Düsseldorf Lindner: "Die FDP gab Anlass für Häme und Lobby-Vorwürfe"

Düsseldorf · Der 34-Jährige will Vorsitzender der Bundespartei werden, aber Fraktionschef bleiben.

Wenn eine Sitzung die andere jagt, kann selbst bei einem so routinierten Politiker wie Christian Lindner das Zeitgefühl durcheinandergeraten. Mit einem kernigen "Guten Morgen" tritt der FDP-Landeschef um 13 Uhr vor die Landespressekonferenz in Düsseldorf und kommt rasch zur Sache: "Ich will jetzt die Führung der Partei übernehmen." Am Vorabend hatte ihn der Landesvorstand einstimmig für den höchsten Parteiposten nominiert. Doch Lindner will und braucht das Votum des Parteitags. Wann dieser zusammenkommt, ist noch unklar. Das werde aber "zeitnah" geschehen, sagt Lindner, der bereits klare Vorstellungen über sein "Projekt 2017" hat. Diesem Projekt will er "alles unterordnen", betont der 34-Jährige, der in Wuppertal geboren wurde, in Wermelskirchen aufwuchs und in Düsseldorf wohnt.

Die FDP, die "übergangsweise" nicht mehr dem Bundestag angehören werde, müsse 2017 wieder dorthin zurückkehren. Das werde der "Test für den Neuanfang der FDP". Er mache sich jedoch keine Illusionen darüber, dass dies kein Kurzstreckenlauf sein werde, sondern eine "Marathondistanz", bei der es auch Rückschläge geben werde.

Dass er jetzt durchstarten will, ja muss, steht für Lindner außer Frage. Die FDP befinde sich schließlich in einer Art "politischem Ausnahmezustand". Lindner: "Ich würde es mir immer wieder vorwerfen, wenn ich in dieser für uns so schwierigen Lage der Partei nicht das Angebot machen würde, sie zu führen." Als er gefragt wird, ob er keine Angst vor Widerständen habe, schüttelt er sich fast unmerklich: "Ich scheue keinen Widerstand."

Woher soll der auch kommen? Christian Lindner ist, wenn man so sagen darf, die letzte Patrone, die die Partei derzeit noch hat. Dass er eine Partei aus schier auswegloser Lage herausführen kann, hat er bei der NRW-Wahl 2012 bewiesen. Aus einem desperat anmutenden Häuflein Liberaler, dem kaum drei Prozent zugetraut wurde, machte der brillante Rhetoriker mit seinem engagierten Wahlkampf eine stolze Truppe, die mehr als acht Prozent erhielt. Dieses "Wunder von Düsseldorf", das seinen Nimbus als Retter in der Not begründete, soll sich 2017 in Land und Bund wiederholen.

Dazu setzt Lindner auf die alten, aber in seinen Augen stets gültigen Tugenden der Partei, die sich wie keine andere für die Soziale Marktwirtschaft, Rechtstaatlichkeit und Toleranz einsetze. Deutschland brauche eine Partei, die für einen geordneten Markt kämpfe, der die Fleißigen und nicht die Rücksichtslosen belohne. Er will die FDP "nicht nach links, nicht nach rechts, sondern nach vorne in die Mitte des Bürgertums" bringen. Sie müsse wieder eine respektierte Partei werden, sagt Lindner und räumt ein, dass die FDP "Anlass für Klientelverdacht, Lobby-Vorwürfe und Häme gegeben" habe. Den Namen des Noch-Parteivorsitzenden Philipp Rösler nimmt er bezeichnenderweise kein einziges Mal in den Mund. Jedermann weiß ja, dass er wegen eines tiefen Zerwürfnisses mit ihm 2011 die Brocken als Generalsekretär der Bundespartei hingeworfen hat. Und warum hat er nicht schon früher nach dem Parteivorsitz gegriffen? Lindner: "Ich habe damals einen anderen für besser geeignet gehalten." Die Bemerkung, dass er sich da gründlich geirrt habe, verkneift er sich.

Lindner wird als (ehrenamtlicher) Bundesvorsitzender den Fraktionsvorsitz im Düsseldorfer Landtag behalten. Der Posten ist mit einer Funktionszulage von 6000 Euro brutto im Monat zu den Abgeordnetendiäten von 11 000 Euro brutto dotiert. Das gibt Lindner, der mit einer Journalistin verheiratet ist, finanzielle Unabhängigkeit.

Wer ihm als FDP-Landeschef nachfolgen wird, ist noch offen. Lindner kündigte derweil an, einen neuen Generalsekretär zu berufen. Wer Patrick Döring nachfolgen soll, sagt er aber nicht. Nur so viel: Es sei niemand aus Kiel. Tatsächlich hat der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen FDP-Fraktion, Wolfgang Kubicki, bereits den Wunsch geäußert, Vizeparteichef zu werden. Beiden wird ein sehr freundschaftliches Verhältnis nachgesagt.

Den noch amtierenden Außenminister Guido Westerwelle wird Lindner allenfalls gelegentlich konsultieren. Westerwelle sei "ein erfahrener Politiker und geschätzter Ratgeber". Allerdings werde dieser "operativ keine Verantwortung übernehmen wollen". In vorderer Reihe wird man Westerwelle also nicht mehr antreffen. Die Partei steht vor einem radikalen Personalwechsel.

(RP)
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