Prozess in Aachen „Brummi-Andi“ muss wieder ins Gefängnis

Aachen · Bundesweit bekannt geworden ist Andreas B. als „Brummi-Andi“. Der 33-jährige Serienstraftäter aus Monheim hat seine kriminelle Karriere schon als Kind begonnen und saß viele Jahre in Haft. Nach einem Urteil des Aachener Landgerichts muss er nun erneut ins Gefängnis.

Andreas B. (l.) mit seinem Verteidiger Marcus Hertel im Aachener Landgericht. (Archiv)

Andreas B. (l.) mit seinem Verteidiger Marcus Hertel im Aachener Landgericht. (Archiv)

Foto: dpa/Ralf Roeger

Als „Crash Kid“ und „Brummi-Andi“ geriet Andreas B. aus Monheim in den 1990er Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. Die Spitznamen des notorischen Auto- und Lkw-Diebs klingen harmlos und verniedlichend, doch B. hat als 14-Jähriger mit einem Lastwagen eine Absperrung durchbrochen und einen Polizisten überrollt und getötet. Mehr als elf Jahre hat der inzwischen 33-Jährige im Gefängnis verbracht, nun wurde er vor dem Landgericht Aachen erneut zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr mehr gefordert.

Der gebürtige Düsseldorfer hat sich „quer durchs Strafgesetzbuch gearbeitet“, wie die Nebenklage-Anwältin in ihrem Schlussvortrag bemerkt hatte. 72 Taten waren angeklagt. Nachgewiesen wurden dem Angeklagten im Prozess Drogenmissbrauch, Geldfälschung, Körperverletzung, versuchte Nötigung, Beleidigung, Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und versuchte schwere Brandstiftung. Er war auch wegen Zuhälterei und Zwangsprostitution zweier Frauen angeklagt. Beides konnte ihm das Gericht letztlich aber nicht nachweisen. Die Frauen hatten ihn im Prozess entlastet, eine 21-Jährige hatte gesagt: „Ich habe die Freier freiwillig über mich ergehen lassen.“ Andreas B. habe sie nicht gezwungen. Er habe sie nur zu den Kunden ins Ruhrgebiet und nach Köln gefahren. Dass die wichtigsten Belastungszeugen im Prozess ihre Aussagen, die sie bei der Polizei gemacht hatten, widerriefen, war eine der „Besonderheiten“ im Prozess, wie der Vorsitzende Richter der 7. Großen Strafkammer sagte.

Laut Anklage hatte B. ein Kopfgeld auf die 21-Jährige ausgesetzt, als sie nicht mehr für ihn anschaffen gehen wollte – „wie im Wilden Westen“, wie die Staatsanwältin im Plädoyer sagte. Die Ermittler sicherten WhatsApp-Sprachnachrichten mit Drohungen wie „Du wirst auf allen Vieren zu mir kriechen.“ „Widerwärtige Nachrichten, allerunterste Schublade“, wie der Vorsitzende sagte. Doch ohne eine belastende Aussage der Frau war ein Nachweis nicht möglich. „Was soll das Gericht da machen?“, fragte der Vorsitzende. Im Zweifel muss das Gericht für den Angeklagten entscheiden.

B. entgeht wohl auch wegen der Freisprüche in den Fällen der Zuhälterei einer Sicherungsverwahrung, die im Raum stand. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht neben einer Freiheitsstrafe anschließende Sicherungsverwahrung anordnen. Sie kommt nicht nur bei bei lebenslangem, sondern auch bei kürzerem Freiheitsentzug in Betracht und soll die Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern schützen. Es wird dann nach einer Haftstrafe regelmäßig geprüft, ob die gesicherte Unterbringung noch erforderlich ist.

Ein psychiatrischer Gutachter hatte zwar keine Voraussetzung für diese harte Maßnahme gesehen, B. sei kein „bedrohlich aktiver Hangtäter mit schwerer Delinquenz“. Das sah die Staatsanwältin aber anders: „Es fehlt das letzte Quäntchen für eine Sicherungsverwahrung. Aber der Angeklagte geht Schritt für Schritt in diese Richtung.“ Gegen eine Sicherungsverwahrung, die einen „verfestigten Hang eines Angeklagten zur Begehung schwerster Straftaten“ voraussetzt, spricht aber laut Kammer auch das Alter des Angeklagten. „Man kann diesen verfestigten Hang nicht sicher feststellen. Dafür ist er vielleicht einfach zu jung“, wie der Vorsitzende sagte. Wenn auch Andreas B.s Persönlichkeit die zweite Besonderheit im Prozess sei, denn „dass jemand in seinem Alter eine solche Latte an Vorstrafen und so viele Jahre in Haft verbracht hat, ist sehr selten“. Die Sicherungsverwahrung sei unausweichlich, wenn B. nach der Haft so weitermache. Es scheint also seine letzte Chance zu sein.

41 Mal war B. vor dem Prozess ohne Führerschein erwischt worden, oft betrunken oder unter Drogeneinfluss. Einmal hatte er drei Promille Alkohol im Blut.

Andreas B., Vater zweier Töchter, wollte sich am letzten Prozesstag nicht mehr äußern. Zu Prozessbeginn hatte er mit den Worten „Ich bin ziemlich runtergerockt“ damit begonnen, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Der alkoholkranke Vater habe ihm als Elfjährigen das Lkw-Fahren beigebracht, noch vor der Strafmündigkeit klaute er Lastwagen, Autos und Mopeds.

1999 schickte das Jugendamt den damals 13-Jährigen nach La Gomera, eine „erlebnispädagogische Maßnahme“. Der Junge klaute das Auto einer Betreuerin und ein Boot, setzte sich damit nach Teneriffa ab. Sein Vater habe sich auf die Suche nach ihm gemacht – mitsamt dem Kamerateam eines Privatsenders, der dem Vater dafür Tausende Euro bezahlt habe. Andreas B. war da längst als „Brummi-Andi“ bekannt. Ein zweifelhafter kleiner „Kinderstar“, wie der Vorsitzende am Montag sagte. Zeitweise hatte B. einen Manager, der die TV-Interviews des „Crash Kids“ plante.

In Holland klaute er mit einem Kumpel im März 2000 den Lastwagen, mit dem er den tödlichen Unfall verursachte und nach etlichen Heimaufenthalten erstmals ins Gefängnis kam. Vier Jahre sollte der 14-Jährige in Haft bleiben, es wurden sieben Jahre, nachdem er wegen der Vergewaltigung eines Mithäftlings schuldig gesprochen wurde.

Vor dem aktuellen Prozess war er gerade erst ein paar Monate in Freiheit.

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