Schaufenster-Ausstellung in Aachen „Was ich anhatte...“ – Schau zeigt Kleidung vergewaltigter Frauen

Eine Frau wird nicht vergewaltigt, weil sie einen Minirock trägt. Das will eine Schaufenster-Ausstellung in Aachen zeigen. Zwölf Outfits stehen für zwölf Schicksale – Jeans und T-Shirt, ein Kleid, ein Nachthemd. Die Frauen trugen sie, als sie vergewaltigt wurden.

Diese Outfits trugen Frauen, als sie vergewaltigt wurden
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Weder Minirock noch High Heels – Ausstellung „Was ich anhatte...“

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Foto: RPO/Wilmes

Ein schwarzer, langer Rock, eine weinrote Bluse und schwarze, flache Schuhe. So war Angela angezogen, als sie nach einer Weihnachtsfeier vergewaltigt wurde. Von einem Kollegen, den sie süß fand und charmant, wie sie sagt. Von dem sie aber nicht mehr wollte und von dem sie glaubte, er sei ein Freund. Beide arbeiteten in einem Seniorenheim, sie in der Pflege, er im Restaurant. „Unter dem Vorwand, mir eine Abkürzung innerhalb des Hauses zeigen zu wollen, lockte er mich in eine Falle“, sagt Angela. Sie war damals nach der Feier im Aufbruch, wollte zur Straßenbahn. „Alles ging blitzschnell. Er packte mich, donnerte mich gegen eine Küchenzeile, zog meinen Rock hoch und den Slip runter und vergewaltigte mich.“ Sie sei derart geschockt gewesen, dass sie überhaupt nicht reagieren konnte. „Ich konnte mich nicht wehren, nicht schreien, ich war ein Stück totes Fleisch.“

Angela ist eine von zwölf Frauen, deren Geschichten in der Schaufenster-Ausstellung „Was ich anhatte…“ in Aachen erzählt werden. Alle Frauen wurden Opfer sexualisierter Gewalt, sie bleiben anonym. Aber die Kleidungsstücke, die sie trugen, als sie vergewaltigt wurden, stehen für zwölf schicksalhafte Begegnungen und zwölf brutale Verbrechen. Täter waren der Stiefvater, der Kollege, der Partner oder der vermeintlich gute Freund. Zu sehen sind Jeans, ein Dirndl, schwarze Stiefel, das bunte Sommerkleid einer Grundschülerin und das Nachthemd einer älteren Frau. Fast alle Exponate sind die Original-Kleidung der Frauen. Wenn die nicht mehr existierte, wurde sie originalgetreu nachgekauft.

„Wir möchten zeigen, dass Frauen keine Mitschuld an den Taten haben, sei es durch ihr Aussehen, ihr Verhalten oder ihre Kleidung“, sagt die Kölner Autorin und Dokumentarfilmerin Beatrix Wilmes, die die Idee zur Ausstellung hatte. Unterstützt wurde sie von der Studentin Celina Dolgner aus Düsseldorf, die ihre Bachelorarbeit zu dem Thema verfasst hat. Nach einem Aufruf in den sozialen Medien haben sich mehr als 50 Frauen bei Beatrix Wilmes gemeldet, die ihre Geschichte für die Ausstellung erzählen wollten. „Alle haben ein Trauma überlebt und sind stärker geworden – das wollen wir mit dieser Ausstellung zeigen“, sagt Wilmes. „Sie wollen nicht mehr schweigen und Opfer sein.“ Die Schau zeigt, dass Frauen jeden Alters Opfer von Sexualstraftaten werden können. „Eine Frau hat uns das Nachthemd ihrer Großmutter gebracht, die als über 80-Jährige vergewaltigt wurde, das Kindersommerkleid gehörte einem sechs Jahre alten Mädchen.“

Wegen der Corona-Pandemie werden die Exponate im Schaufenster des Kulturraums „Raststätte“ ausgestellt. Details zu den Geschichten der Frauen können über einen QR-Code abgerufen werden, der auf den Ausstellungsplakaten angezeigt ist. „Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen, jede siebte Frau von sexualisierter Gewalt“, sagt Loni Finken vom Gleichstellungsbüro der Stadt Aachen, das die Ausstellung anlässlich des Weltfrauentags am 8. März präsentiert. „Wir wollen das Thema gerade jetzt für die Öffentlichkeit sichtbar machen, um Betroffenen Mut zu machen, sich Hilfe und Unterstützung zu holen.“

Angela, die Frau mit dem langen schwarzen Rock, hat heute zwei Kinder. Es ist 14 Jahre her, dass ihr Kollege sie vergewaltigt hat. Und doch sieht sie ihn noch manchmal ganz deutlich vor sich, wenn sie das After Shave eines fremden Mannes plötzlich an ihn erinnert. „Dann bin ich sofort zurück in der Situation und sehe, wie mein Kollege sich danach lässig mit einer Hand durch die Haare fuhr, während ich weinend davon lief“, sagt sie.

 Schaufenster-Ausstellung „Was ich anhatte...“ in Aachen.

Schaufenster-Ausstellung „Was ich anhatte...“ in Aachen.

Foto: RPO/Wilmes

Die Ausstellung „Was ich anhatte…Gegen den Mythos von Schuld der Opfer bei sexualisierter Gewalt“ läuft bis 11. März im Kulturraum Raststätte, Lothringerstraße 23, in Aachen. Sie ist als Wanderausstellung konzipiert und soll für jeweils zwei Wochen in unterschiedlichen Städten zu sehen sein.

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