothar

Die Sicherheitsbehörden haben nach eigenen Angaben einen Anschlag des Islamischen Staats (IS) in der Düsseldorfer Altstadt vereitelt. Drei Terrorverdächtige aus Syrien wurden gestern festgenommen, einer davon in NRW, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte. Nach Medienberichten hielten sich alle drei Festgenommenen in Flüchtlingsheimen auf. Ein vierter Mann sitzt seit Februar in Frankreich in Untersuchungshaft.

Drei Festgenommene aus Syrien

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft bekamen zwei der Verdächtigen bereits 2014 in Syrien von der Führungsebene des IS den Auftrag für den Anschlag. Das Szenario erinnert an die Anschläge von Paris im November: Zwei Männer sollten sich auf der Heinrich-Heine-Allee in die Luft sprengen; "anschließend sollten weitere Attentäter möglichst viele Passanten mit Gewehren und weiteren Sprengsätzen töten".

Die drei Festgenommenen sind syrische Staatsbürger: Hamza C. (27), Mahood B. (25) und Abd Arahman A.K. (31). B. wurde nach Angaben der "Bild"-Zeitung in Mülheim an der Ruhr festgenommen, A.K. in Leimen bei Heidelberg und C. in Bliesdorf, einer Kleinstadt im Oderbruch. Dort wurde er nach Angaben des Landkreises im September 2015 registriert. Er habe einen Asylantrag gestellt, über den noch nicht entschieden sei. Im Landratsamt hieß es, der Mann sei fünf Monate verschwunden gewesen und erst am Mittwoch wieder aufgetaucht.

Im Haftbefehl wird den drei Männern vorgeworfen, sich zu einem Verbrechen verabredet zu haben. Sie sollen Mitglieder oder Unterstützer des IS gewesen sein. A.K. soll zudem der islamistischen Al-Nusra-Front angehört haben. Saleh A. (25), der in Frankreich inhaftiert ist, und C. seien im Mai 2014 in die Türkei und im März und Juli 2015 von dort getrennt über Griechenland weiter nach Deutschland gereist - laut "Spiegel" über die Balkanroute. Den in NRW festgenommenen B. hätten sie spätestens im Januar 2016 davon überzeugt, sich zu beteiligen; zudem habe A. im Januar 2016 Kontakt zu A.K. aufgenommen, der in Syrien Sprengwesten gebaut habe und seit 2014 in Deutschland lebte. A. habe sich am 1. Februar in Paris den Behörden offenbart. Die Bundesanwaltschaft bemühe sich um die Auslieferung des Mannes, gegen den sie einen Haftbefehl erwirkt habe. Nach Informationen unserer Redaktion lebte er zehn Monate lang in einem Flüchtlingsheim in Kaarst.

Die Düsseldorfer Polizei wurde nach eigenen Angaben schnell über die Aussage von A. informiert und zog daraus Konsequenzen. Bereits beim Straßenkarneval Anfang Februar habe man von den Plänen gewusst, sagte Polizeipräsident Norbert Wesseler: "Wir waren von Anfang an in die Ermittlungen eingebunden." Seine Dienststelle habe nicht nur maßgeblich dazu beigetragen: "Alles, was wir erfuhren, ist in unser laufend aktualisiertes Sicherheitskonzept eingeflossen."

"Erhöhte Anzahl von Hinweisen"

Laut Bundesanwaltschaft hatten die Männer noch nicht mit der Umsetzung der Tat begonnen. Die Festnahmen stünden auch nicht im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich, die in einer Woche beginnt. Dass der Zugriff kurz vor dem Turnier erfolgte, legt aber nahe, dass die Behörden ein Signal in die Islamisten-Szene senden wollten. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte vergangene Woche gesagt, derzeit gebe es eine "erhöhte Anzahl von Hinweisen" auf Anschlagspläne sowie Aufforderungen des IS an Islamisten, in Europa Anschläge zu begehen.

Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums hat sich die Gefährdungslage nicht verändert. "Deutschland befindet sich wie andere europäische Staaten im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus", sagte ein Sprecher. Von "relativer Sicherheit" sprach der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert: "Hundertprozentigen Schutz gibt es nie."

Der NRW-Verfassungsschutz geht für den islamischen Fastenmonat Ramadan (6. Juni bis 5. Juli) von einer verschärften Sicherheitslage aus. Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte an, mit Blick auf Großereignisse zu prüfen, "ob alles Erdenkliche getan worden ist, um solche Veranstaltungen so sicher wie nur möglich zu machen". In Düsseldorf wird im August das 70-jährige Bestehen des Landes Nordrhein-Westfalen gefeiert. Dann werden eine Million Besucher erwartet. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel kündigte an, er werde trotzdem während der EM zum Public Viewing gehen.

Die Union im Bundestag dringt auf die schnelle Verabschiedung neuer Gesetze. Die Behörden arbeiteten "gewissenhaft und gut vernetzt", sagte Innenexperte Stephan Mayer (CSU): "Umso wichtiger ist es, dass wir schnell die Beratungen zum neuen Anti-Terror-Paket voranbringen, weil dadurch insbesondere die internationale Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz erleichtert werden soll."

(RP)
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