Nachts volle Rastplätze Lkw-Fahrer, bitte weiterfahren!

Dormagen · In NRW fehlen Tausende Stellplätze für Lkw. Nachts sind die Rastplätze entlang der Autobahnen voll. Zwar baut das Land sie seit Jahren aus, kann mit dem Wachstum des Güterverkehrs aber nicht mithalten. Neue Systeme sollen helfen.

 Die Straße als Schlafplatz für auswärtige Fernfahrer. (Symbolbild aus Mönchengladbach)

Die Straße als Schlafplatz für auswärtige Fernfahrer. (Symbolbild aus Mönchengladbach)

Foto: Müllers

Auf dem Rastplatz Jura-West an der Autobahn 3 zwischen Nürnberg und Regensburg können Lastwagenfahrer nachts ruhig schlafen. Sie und ihre Lkw werden je nach Abfahrtszeit auf die Stellplätze sortiert. In Reihe 21 etwa hält, wer um 4 Uhr wieder los will, Reihe 29 ist für die Abfahrt um 6.15 Uhr reserviert. Welche Spur die richtige ist, sehen die Fahrer auf großen Monitoren. Die Vorteile: Niemand muss lange nach einem Parkplatz suchen, niemand steht einem anderen im Weg. Und da die Lkw eng beieinander geparkt werden, sind etwa 50 Prozent mehr Stellplätze geschaffen worden. Auch in Nordrhein-Westfalen soll es bald ein Pilotprojekt zum sogenannten Kolonnenparken geben - denn die zunehmende Zahl der Lkw stellt das Land seit Jahren vor Probleme.

Derzeit fehlen in NRW mehrere Tausend Lkw-Parkstände. Fernfahrer wie Alexander Matis stehen darum nahezu jeden Abend vor der gleichen Frage: Wo den Lastwagen parken? Denn meist schon ab dem frühen Abend seien die Stellplätze auf den Raststätten voll, berichtet der 43-Jährige. Die Nacht zuvor hat er auf einem Rastplatz in Remscheid an der A 1 verbracht. "Weil sonst nichts frei war, musste ich die Pkw-Plätze belegen", sagt er. Die Gaststättenbetreiber kämen wegen so etwas schon gar nicht mehr raus. "Die kennen das Problem."

Gerade hat er seinen Lkw, mit dem er Chemikalien transportiert, auf dem Rastplatz Nievenheim-West an der A 57 bei Dormagen abgestellt. Wie seine Kollegen ist er gezwungen, die Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten. An diesem Vormittag ist das kein Problem, etliche Plätze sind frei. Einige Stunden später aber wird sich Matis erneut für die Nacht arrangieren müssen. So etwas ist auf der einen Seite ärgerlich für die Fahrer - aber auch eine große Gefahr für sie und andere Verkehrsteilnehmer.

Erhöhtes Aufkommen seit der EU-Osterweiterung 2004

Denn nicht selten stellen die Fahrer ihre Lkw notgedrungen auf Standstreifen oder in Zufahrten zu Raststätten ab. Immer wieder kommt es dadurch zu tödlichen Unfällen, etwa als im November auf der A 40 bei Grefrath ein Motorradfahrer auf einen Lkw prallte, der als Letzter in der Reihe auf dem Seitenstreifen parkte. Im Januar starb ein Lastwagenfahrer auf der A 40 bei Wachtendonk. Er war mit seinem Lkw auf dem Verzögerungsstreifen auf einen stehenden Lastwagen aufgefahren.

Die Polizei ist mit diesem Problem vertraut, berichtet Andreas Czogalla von der Polizei Düsseldorf. Das Lkw-Aufkommen auf deutschen Autobahnen ist seit der EU-Osterweiterung 2004 stark gestiegen. Regelmäßig würden Polizisten abends und nachts Raststätten kontrollieren. "Allerdings schicken wir nicht die weg, die nicht ordentlich stehen, sondern nur die, die wirklich eine Gefahr sind", sagt der Sprecher. Die Beamten seien sich im Klaren darüber, dass es zu wenige Plätze und zu viele Lkw gebe.

Auch das Land hat das erkannt und seit 2008 rund 2100 Stellflächen neu gebaut. Derzeit gibt es dadurch landesweit rund 6750 ausgewiesene sogenannte Lkw-Parkstände auf etwa 80 bewirtschafteten und 250 unbewirtschafteten Rastanlagen. Laut Prognose fehlen allerdings bis 2025 in NRW noch rund 4000 Plätze. Und das Bundesverkehrsministerium rechnet mit einer Zunahme des Lkw-Güterverkehrs bis 2030 um rund 39 Prozent.

Bei überschrittener Lenkzeit droht Bußgeld

"Der Ausbau des Autobahnnetzes und der Rastanlagen an Autobahnen kann mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten", heißt es aus dem Landesverkehrsministerium. Darum will es das Kolonnenparken auf einem der NRW-Rastplätze testen. Wann und wo, steht noch nicht fest. Zudem hat das Ministerium Entwurfsunterlagen beim Bund eingereicht, entlang der A 61 die Belegung der einzelnen Parkplätze über eine Sensorik erfassen zu wollen, sagt eine Sprecherin: "Damit kann die aktuelle Parkplatzsituation per Internet direkt in die Führerhäuser oder Navigationsgeräte der Lkw übertragen werden."

Bis dahin müssen sich die Fernfahrer selbst zurechtfinden. Weil die Blackbox in ihrem Gefährt jede Bewegung und jede Pause aufzeichnet, müssen sie die Vorgaben genau einhalten. Lkw-Fahrer Uwe etwa wollte an diesem Vormittag in Oberhausen rasten, musste aber bis Nievenheim durchfahren. "Zwei Raststätten waren voll, zwei wegen Baustellen gesperrt", sagt der 55-Jährige. Seine Lenkzeit habe er darum um 13 Minuten überschritten. Wenn er keinen verständnisvollen Prüfer hat, wie er sagt, muss er ein Bußgeld zahlen - 30 Euro für bis zu eine Stunde.

Ab drei Stunden wird auch der Halter belangt. Lkw-Fahrer Eduard Botcharov (43) erzählt, er habe deswegen schon mal über Nacht zwischen den Zapfsäulen einer Tankstelle geparkt. Rolf (62) und Jürgen (58) berichten, dass manche Fahrer andere zuparken, um einen Platz zu bekommen. Einfach wegzufahren sei dann nicht möglich. "Auch wenn man den Lkw nur fünf Meter bewegt, zählt das für die Blackbox als Fahrt, und man müsste die Pause wiederholen", sagt Rolf. Auch die weniger frequentierten Autohöfe sind häufig keine Option. Sie kosten acht bis zehn Euro pro Nacht, die die Fahrer meist aus eigener Tasche bezahlen müssen. Bis sie aufatmen können, wird es also noch eine Weile dauern. Bernd Löchter vom Landesdienst Straßen NRW bringt es auf den Punkt: "Die Situation wird besser, aber sehr zäh."

(RP)
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