Neue Stücke israelischer und deutscher Autoren

Leere Stühle bestimmen das Bild. Allerdings nicht in den Zuschauerreihen, die im Studio Central das Spielfeld gleich auf drei Seiten säumen. Auf der Bühne stehen sie, alle aus Holz, und sie sind und bleiben die Kulisse für jedes der sechs Stücke, die unter dem Titel "Reality Check" gezeigt werden. "Posttrauma" ist das Werk des israelischen Autors Tal Schiff, mit dem der Abend eröffnet wird. Im Mittelpunkt der Szene: Ein israelischer Mann hat einen Deutschen verprügelt, weil dieser sich angeblich an die Freundin des Israelis herangemacht hat. "Warum hast du zugeschlagen?", fragt die Freundin. "Wieso habe ich nicht zurückgeschlagen?", fragt der Deutsche. "Zurückschlagen oder vergeben?", fragen sich zwei Augenzeugen. Alle drei Stückebenen spielen in einem Raum, die Figuren begegnen einander – und doch wieder nicht.

Ein schöner Kniff der Regisseurin Kerstin Krug, den sie auch im Stück "Ein anderes Haus" der Israelin Dana Idisis anwendet: Dort sieht man zwei Paare, die Eltern und der Sohn mit Freundin, auch sie spielen gleichzeitig zwischen den Stühlen. Doch hier findet sich der Zuschauer in zwei Zeitebenen wieder – die Eltern versuchen ihre Ehe mit dem noch ungeborenen Sohn zu retten, der Sohn kann sich nicht vom Haus der verstorbenen Eltern trennen.

"Ein anderes Haus" erzählt wie einige der übrigen Stücke auch von den Bildern, denen vor allem die jüdischen Figuren immer noch ausgeliefert sind, und die ihr Denken bestimmen. Bilder der Glaubensbrüder im KZ, Bilder von Viehwaggons, Bilder von Krematorien. "Bilder, Bilder, Bilder", schreit auch Daniel in "Tikun" von Yariv Gottlieb, der plötzlich vom Israeli zum Juden wird, nur weil er eine deutsche Freundin hat. Auch hier gelingt der jungen Regisseurin eine hübsche Idee: Auf der riesigen Leinwand, die das Spielfeld umgibt, werden Szenenfotos von Anna und Daniel projiziert. "Das sind unsere Bilder", sagt Anna. Sie sollen die Bilder der Geschichte in Daniels Kopf verdrängen.

Israelis, gefangen in der Vergangenheit, und Deutsche, die verlegen und verkrampft werden, sobald sie mit Juden in Kontakt kommen oder in Israel weilen – dieses Bild zeichnen die sechs Autoren, deren Stücke in Düsseldorf gezeigt werden. Insgesamt vier deutsche und vier israelische Schriftsteller nahmen im Herbst 2008 an dem Austauschprojekt teil, aus den bei diesen Reisen gesammelten Erfahrungen, Impressionen und Beobachtungen erarbeiteten sie acht kurze Dramen, von denen in beiden Ländern eine unterschiedliche Auswahl getroffen wurde.

In fast allen Stücken gibt es immer wieder auch lustige Momente, in denen gängige Klischees selbstironisch beleuchtet werden. Die sieben Schauspieler, allen voran Natalia Belitski, Gunther Eckes und Rainer Galke, zeigen darstellerisch eine extreme Bandbreite und schaffen es, den Figuren, trotz einer Stücklänge von nur je 15 Minuten, Tiefe zu geben. Die Geschichten berühren.

Zum Schluss des Abends gelingt Kerstin Krug mit "Meeting People" von Nora Mansmann dann leider kein Glücksgriff: Ein schwuler Erzengel ganz in Rosa und der personifizierte Holocaust mit Gasmaske und Maschinengewehr toben da gemeinsam mit einer Omi mit Schwarzwaldhut über die Bühne. Was das sagen soll, bleibt unklar. Noch unter diesem Eindruck gab es freundlich-verhaltenen Applaus.

INFO "Reality Check" ist zu sehen im Studio des Central am Düsseldorfer Hauptbahnhof, Termine und Tickets unter Telefon 0211 / 369911.

(RP)
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