Erfolgreiches Vorbild in Niedersachsen Bald anonyme Tierklappen in NRW?

Dortmund · Im niedersächsischen Peine können Halter ihr Tier unerkannt über eine Klappe ans Heim übergeben. Die Zahl ausgesetzter Vierbeiner sank in dem Gebiet damit auf null. Auch in Dortmund wird nun über ein solches Projekt nachgedacht. Die Idee hat aber auch Schattenseiten.

 Die Tierklappe in Peine mit Boxen für Hunde, Katzen und Kleintiere.

Die Tierklappe in Peine mit Boxen für Hunde, Katzen und Kleintiere.

Foto: Tierheim Peine

Die ersten sechs Monate des vergangenen Jahres waren für Heike Brakemeier eine Katastrophe. Immer wieder musste die Leiterin des Tierheims Peine in Niedersachsen mit ihrem Team ausrücken, um ausgesetzte Kaninchen, Meerschweinchen, aber auch Hunde und Katzen einzufangen. Bei etlichen Vierbeinern kam sie zu spät, sie waren bereits verendet. Bis Brakemeier im August auf die Idee kam, eine Klappe an ihrem Heim einzurichten, in der Halter ihr Tier anonym abgeben können, äquivalent zur Babyklappe in vielen Krankenhäusern. „Seither hatten wir in unserem Einzugsbereich kein einziges ausgesetztes Tier mehr“, sagt sie. Der Erfolg dieses bislang in einer städtischen Einrichtung einzigartigen Projekts könnte bald Nachahmer in NRW finden: Auch in Dortmund wird über eine solche Klappe nachgedacht. Aber die Idee ist nicht unumstritten. 

 „Wir sehen das durchaus kritisch“, sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund NRW. Grundsätzlich sei es besser, wenn die Besitzer eines Tieres dies dem Personal eines Heimes übergeben, weil sie dann auch etwas über die Vorgeschichte ihres Schützlings erzählen könnten. Außerdem könne es sich traumatisierend auf die Vierbeiner auswirken, wenn sie mitten in der Nacht in eine Klappe gesteckt würden. „Den Haltern wird es damit sehr leicht gemacht, sich der Situation und ihrer Verantwortlichkeit zu entziehen, außerdem umgehen sie die Gebühren, die bei der Abgabe in vielen Heimen fällig werden“, argumentiert Schmitz. Allerdings handelt es sich dabei meist um kleinere Beträge im niedrigen oder mittleren zweistelligen Bereich, je nach Tier. 

 Zwar fehlen auch in Peine die Einnahmen, dies werde aber dadurch aufgewogen, dass die personal- und zeitintensive Suche und Jagd nach ausgesetzten Tieren weggefallen sei. Um die Vierbeiner nicht unnötig zu ängstigen, werden alle Boxen in Peine – es gibt eine für Hunde, eine für Katzen und eine für Kleintiere – per Video überwacht. „Wir unterhalten rund um die Uhr einen Bereitschaftsdienst und sind innerhalb von zehn Minuten vor Ort, um die Tiere zu versorgen“, sagt Brakemeier. Deshalb steht auch kein Futter in den Käfigen. Das Angebot wurde bislang so gut angenommen, dass die Klappe im Dezember für zwei Wochen geschlossen werden musste, weil es keine Kapazitäten mehr im Heim gab. Auch aktuell sind die Boxen nicht nutzbar. „Wir öffnen aber auf jeden Fall wieder“, sagt Brakemeier. 

 Insgesamt wurden in Peine von August bis Mitte Januar 129 Tiere über die Klappe abgegeben, davon 38 Hunde, 51 Katzen und 40 Kleintiere. Das seien nicht mehr als normalerweise in diesem Zeitraum, sagt Brakemeier, die Möglichkeit habe also nicht dazu geführt, dass mehr Menschen ihr Tier loswerden wollten, nur der Weg wurde Richtung Heim kanalisiert. „Darunter waren aber auch vier bissige Hunde, die wir bei einem Gespräch mit dem Halter sicher nicht aufgenommen hätten“, sagt die Tierheim-Leiterin. Und in einer Nacht wurden einfach 19 Katzen in Körben auf den Stufen des Heims abgeladen, auch das eine unschöne Erfahrung. Unterm Strich aber ist Brakemeier von der Sinnhaftigkeit der Klappe überzeugt. Auch Lea Schmitz vom Tierschutzbund sieht bei aller Kritik den großen Vorteil einer Klappe, weil dadurch weniger Tiere irgendwo unversorgt am Straßenrand landen. Generell sei schon zu spüren, dass nach dem Verkaufsboom bei Heimtieren zu Beginn der Pandemie nun vermehrt Vierbeiner abgegeben würden – vor allem große, oft problematische Hunde und Kleintiere, die zur Bespaßung der Kinder angeschafft wurden. 

 Blick in eine Box hinter der Tierklappe.

Blick in eine Box hinter der Tierklappe.

Foto: Tierheim Peine

 Grundsätzlich anfreunden mit der Idee einer Tierklappe kann sich auch Monika Piasetzky, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Düsseldorf, nur seien die baulichen Voraussetzungen im Tierheim dafür nicht ideal. „Ich bin aber hundertprozentig dafür“, sagt Piasetzky, denn das Wohl des Tieres rangiere bei ihr vor dem Wunsch, dass die Halter so viel Charakter zeigen, ihren Schützling selbst im Heim abzuliefern. Allerdings müsste bei der Abgabe auch gewährleistet sein, dass Infos über das Tier mitgegeben würden. In Peine liegen eigens Zettel in den Boxen, um dort Angaben zum Vierbeiner zu machen. Fehlende Informationen zu Gesundheitszustand und Vorgeschichte des Tieres nennt auch Sylvia Terweiden, die Leiterin des Dortmunder Tierschutzzentrums, als einen Grund, warum sie der Einrichtung einer Klappe kritisch gegenübersteht. Die Tierschutzpartei Dortmund will das Thema zur Abstimmung in den Rat einbringen. „Durch die Nutzung einer Tierklappe entziehen sich Tierhalterinnen und Tierhalter ihrer Verantwortung gegenüber dem eigenen Tier“, sagt Terweiden. Stattdessen würde sie lieber gemeinsam mit Haltern nach Alternativen für einen plötzlich unliebsamen Vierbeiner suchen – darunter möglicherweise auch die Aufnahme im Tierheim.

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