Lebende Bilder

Zu Goethes Zeiten war es in Mode, "Tableaux vivants" nach berühmten Gemälden zu stellen. Bei den Düsseldorfer Künstlerfesten der Kunstakademie wurde diese Tradition gepflegt. Jetzt wird sie im Robert-Schumann-Saal spartenübergreifend wiederbelebt.

Was sind eigentlich Lebende Bilder? Zum Beispiel Menschen, die sich kostümiert in Fußgängerzonen aufbauen und gefühlte Ewigkeiten lang keinen Mucks machen. Sie gefrieren sozusagen zur Statue. Diese Einzelkämpfer sind eine moderne Schwundform einer ansonsten fast vergessenen Kunst. Zu Goethes Zeiten war es schwer in Mode, "Tableaux vivants" nach berühmten Gemälden zu stellen. In seinem "Wahlverwandtschaften"-Roman ist davon immer wieder die Rede. Doch auch in Düsseldorf gibt es eine in Vergessenheit geratene Tradition dieser besonderen Form der gehobenen Unterhaltung.

Im Robert-Schumann-Saal hat sich nun ein spartenübergreifendes Team formiert, um diese Kunst wieder zum Leben zu erwecken. Den Anlass dazu bietet die laufende Ausstellung im Museum Kunstpalast, die unter dem Titel "Weltklasse" einen Überblick über Werke der Düsseldorfer Malerschule zeigt. Nicht erst heutzutage ist Düsseldorf eine Kunststadt mit internationaler Ausstrahlung. Schon im 19. Jahrhundert zog es Künstler aus aller Welt an den Rhein, um an der Kunstakademie zu studieren. Berühmt-berüchtigt waren die dheisigen amaligen Künstlerfeste, an denen sich alle Sparten beteiligten und insbesondere die Kunst der Lebenden Bilder über Jahrzehnte intensiv pflegten.

Unter der Ägide von Regisseur Ralph Goertz wird nun der ganze Schumann-Saal zur Bühne. Das Podium ist hinter einem schwarzen Vorhang verborgen, hinter dem die Musiker unsichtbar bleiben, die Stuhlreihen sind in der Mitte geteilt. Dort verläuft quer durch den Raum eine schmale Spielfläche, die Zuschauer sitzen einander gegenüber. Acht Bilder hat Goertz gemeinsam mit der Kuratorin Bettina Baumgärtel ausgewählt, die durch fließende Übergänge eine locker zusammenhängende Geschichte ergeben. Konkret sieht das so aus, dass die stummen Akteure aus allen Richtungen hereinströmen, miteinander wortlos, aber gestenreich kommunizieren und allmählich eine Formation bilden, die schließlich für ein paar Sekunden zu einem Bild gefriert. Und sich alsbald wieder auflöst.

Der Regisseur geht über das alte Konzept hinaus: "Wir versuchen, mit modernen dramaturgischen Mitteln, die eigentliche Motivation des Bildes offen zu legen. Und die Geschichte zu erzählen, die zu genau dem Punkt führt, den der Maler bewusst gewählt hat, um ihn festzuhalten."

Vom a cappella gesungenen Bach-Choral bis hin zu Benjamin Brittens "Simple Symphony" reicht das musikalische Spektrum des Abends, 18 Musiker und sechs Sänger der Musikhochschule sind beteiligt, 20 Statisten wurden von der Deutschen Oper am Rhein abkommandiert, die auch Requisiten und Kostüme stellte. Aufwändig und spartenübergreifend waren die Lebenden Bilder auch seinerzeit schon bei den Künstlerfesten im Malkasten. Dennoch unterscheidet sich die neue Lesart der Lebenden Bilder von der alten deutlich: "Es war uns recht schnell klar, dass wir das der heutigen Zeit anpassen wollen und uns dem Gesamtkunstwerk à la Wagner annähern müssen, um alle Kunstformen zusammenzuführen."

Es ist die Mischung aus exakter Choreographie und individueller Improvisation, aus Stummfilm-Ästhetik und Pantomime, die den besonderen Reiz dieser Lebenden Bilder ausmacht. Besonders interessant dürften sie sein für Zuschauer, die sich mit der Ausstellung beschäftigt haben und schon im Entstehen der Bilder ahnen, was sich da gerade szenisch zusammen braut.

Doch auch ohne Vorkenntnisse wird man nicht alleingelassen im Schumann-Saal, denn es gibt ein bebildertes Programmheft, das kostenlos verteilt wird.

(RP)
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