Initiative „Out in Church“ 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche outen sich

Düsseldorf · Mit der Initiative „Out in Church“ fordern queere Pfarrer, Pastoralreferentinnen und Lehrer ein Ende der Diskriminierungen in der Kirche.

 Nach der Entscheidung im Bundestag über die „Ehe für alle“ wird in Köln im Sommer 2017 die Regenbogenflagge gehisst.

Nach der Entscheidung im Bundestag über die „Ehe für alle“ wird in Köln im Sommer 2017 die Regenbogenflagge gehisst.

Foto: picture alliance / Oliver Berg/dpa/Oliver Berg/DPA

Es sind 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche. 125, die sich als queer geoutet haben, die also nicht heterosexuell sind und jetzt fordern, dass ihre Diskriminierung durch die Amtskirche ein Ende hat. Priester, Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, Religionslehrer und Religionslehrerinnen, die ihre Partnerin oder Partner bislang geheimhalten, die fürchten müssen, entlassen zu werden, weil sie nach katholischer Lehre sündig sind. Diese 125 haben sich in der Initiative „Out in Church“ zusammengetan – für eine Kirche ohne Angst. Darum zeigen sie ihr Gesicht, erheben ihre Stimme.

Einer von ihnen ist Christoph Simon­sen. Er weiß, wie es ist, sich als katholischer Priester in der Öffentlichkeit zu seiner Homosexualität zu bekennen. Der Mönchengladbacher hatte sein Coming-out nach seiner Priesterweihe 1982, er traf beim damaligen Aachener Bischof Klaus Hemmerle auf viel Verständnis. „Ein Glücksfall“, sagt Simonsen. Trotzdem war die Zeit danach für ihn schwierig. „Als ich Ende der 80er-Jahre die erste Segensfeier für ein schwules Pärchen gefeiert habe, hat das viele Briefe zur Folge gehabt mit ziemlich üblen Verleumdungen und Verletzungen und Demütigungen, die schon wehgetan haben und auch jetzt noch immer wehtun“, sagt der 65-Jährige.

Simonsen ist Seelsorger im Bistum Aachen. Und der heutige Ortsbischof Helmut Dieser tritt offen dafür ein, dass die katholische Kirche ein neues Verhältnis zu queeren Menschen einnimmt. Er habe in den vergangenen Jahren viel dazugelernt, sagt Bischof Dieser unserer Redaktion – in vielen Gesprächen mit unterschiedlichen Menschen, mit jungen Leuten vor allem. „Diese Begegnungen haben mich sehr berührt, und ich habe mich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir als Kirche mit queeren Menschen umgehen. Wir sagen zwar, dass niemand diskriminiert werden darf. Dennoch fühlen sich viele ausgeschlossen. Das müssen wir überwinden.“ Ansonsten, so fürchtet Dieser, werde der Dialog schnell abbrechen.

Die jetzt verstärkt angestoßene Debatte trifft vielfach auf guten Wider­hall. Auch beim Synodalen Weg Anfang Februar in Frankfurt soll ein Dokument verabschiedet werden, wonach kein Mensch wegen seiner homosexuellen Orientierung diskriminiert werden darf und jeder Mensch mit seiner ihm eigenen Geschlechtlichkeit von Gott geschaffen wurde. Das aber ist immer noch keine Selbstverständlichkeit. Im Frühjahr des vergangenen Jahres verbot der Vatikan die Segnung homosexueller Paare. Darauf hisste Simonsen die Regenbogenfahne an der Mönchengladbacher Citykirche. Und im Dezember feierte er einen queeren Gottesdienst und segnete darin homosexuelle Paare.

Das Segnen ist offiziell nicht erlaubt. Für Bischof Dieser ist es der Gewissensentscheidung der einzelnen Seelsorger überlassen, ob sie segnen oder nicht. Für die Zukunft aber möchte der Aachener Bischof weiterkommen, damit die Bistümer eine feste Grundlage für die Segnungen haben. Einen Beschluss dazu könnte in knapp zwei Wochen die Synodalversammlung fassen.

Auch Simonsen hat sich um eine größere Basis bemüht. Und so arbeitete der 65-Jährige Pfarrer mit einer Handvoll Begleitern an dem Projekt „Out in Church“, dem Outing von Bediensteten der katholischen Kirche. Zusammen mit Burkhard Hose, Hochschulpfarrer aus Würzburg, Bernd Mönkebüscher, Pfarrer in Hamm, und Jens Ehebrecht Zumsande, Theologe und Gemeindereferent in Hamburg, begann er das Projekt „Out in Church“. Ein Jahr arbeiteten sie im kleinen Kreis daran, um keine Widerstände vorab zu erzeugen. Sie fanden schwule und lesbische Bedienstete in der Kirche. Priester, Lehrer, Gemeindereferenten, denen sie Mut machen mussten, den Schritt zu gehen und damit etwas in der Kirche zu verändern. „Wir haben jetzt von vielen die Rückmeldung bekommen: Es war gut zu zeigen, wer wir sind, und diesen Schritt zu wagen.“

Simonsen will die Haltung der Kirche zu Homosexualität verändern. „Die Krux ist: Ein Outing kann bei manchen Bischöfen auch nach hinten losgehen. Es hängt immer an einzelnen Personen mit großem Machtpotenzial, die ein Angstfeld nach ihrer eigenen Anschauung schaffen können“, sagt er. Es sei also unabdingbar, dass sich die Verantwortlichen in der katholischen Kirche damit auseinandersetzten. Wenn deutsche Bischöfe damit anfangen, die Pastoral und die Lehre zugunsten der Menschen zu ändern, für die wir verantwortlich sind, dann ist das ein Anfang.“

Simonsen findet es unerträglich, dass Menschen, die nicht nach der Lehre der Kirche leben, gekündigt werden. Erzieherinnen in der Kita, die mit ihrer Partnerin leben. Krankenpfleger der Caritas, die ihren Mann heiraten. „Das grenzt an Menschenrechtsverletzungen“, sagt er.

Auch das will Bischof Helmut Dieser reformieren und sagt: „Wer in und für die Kirche arbeitet, darf keine Angst haben müssen, dass er aufgrund seiner sexuellen Orientierung seine Arbeit verliert.“

Es sind Geschichten wie die folgende, die solche Reformvorhaben vorantreiben: „Ich habe mich nicht in eine Frau verliebt, sondern in einen Menschen. Wir sind glücklich miteinander, und dafür möchte ich mich nicht verstecken müssen. Ich glaube auch nicht, dass Gott das von mir will.“ Lisa Reckling ist 30 Jahre alt und lebt seit acht Jahren in einer festen Beziehung mit Yvonne. Vor Kurzem hat Reckling sie geheiratet und deren Namen angenommen. Sie ist in der katholischen Gemeinde ihres Heimatortes tief verwurzelt. Lisa gehört dem Pfarreirat im Gocher Land an, und weder der jetzige noch der frühere Pfarrer hat ein Problem damit, dass sie mit einer Frau lebt. Auch die Schüler der Sonderpädagogin finden nichts dabei. Dabei könnte es theoretisch sein, dass ihr die Missio canonica entzogen wird; die Amtskirche hat klare Vorstellungen, wie christliche Verantwortung auszusehen hat. Lisa glaubt nicht, dass es durch ihr Outing zum Äußersten kommt: „Wir sind so viele. Und wir werden gebraucht.“

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