Kommentar zu Urteil in Lügde Lügde ist eine bittere Lektion für uns alle

Lügde · Die Täter von Lügde wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Das tröstet nicht über die zahlreichen Pannen hinweg, die auf Seiten der Jugendämter und der Polizei zu beklagen sind. Aber nicht nur die Behörden haben Reformbedarf. Die Zivilgesellschaft auch.

Am Ende hat der Staat doch noch funktioniert. Zehn Wochen nach Prozessbeginn wurden die Täter im Missbrauchsskandal von Lügde zu hohen Haftstrafen verurteilt. Mit anschließender Sicherungsverwahrung, damit sie nie wieder Kindern das antun können, was sie den 32 Opfern von Lügde angetan haben: Hundertfachen schweren sexuellen Kindesmissbrauch, teilweise über Jahre hinweg und vor laufender Kamera.

Dieser für die Opfer und für das Vertrauen der Öffentlichkeit in Polizei und Justiz so wichtige Richterspruch war keineswegs sicher. Die anfänglichen Ermittlungspannen der Polizei waren so haarsträubend, dass der Gerichtsprozess schon darunter zu leiden drohte. Erst als NRW-Innenminister Reul (CDU) der hoffnungslos überforderten Polizeibehörde in Lippe – viel zu spät – die Verantwortung entzog, fassten die Ermittlungen Tritt und die Justiz konnte so zügig und konsequent handeln, wie man es in einem solchen Fall auch erwartet.

Viel mehr als dieses Minimalergebnis kann der Staat allerdings nicht für sich reklamieren. Der Fall Lügde hat erheblichen Reformbedarf bei den Jugendämtern offengelegt, die Warnhinweise ignoriert und nicht genug miteinander kommuniziert haben. Ebenso bei der Polizei, die völlig unzureichend für den Kampf gegen Kindesmissbrauch gerüstet war. Erst Lügde hat die Politik zu entsprechenden Korrekturen veranlasst. Der Fall ist aber auch eine Lektion für die Zivilgesellschaft, die sich hinter dem Irrtum versteckt hat, Kindesmissbrauch sei ein Randphänomen. Wir alle müssen genauer hinsehen. Und handeln. Verdächtige Situationen offen ansprechen, auch auf die Gefahr hin, uns mit falschen Verdächtigungen zu blamieren. Der beste Schutz für Kinder ist die Wachsamkeit der Erwachsenen, die täglich mit ihnen zu tun haben.

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