Missbrauchsfall Lügde Die Chronologie des Versagens in Lügde

Düsseldorf/Lügde · Das Ausmaß des Missbrauchs auf einem Campingplatz im Kreis Lippe wird immer größer. Mindestens 34 Jungen und Mädchen wurden jahrelang missbraucht. Erst durch die Anzeige einer Mutter kam der Fall ans Tageslicht.

 Auf einem Campingplatz in Lügde wurden Dutzende Kinder missbraucht.

Auf einem Campingplatz in Lügde wurden Dutzende Kinder missbraucht.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Als die Kreispolizeibehörde (KPB) Lippe am 30. Januar auf einer Pressekonferenz die Öffentlichkeit über den Missbrauchsfall informiert, hat man im Düsseldorfer Innenministerium endgültig genug. Man beschließt, den Beamten den Fall zu entziehen. Die Polizei in Bielefeld übernimmt. Ab nun tritt zu Tage, was als einer der größten Polizeiskandale des Landes in die Geschichtsbücher eingehen wird.


20. Oktober 2018 Eine Mutter aus Bad Pyrmont geht zur Polizei und erstattet dort Anzeige wegen massenhaften Missbrauchs auf einem ostwestfälischen Campingplatz. Kinder im Alter zwischen vier und 13 Jahren sollen in einem Zeitraum von zehn Jahren missbraucht worden sein. Auslöser für die Ermittlungen ist der Hinweis auf den Missbrauch eines Mädchens. Die Sechsjährige ist eine Freundin des Pflegekindes des späteren Hauptverdächtigen.

Dezember/Januar Das Innenministerium fragt in Lippe immer wieder an, ob man Hilfe benötigt. Dort wiegelt man ab. Man habe alles im Griff. Es gebe keine Probleme.


18. Dezember 2018 Ein Wohnwagen auf dem Campingplatz wird durch Ermittlungsbeamte der Kreispolizeibehörde (KPB) Lippe fotografiert, kontrolliert und versiegelt. Zwei Tage später erfolgt das gleiche noch einmal.


6. Dezember Der Hauptverdächtige wird festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

30. Januar Pressekonferenz der KPB Lippe. Die Ermittler informieren die Öffentlichkeit über den Missbrauchsfall. Das Ausmaß entsetzt viele. Auch die Politik. Hinter den Kulissen des Innenministeriums ist man verärgert. Es wird beschlossen, der KPB Lippe den Fall zu entziehen.

31. Januar Das Polizeipräsidium Bielefeld übernimmt die Bearbeitung der Missbrauchsfälle von der Kreispolizeibehörde Lippe. In Bielefeld wird umgehend eine sogenannte besondere Aufbauorganisation, kurz BAO, namens „Eichwald“ eingerichtet. Sie besteht mittlerweile aus 60 Ermittler. Nach Meinung der Grünen-Landtagsabgeordneten Verena Schäffer hätte die Übergabe schon viel früher passieren müssen, weil zu diesem Zeitpunkt allen Verantwortlichen längst bekannt gewesen sein müsste, dass die KPB Lippe überfordert sei mit dem Fall. „Ich verstehe beim besten Willen nicht, wieso das nicht geschehen ist“, kritisiert Schäffer.

18. Februar Die BAO „Eichwald“ vermisst den Tatort noch einmal gründlich, einschließlich eines 3D-Scans und einer 360-Grad-Fotografie.

21. Februar Aufgrund starken öffentlichen Interesses wird der Campingplatz nun bewacht. Ein Bauzaun soll Unbefugten den Zutritt verwehren. Bis dahin sicherte nur ein Flatterband den Tatort.

22. Februar Innenminister Herbert Reul (CDU) beruft kurzfristig eine Pressekonferenz in der Ahnengalerie im Landtag ein. Er gibt bekannt, dass Beweise verschwunden sind.

27. Februar Beginn umfangreicher Durchsuchungsmaßnahmen mit einem Datenträgerspürhund aus Sachsen.

5. März Der Wohnwagen wird mit Beschluss des Amtsgerichts Detmold noch einmal untersucht. Die BAO hätte den Wohnwagen gerne früher untersucht. Das ist aber offenbar nicht möglich gewesen, weil die Verfahrensübernahme von der KPB Lippe sehr unstrukturiert abgelaufen sein soll.

5. März Das Elternhaus eines Beschuldigten wird durchsucht. Im Keller werden mehrere Unterlagen und CDs sichergestellt. In den Kellerraum soll zwischenzeitlich eingebrochen worden sein. Bei der Polizei Höxter wird am 4. Februar ein Einbruchsversuch angezeigt. Verdacht: Versuchte der Einbrecher möglicherweise, belastendes Material verschwinden zu lassen? Die Ermittlungen dazu dauern an.

6. März Abschluss der umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen und Abschluss der Tatortaufnahme. Insgesamt sind fünf Wohnwagen, zwei Wohnungen, ein Kellerraum sowie ein Auto durchsucht worden.

7. März Eine Zeugin meldet sich bei der Polizei. Sie sagt, dass ihre Eltern einem der Beschuldigten eine Parzelle auf dem Campingplatz zur Nutzung übergeben hat. Ermittlungen bestätigen das aber nicht.

14. März Sitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtages. Reul gibt weitere Einzelheiten bekannt. FDP-Innenexperte Marc Lürbke erklärt anschließend: „Das macht mich fassungslos. Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Es muss alles aufgeklärt werden. Das ist notwendig.“

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