Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Ex-Bin-Laden-Leibwächter soll nach Deutschland zurückgeholt werden

Düsseldorf · Die Abschiebung des Ex-Leibwächters von Osama bin Laden nach Tunesien soll nach einer Gerichtsentscheidung rückgängig gemacht werden. Die Abschiebung von Sami A. sei „grob rechtswidrig und verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien", teilte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit.

 Blick in eine Abschiebehafteinrichtung. (Archiv)

Blick in eine Abschiebehafteinrichtung. (Archiv)

Foto: dpa/Arne Dedert

Sami A. wurde am Freitag aus Deutschland abgeschoben und den Behörden in Tunesien übergeben worden, wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittag sagte. Er sei in Begleitung von vier Bundespolizisten außer Landes gebracht worden. Nach seiner Ankunft in Tunesien sei er umgehend in Gewahrsam genommen, sagte ein Sprecher der tunesischen Anti-Terror-Staatsanwaltschaft. Er begründete das damit, dass Sami A. ein früherer Leibwächter von Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden sei. Die deutschen Sicherheitsbehörden stufen den Tunesier als islamistischer Gefährder ein.

Über eine Abschiebung von Sami A. wird seit vier Jahren gestritten. Erst am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass er vorerst nicht abgeschoben werden darf. Über das Abschiebeverbot hatte das Gericht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) am Freitagmorgen informiert. Die Entscheidung vom Donnerstagabend sei um 8.27 Uhr an das Bamf gefaxt worden, sagte ein Gerichtssprecher. Zu diesem Zeitpunkt soll Sami A. schon auf dem Flug nach Tunesien gewesen sein: Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus Sicherheitskreisen wurde er gegen 7 Uhr mit einer Chartermaschine von Düsseldorf aus in sein Heimatland geflogen. Nun hat die Rechtsanwältin des Tunesiers Klage auf Rückführung nach Deutschland eingereicht, wie Richter Wolfgang Thewes sagte. Das Amtsgericht Gelsenkirchen fordert nun, dass der Mann zurückgeholt wird – weil gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen worden sei.

Unklar ist, wieso Sami A. trotz des Verbots abgeschoben wurde. Normalerweise sei davon auszugehen gewesen, dass das Gericht vorher über die Abschiebung informiert werde, sagte Richter Wolfgang Thewes der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist das übliche Prozedere in diesen Verfahren.“ Aber das Bamf habe im Gegenteil vor wenigen Tagen auf Anfrage mitgeteilt, dass ein ursprünglich für den 12. Juli geplanter Abschiebeflug wieder storniert worden sei. Zugleich sei aber nicht mitgeteilt worden, dass am 13. Juli ein neuer Flug geplant war. „Hätten wir das gewusst, wäre der Beschluss selbstverständlich viel früher rausgegangen oder die Kammer hätte einen Zwischenbeschluss oder einen Stoppbeschluss erlassen“, erläuterte Thewes und fügte hinzu: „Der Eindruck ist entstanden, dass der Rechtsstaat vorgeführt worden ist.“ Das Gericht sah sich gar gehalten, in einer Mitteilung die zeitlichen Abläufe der gerichtlichen Verfahren noch einmal detailliert nachzuzeichnen.

Das Bamf hatte im Juni eine Abschiebung angeordnet. Daraufhin wurde er festgenommen und die Abschiebung vorbereitet. Dagegen wehrte sich der mutmaßliche Islamist vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, und am Donnerstag entschieden die Richter, dass eine Abschiebung von A. nach Tunesien „weiterhin nicht möglich“ sei. Es liege keine „diplomatisch verbindliche Zusicherung der tunesischen Regierung“ vor, dass A. in dem nordafrikanischen Land keine Folter drohe.

Das NRW-Flüchtlingsministerium von Joachim Stamp (FDP) verwies dagegen in einer Stellungnahme darauf, dass das Gericht am Mittwoch die von der zuständigen Ausländerbehörde der Stadt Bochum ausgesprochene Abschiebungsandrohung gegen A. für rechtmäßig erachtet habe. „Auf Grundlage dieses Beschlusses ist die Rückführung nach Tunesien durchgeführt worden. Ein anderslautender Beschluss lag dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht vor“, teilte das Landesflüchtlingsministerium mit. Eine Abschiebeandrohung diene aber lediglich der rechtlichen Vorbereitung der tatsächlichen Abschiebung, sagte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts dazu.

Sami A. lebte zuletzt mit seiner Frau und seinen Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. Im Jahr 2000 soll er eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten und zeitweise zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben. Anschließend soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten. Die Bundesanwaltschaft hatte laut Gericht gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt.

(wer/rtr/afp/dpa)
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