Neue Familien für behinderte Kinder

Die Diakonie stellte in einer Tagung ihr Modell zur Vermittlung behinderter Kinder vor. Diakonie-Mitarbeiterin Frauke Zottmann-Neumeister hat es aufgebaut und gab so Kindern wie Max ein Zuhause. Andere Organisationen planen die Übernahme des Modells.

Seit heute ist Frauke Zottmann-Neumeister im Ruhestand. Doch als ehemalige Leiterin des Fachdienstes für Pflegekinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen bei der Diakonie Düsseldorf wird sich die 65-Jährige auch weiterhin für die Sache einsetzen, die in den vergangenen zehn Jahren zu einer Lebensaufgabe wurde. Mit 22 Mitarbeitern schaffte es Zottmann-Neumeister, das bundesweit erste Modell zur Vermittlung behinderter und kranker Kinder in Pflegefamilien aufzubauen.

Seit 2001 bekamen 173 Mädchen und Jungen eine neue Familie. Und nun, nach Pensionierung und Übergabe des Postens an Nachfolgerin Annette Eichhorn, will sich Frauke Zottmann-Neumeister weiter politisch für die Kinder engagieren. "Ich habe schließlich im Lauf der Jahre viele Kontakte gesammelt", sagte sie gestern am Rande einer Fachtagung zum Thema in den Düsseldorfer Rheinterrassen.

Wissenschaftliche Untersuchung

Dort zogen Experten ein Zwischenfazit des Düsseldorfer Diakonie-Modells, das schon bald von den Bodelschwingh'schen Stiftungen Bethel übernommen werden soll. Unter anderem stellten Klaus Wolf, Professor für Pädagogik an der Universität Siegen, sowie sein Mitarbeiter Dirk Schäfer eine Studie vor, die sich mit dem Modell beschäftigt hatte. "Wir haben uns über zwei Jahre hinweg die Geschichten der Familien erzählen lassen und daraus ermittelt, welche Bedürfnisse die Betroffenen haben", sagte Klaus Wolf im Gespräch mit der Rheinischen Post.

Geschichten wie jene der Familie Schumacher aus Langenfeld. Das Ehepaar, das bereits zwei Mädchen adoptiert hatte, entschloss sich vor neun Jahren als eine der ersten Familien, ein behindertes Kind zur Pflege aufzunehmen. Max hat das Down-Syndrom, war damals zehn Monate alt und hatte sein ganzes bisheriges Leben im Krankenhaus verbracht. "Er hat sich toll entwickelt", sagt seine Pflegemutter Gerlinde Schumacher heute. Der Junge besucht eine Förderschule, in der er nach seinen Fähigkeiten gefördert wird. Und die Pflegeeltern sind zuversichtlich, dass Max eines Tages ein relativ selbstständiges Leben führen kann.

Dabei kommt es darauf an, individuell auf die Bedürfnisse der Kinder und der Familien einzugehen. Denn die Fälle sind sehr verschieden. Während Max beispielsweise von seinen Pflegeeltern auf sein Leben vorbereitet wird, kann es bei anderen, schwer kranken Kindern "nur noch" Aufgabe sein, den Kleinen in ihren letzten Lebensmonaten Geborgenheit und Liebe zu geben. Eine besondere Belastung für die Pflegeeltern sowie möglicherweise vorhandene "Stiefgeschwister", weshalb die Diakonie die Betroffenen auch nach dem Tod eines Pflegekindes betreut. Unter anderem kümmern sich Psychologen um die Familien.

Dabei hatten behinderte Kinder bis 2009 noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf Vermittlung in eine Pflegefamilie. "Bis dahin lag dies im Ermessen der Sozialämter, die Kinder oft trotz vorhandener Pflegefamilien in Einrichtungen unterbrachten", sagt Frauke Zottmann-Neumeister. Nach einer ersten Fachtagung 2007 wurde sie darum zum ersten Mal politisch aktiv. Sie wandte sich an die Fraktionen von Union und SPD im Bundestag. Und diese beschlossen schließlich noch in der Zeit der großen Koalition eine Gesetzesänderung.

(RP)
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