Kriminelle Familien Polizei beobachtet 50 Clans in NRW

Düsseldorf · Die Sicherheitsbehörden des Landes NRW erstellen ein erstes Lagebild der kriminellen Banden. Deren Zahl ist beachtlich. Aggressivität und Vernetzung nehmen zu.

 Weseler Straße im Duisburger Stadtteil Marxloh: In dem Viertel sollen laut LKA kriminelle Familienclans ansässig sein.

Weseler Straße im Duisburger Stadtteil Marxloh: In dem Viertel sollen laut LKA kriminelle Familienclans ansässig sein.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen breitet sich offenbar weiter aus. „Wir haben rund 50 Clans in NRW – plus minus X. Ganz genau kann man das nicht sagen, weil die Clans zum Teil unterschiedliche Namen haben“, sagte Thomas Jungbluth, leitender Kriminaldirektor des Landeskriminalamtes (LKA), unserer Redaktion. Die Sicherheitsbehörden gehen demnach jetzt von einer Mitgliederstärke im unteren fünfstelligen Bereich aus.

Nicht alle Clanangehörigen sind bisher durch Straftaten aufgefallen. „Es gibt Personen, die sind noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten“, erläuterte Jungbluth. Das Dunkelfeld sei aber groß. Es gebe zum Beispiel Banden, die mit unterschiedlichen Schreibweisen auffielen. „Einen Clan-Namen kennen wir allein in 16 verschiedenen Versionen. Sie ändern zum Teil ihre Namen, wechseln in türkische oder arabische Bezeichnungen und versuchen so, aus dem polizeilichen Fokus zu gelangen“, erklärte Jungbluth.

Die Sicherheitsbehörden erstellen gerade das erste Lagebild über kriminelle Clans in NRW. Bei Jungbluth laufen alle Fäden zusammen. Er ist Chefermittler für organisierte Kriminalität beim LKA, wo auch das Lagebild angefertigt wird. Die Zielgruppe der türkisch-arabischen Großfamilien ist nach seinen Angaben schon länger im polizeilichen Fokus. Neu sei deren Verhalten in den vergangenen beiden Jahren. „Sie treten seit 2016 zunehmend aggressiv in der Öffentlichkeit gegenüber Polizisten, Ordnungsbehörden und Rettungsdiensten auf.“

Auch innerhalb der Clans hätten seitdem die Auseinandersetzungen stark zugenommen, erklärte der Ermittler. Die Banden blieben nicht mehr im Verborgenen, sondern seien deutlicher wahrnehmbar. „Das hat dazu geführt, dass wir unser polizeiliches Maßnahmenpaket noch einmal neu auf den Prüfstand gestellt haben, um wirksame Bekämpfungsansätze zu entwickeln“, sagte Jungbluth.

Die Clans in NRW pflegten laut LKA Kontakte zu anderen kriminellen Großfamilien in Bremen, Niedersachsen und Skandinavien sowie zu den bundesweit berüchtigten Clans in Berlin. Tätig seien sie in legalen und illegalen Geschäftsfeldern. „Wir finden sie zum Beispiel im Kfz-Handel und im Verleih. Es gibt Clans, die verleihen hochwertige Autos, etwa Lamborghinis. Andere betreiben Schlüsseldienste und erheben überhöhte Gebühren“, so Jungbluth. Die Ermittlungsbehörden prüften derzeit intensiv, ob und wie die Clans ins Immobilieninvestment einsteigen, vor allem in den Erwerb sogenannter Schrottimmobilien. Natürlich seien sie auch im Rotlichtmilieu aktiv, in NRW allerdings nicht so ausgeprägt wie in Berlin. „Neben Gewalt- und Eigentumsdelikten sind Clanmitglieder häufig in Rauschgiftkriminalität verwickelt. Zu legalen Einnahmequellen gehören auch Sozialleistungen“, so Jungbluth.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hat den Clans den Kampf angesagt und geht seit Wochen mit intensiven Razzien gegen sie vor. Erst vor Kurzem sagte er unserer Redaktion, dass der Staat die Entwicklung von Parallelgesellschaften in NRW verschlafen habe. Weder Polizei noch Politik hätten sich gekümmert. Nun würden sich Clans auch im ländlichen Raum ausbreiten. Das bestätigt nun auch das Landeskriminalamt. „Wir finden sie zum Beispiel in Mettmann, Düren oder in Westfalen“, sagte Jungbluth.

(csh)
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