Abgeschlossener Airport-Bereich So funktioniert das Abschiebe-Terminal am Düsseldorfer Flughafen

Düsseldorf · Schon 51 Sammelabschiebungsflüge hat es in diesem Jahr am Düsseldorfer Flughafen gegeben. Im Durchschnitt sind nur die Hälfte der angemeldeten Personen an Bord. Die anderen haben sich der Abschiebung entzogen.

 In der Maschine sitzen 45 Mazedonier und 53 Serben. Der Name der Airline wurde unkenntlich gemacht, weil sie laut Bundespolizei nicht mit Abschiebungen in Verbindung gebracht werden möchte.

In der Maschine sitzen 45 Mazedonier und 53 Serben. Der Name der Airline wurde unkenntlich gemacht, weil sie laut Bundespolizei nicht mit Abschiebungen in Verbindung gebracht werden möchte.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Im Minutentakt fahren am Flughafen Düsseldorf kleinere und größere Busse vor. Sie kommen aus ganz Nordrhein-Westfalen. Und an diesem Morgen sogar aus Hamburg und Niedersachsen. Sie halten hinter einem schwer bewachten Tor am sogenannten Modul F des Flughafens, auch Notfall-Gate oder Sonder-Gate genannt, abseits der großen Terminals. Es sind zum Großteil junge Familien, die aussteigen, die meisten sehr kinderreich. Bundespolizisten nehmen sie in Empfang, helfen ihnen mit dem Gepäck. Es sind Männer, Frauen und Kinder mit serbischer oder mazedonischer Staatsangehörigkeit, für die in Deutschland kein Platz mehr zu sein scheint, obwohl manche schon seit den Balkankriegen der 90er Jahre hier sein sollen. Nun aber müssen sie zurück. Sie werden abgeschoben. Für manche in ein Land, das für sie fremd ist. Denn ihre Heimat, das ist für viele von ihnen längst Deutschland.

Täglich werden am Düsseldorfer Flughafen Menschen in Maschinen gesetzt, die keine Aufenthaltserlaubnis mehr für Deutschland besitzen und abgeschoben werden. Meistens handelt es sich um sogenannte Einzelmaßnahmen, bei denen einzelne Ausreisepflichtige in Begleitung weniger Bundespolizisten in normalen Linienflügen mit anderen Passagieren in ihre Heimat zurückgebracht werden. Hinzu kommen die Sammelabschiebungen, die unregelmäßig ein- bis zweimal die Woche stattfinden und derzeit meist nach Belgrad (Serbien), Pristina (Kosovo), Tirana (Albanien) oder Skopje (Mazedonien) gehen. Sie fliegen getrennt von normalen Fluggästen in Chartermaschinen. In diesem Jahr bis Ende Oktober gab es schon 51 Flüge ab Düsseldorf.

Vom Airport Köln/Bonn startete im selben Zeitraum nur ein Charterflug nach Pakistan. „Bei uns gibt es eigentlich nur Einzelmaßnahmen mit normalen Linienflügen“, sagt ein Sprecher der dortigen Bundespolizei. Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind von Köln aus 157 Menschen abgeschoben worden, von Düsseldorf aus sind es 2668 Menschen gewesen – und damit 279 mehr als im ersten Halbjahr 2017.

Es ist ein kleiner Flughafen im Flughafen, zu dem die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Im Sonder-Gate ist alles genauso angeordnet wie an normalen Terminals, nur eben etwas kleiner. Es gibt einen „Check-In“-Schalter, an dem der Personenabgleich erfolgt und die die Dokumente auf ihre Echtheit und Gültigkeit geprüft werden. Es gibt die Personen- und Gepäckkontrolle mit einem Band, auf dem die Rückzuführenden ihre Koffer stellen müssen. Und es gibt einen Wartebereich mit Sitzplätzen, in dem sie Platz nehmen können, bis ihr Flug aufgerufen wird. Ein Arzt, der auch mitfliegt, bestätigt den Rückzuführenden das sogenannte „fit for fly“. „Wenn jemand ein Medikament benötigt oder erkrankt ist, schaut er nach, ob die Reisetauglichkeit gegeben ist. Wir wollen kein Risiko eingehen und einen medizinischen Notfall an Bord vermeiden“, sagt Polizeihauptkommissar Norbert Hillenbrand, der seit 19 Jahren bei Abschiebungen dabei ist. Die Beamten melden sich freiwillig für diesen Dienst.

Charterflüge nach Mazedonien und Serbien verlaufen in der Regel ohne größere Störungen. „Man muss schon sagen: Bei Balkanstaaten sind es viele Familien, da ist es ruhiger, entspannter“, sagt Anne Kister, Sprecherin der Bundespolizei am Düsseldorfer Flughafen. Die vielen kleinen Kinder wüssten meist nicht, was vor sich gehe. „Sie werden von uns mit kleinen Kuscheltieren aufgemuntert und abgelenkt, damit sie möglichst nichts mitbekommen“, sagt sie. Wesentlich unangenehmer seien Charter nach Afrika, weil dorthin überwiegend allein reisende junge Männer abgeschoben werden. „Das ist für Kollegen viel anstrengender, weil 95 Prozent von denen gar nicht in ihr Heimatland zurückwollen. Die haben den weiten Weg nach Europa gemacht und müssen jetzt wieder zurück. Sie wehren sich mit Händen und Füßen“, sagt Kister. Es gebe schon Nationalitäten, die sich aggressiver verhielten. Georgier, Armenier oder Afrikaner zum Beispiel. „Es gibt halt Typen, die sind einfach ein bisschen impulsiver, weniger geduldig“, sagt die Bundespolizistin. Aber dafür habe sie Verständnis, schließlich könne sie die Beweggründe nachvollziehen. „Aber es ist nun mal unsere Aufgabe, sie in den Flieger zu setzen und nach Hause zu bringen. Auch wenn das ein bisschen hart klingt“, sagt Kister.

Koordiniert werden die Abschiebeflüge bei der Bundespolizei in Potsdam, im sogenannten Referat 25. Dort wird festgelegt, wer wann über welchen Flughafen in Deutschland abgeschoben wird. Sobald die Ziele feststehen, erfolgen europaweite Ausschreibungen, auf die sich die Airlines bewerben können. Das sei ein lukratives Geschäft für die Gesellschaften, sagt Hillebrand. Wie viel Geld die Airlines mit einem Charter verdienen, will er zwar nicht sagen. „Aber es lohnt sich schon für sie.“ Die Fluggesellschaften selbst gehen damit nicht hausieren – aus Imagegründen.

Die Bundespolizei, darauf legt sie großen Wert, sei bei den Abschiebungen nur das durchführende Organ. „Wir haben nichts mit dem Entscheid zu tun. Das ist alles schon vorher gelaufen“, sagt Kister. Zunächst entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf, ob ein Migrant in seinem Heimatland verfolgt wird oder nicht und erteilt dementsprechend einen Aufenthaltstitel oder eben keinen. Was dann mit dem abgelehnten Asylbewerber geschieht, ist Sache der Länder beziehungsweise der Städte und Kreise. Damit fällt die Verantwortung in die Zuständigkeit der Ausländerämter.

Und die Mitarbeiter dieser Behörden kommen meist in den frühen Morgenstunden. Immer dann, wenn die meisten Menschen, die abgeschoben werden sollen, noch schlafen. Man möchte möglichst wenig Aufsehen erregen. Die Menschen hinter den Türen, an denen die Beamten schellen, wissen manchmal nicht, dass sie an diesem Tag in ihre Herkunftsländer zurückkehren. „In manchen Fällen wird das genaue Datum nicht mitgeteilt“, sagt ein Mitarbeiter einer lokalen Ausländerbehörde, der anonym bleiben möchte. Das sei immer dann der Fall, wenn die betroffene Person an ihrem geplanten Abschiebetag zuvor schon mehrmals nicht angetroffen werden konnte.

Viel Zeit bleibt den meisten nicht, um zu packen. In manchen Fällen muss ein ganzes Leben in einen Koffer passen, viel mehr als 20 Kilogramm an Gepäck darf nicht mitgenommen werden. Dann wird alles in den Kleinbus geladen, der draußen vor der Tür wartet und zum Flughafen fährt. In Düsseldorf erwartet die Bundespolizei an diesem Tag rund 130 Personen, am Ende werden es aber nur 45 Mazedonier und 53 Serben sein. „Man weiß nie genau, wie viele der Personen wirklich kommen. Im Durchschnitt sind es nur rund 50 Prozent“, sagt Kister. Die anderen seien wohl nicht da gewesen, als man sie abholen wollte. Beim nächsten Mal werden sie nicht mehr vorher informiert.

Im Wartebereich des Sonder-Gates ist es ruhig. Väter und Mütter sitzen dort mit Kindern auf dem Schoß, ein junger Mann schaut aufs Rollfeld. Neben ihm streiten zwei Kinder um eine Stoffpuppe. Nach und nach füllt sich der Raum. Immer mehr Menschen nehmen Platz. Niemand macht den anwesenden Bundespolizisten Vorwürfe. Die meisten haben wohl resigniert. „Wir versuchen alles so menschenwürdig wie möglich zu gestalten“, sagt Hillenbrand. „Wir haben hier nichts zu verstecken, auch wenn man uns das immer wieder vorwirft.“

Die Abschiebungen würden bewusst abseits des öffentlichen Betriebs durchgeführt. „Es gibt viele, die sich dafür schämen. Die nicht möchten, dass andere sehen, dass man jetzt abgeschoben wird.“ Deshalb sollen die Betroffenen von Außenstehenden auch nicht angesprochen werden. Die Abschiebebeobachter von der Menschenrechtsorganisation „Human Rights“ und der Düsseldorfer Diakonie sähen das nicht gerne, sagt Hillenbrand. „Außerdem wollen die meisten das ohnehin nicht.“

Die Maschine nach Mazedonien und Serbien hebt planmäßig ab. Bereits am Abend wird sie zurück sein. Am nächsten Tag folgt der nächste Charter Richtung Balkan.

(csh)
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